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Beispiel für eine Bestimmung...

Beispiel für eine Bestimmung...

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Beispiel für eine Bestimmung...

...eines Haarschleierlings
(Cortinarius)

Die Cortinarien sind eine schwierige Gattung.
Nördlich der Alpen bis Skandinavien
gibt es ca. 400 Arten von ihnen.
Etwa 2000 sind jedoch beschrieben.

Was heißt das?
Dass ein riesiges Durcheinander herrscht.

Es gibt zwei momentan vorherrschende "Schulen":

1. Die alte, mitteleuropäische Schule nach Bon.
Sie unterteilt die Cortinarien in folgende Untergattungen:
Dermocyben: Hautköpfe
Myxacien: Schleimfüsse
Phlegmacien: Schleimköpfe und Klumpfüsse
Leprocybe: Rauhköpfe
Cortinarien: Schleierlinge im engeren Sinne
Telamonien: Gürtefüsse und Wasserköpfe
Sericeocyben: Dickfüsse und Glimmerköpfe

2: Die Skandinavier machen das einfacher.
Sie stecken die Leprocyben und Dermocyben
zur Untergattung Cortinarius
und die Sericeocyben zu den Telamonien.

Bei ihnen bleiben nur noch vier Untergattungen übrig:
Maxycium
Phlegmacium
Cortinarius
Talemonia

In welche Untergattung gehört nun der obige Pilz?

Finden wir es haraus -
Wir gehen durch den Cortinarius-Schlüssel
der Skandinavier:

- Hut und Stiel schleimig?
Nein. (Schleimfüsse fliegen raus)

- Hut schleimig?
Nein (Schleimköpfe und Klumpfüsse fliegen raus)

Jetzt wird es schwierig:
Wir müssen uns zwischen den Untergattungen
Cortinarius und Telamonia entscheiden.

- Cortinarius hat Arten mit lebhaften Farben (gelb, grün, rot, orange, besonders auf Velum oder jungen Lamellen). Telamonia hat meist Arten ohne lebhafte Farben, gräulich, bräunlich, oft hygrophan (bei Durchnässung Farbe ändernd), und violette bis violett-gräuliche Farben.

Da heisst es aufpassen:
Unseren Pilz jetzt unbesehen in der Untergattung Cortinarius suchen zu wollen wäre ebenso verführerisch wie falsch.
Denn es gibt noch weitere Kriterien:
Untergattung Cortinarius hat entweder lebhafte Farben oder unter dem Mikroskop sind an den Lamellenflächen Pleurozystiden zu finden.
Bei der Untergattung Telamonia sind weniger lebhafte Farben zu finden, und keine Pleurozystiden, oder - wenn lebhafte Farben, dann verfärben sich die Sporen unter dem Mikroskop mit Kalilauge rot.

Unser Exemplar hat keine Pleurozystiden, und die Sporen verfärben sich tatsächlich rot... Hoppla!

Alles klar? Wir müssen mit unserem lebhaft gefärbten Pilz paradoxerweise tatsächlich in der Untergattung Telamonia weitersuchen.
Also los:

- Hut hygrophan oder nicht?
Nein! Nix durchnässt und darum mit Farbwechsel!
(Untersektionen Anthracini, Cinnabarini, Fulvescentes, Laeti, Uracei, Curacini, Bicolores, Hinnulei, Armeniaci, Otusi, Incrustati, Hydrocybe fliegen raus - bleiben 10 übrig).

- Fleisch im Schnitt rötend?
Nein. (Section Muricini fliegt raus).

- Hut braun und mit braunen Schüppchen bedeckt
Nein. (Sect. pholidei fliegt raus).

- oder Hut und Stiel mit roten oder braunen Schüppchen punktiert ?
Ja! (Sect. Sericeocybe, Sordescentes, Malachii, Armillati, Brunnei, Telamonia, Lanigeri fliegen raus)

Übrig bleibt:
Untersektion (Sect.) Azurei!

Na, da suchen wir mal unseren Pilz in der Sect. Azurei
(viele Arten gibt es hier nicht):

Hut und Stiel gleichmässig mit bräunlich-roten Schuppen bedeckt,
Fleisch charakteristisch gilbend, unter Eichen und Buchen,
auf kargen, steinigen Böden wachsend:

Cortinarius (Telamonia) bolaris,
Rotschuppiger Schleierling.

Bravo!
Ihr habt mit mir aus 400 existenten
und 2000 beschriebenen Haarschleierlingen
den richtigen herausgefunden!

Geht doch, oder?

Oft wird als Deutscher Name:
Rotschuppiger Rauhkopf angegeben.
Dann wäre er eine Leprocybe.
Das hat mit der Verwirrung in der Literatur zu tun...

Ich habe absichtlich zur Demonstration einen Pilz gewählt,
der zwar leicht kenntlich, aber paradoxerweise sehr schwer
zu schlüsseln ist - nur schon was die Untergattung betrifft.

Comentarios 7

  • Armin Stadlober 30/07/2009 8:17

    Das Foto ist schon mal klasse, aber der Weg zur Bestimmung ist wohl das eigentliche Highlight (ja, ich hab mir den ganzen Text durchgelesen *g*). So wird klar, wie schwer und verwirrend die Pilzbestimmung ist. Aber vermutlich macht grad dies es so spannend...

    Lg, Armin
  • Helmut Krüßmann 30/07/2009 0:06

    Um nicht das alte Vokabular der Fc aufzugreifen "Ist wie immer eine Geschmacksache" hätte ich an Deiner Stelle es bei dem dezenten weißen Rahmen belassen um dem Foto die Aussagekraft zu geben die Du anstrebst;-))
    Das ist keine Kritik,sondern nur eine nette Meinung mit lieben Grüssen von
    Helmut
  • Harald Andres Schmid 29/07/2009 23:23

    @Helmut:
    Was gefällt Dir nicht an einer Rahmung?
    Ich finde, es "hält das Bild so schön zusammen".
    Gruß, Harald Andres
  • Harald Andres Schmid 29/07/2009 23:18

    @Hans-Peter:
    Wie oft glaubst Du, stehe ich beim Schlüsseln genau wie ein Ochs vor dem Matterhorn... *g*
    Gruß, Harald Andres

    P.S. ich habe gerade meinen Beitrag angeschaut:
    Wer liest das wohl alles genau durch *lach*?
  • Helmut Krüßmann 29/07/2009 22:57

    Pilze Harald Andres,
    sind für mich schöne Motive und deshalb kann ich auch nur sagen,dass Du eine gelungene Aufnahme zeigst die mir ohne Rahmen besser gefallen würde;-))
    Liebe Grüsse
    Helmut
  • Hans-Peter Hein 29/07/2009 22:37

    vielleicht sollte man doch zu Pils wechseln; das ist überschaubarer (bis etwa zum 10.) ;-))
    Aber im Ernst: so habe ich noch nie vorgeführt bekommen, warum ich beim Schlüsseln immer so schnell wie ein Ochs' vorm Berge stehe. Vielen Dank für diese Lehrstunde!
    lg Hans-Peter
  • Gerhard Schuster - lebrac 29/07/2009 22:23

    -hüstel-
    ich glaube, dass ich erst mal beim Fotografieren bleibe ;-)
    Pilze sind schon ein faszinierendes Thema
    LG Gerd