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Sandbiene mit Parasit: Weibchen

Sandbiene mit Parasit: Weibchen

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Weißwolf


Premium (World), Güstrow

Sandbiene mit Parasit: Weibchen

Fächerflügler (Strepsiptera) sind eine Insektenordnung mit ausschließlich parasitischer Lebensweise und ausgeprägtem Geschlechtsdimorphismus. Auf den ersten Blick ähneln die Männchen* den Vertretern der Fliegen oder Mücken. Zwar ist bei beiden ein Flügelpaar zu Halteren (Schwingkölbchen) reduziert, anders jedoch als bei den Zweiflüglern ist es bei den Fächerflüglern das vordere Flügelpaar. Sie fliegen also – wie die Käfer – mit den hinteren Flügeln (Opisthomotorik), weswegen, aber nicht nur deswegen, sie traditionell als Schwestergruppe der Käfer gelten. Da die Käfer (Coleoptera) aber offenbar kein monophyletisches Taxon bilden, könnte die Verwandtschaft der Fächer- mit den Zweiflüglern – gemeinsam als Halteria – vielleicht doch enger sein als mit den Käfern.
Der Geschlechtsdimorphismus ist in dieser Ordnung fundamental. Während die nur wenige Stunden lebenden Männchen* alle Merkmale flugfähiger Insekten besitzen, verlassen die Weibchen zeitlebens nicht den Körper ihres Wirtes; sie entwickeln sich nicht einmal zu einem vollständigen Insekt, sondern lediglich zu einer geschlechtsreifen Larve mit Ansätzen einer Präpuppe (Neotenie). Nach der letzten Häutung bohrt sie sich durch die Intersegmentalhaut zwischen dem 4. und 5. Bienen-Tergit, so dass lediglich der vordere Teil der Unterseite ihres Cephalothorax‘ sichtbar ist, zu dem Kopf und Brust verschmolzen sind. Der Hinterleib des Weibchens liegt im Körper der Sandbiene und nimmt dort einen riesigen Platz ein, u.U. mehr als das halbe Volumen, weshalb die Sandbiene mitunter aufgedunsen erscheint; er enthält im Wesentlichen nur die Eier. In ihrem letzten Lebensabschnitt geht es für das Männchen und das Weibchen ausschließlich um die Paarung; sie besitzen zwar noch Darm- und Schlundreste sowie eine Mundöffnung (im Bild der winzige, schmale Spalt unter dem mittleren „Knopf“), die aber allesamt funktionslos und teilweise verschlossen sind. Beidseits des „Knopfes“, der als semizirkuläre Struktur bezeichnet wird, liegen die unbeweglichen Rudimente der Mandibeln; Augen und Antennen sind vollständig rückgebildet. Die breite Spalte darunter markiert ungefähr die Grenze zwischen Kopf und Brust, es ist die Öffnung des Geburtskanals und zugleich die Stelle, an der die Kopulation mit dem Männchen vollzogen wird. Auch eine traumatische Insemination, d.h. eine Spermieninjektion durch die Kutikula in die Körperhöhle des Weibchens, scheint vorzukommen.
Auf dem Cephalothorax befinden sich die nur im Mikroskop erkennbaren Ausgänge der komplexen Nassonov‘schen Drüsen, die einen Großteil des Innenraums ausfüllen. Dort produziert das Weibchen ein hoch effektives Pheromon, das die Männchen mit ihren relativ großen Antennen wahrnehmen und die parasitierten (stylopisierten) Bienen gezielt anfliegen. Aus den befruchteten Eiern entwickeln sich triungulinoide Larven (sechsbeinige, lauffähige, mit bekrallten Tarsen ausgestattete Primärlarven, den Triungulinus-Larven der Ölkäfer entfernt ähnlich), die die Mutter durch den Brutkanal verlassen und sich auf der Biene verteilen. Sie sind das einzige freilebende und zugleich das Verbreitungsstadium. Mit dem Blütenbesuch der Biene gelangen sie auf die männlichen Weidenkätzchen und von dort auf weitere Bienen, die sie in ihre Nester tragen. Dort bohren sich die Larven in die Bieneneier oder in die Bienenlarven, verlieren mit der Häutung ihre Beine und nehmen als Sekundärlarven (L2) eine madenartige Gestalt an. Beide entwickeln sich fortan parallel bis zur Geschlechtsreife im Folgejahr, währenddessen sich der Parasit von der Hämolymphe seines Wirtes ernährt. Die Aktivitätsphase der parasitierten Bienen – und die der Fächerflügler – beginnt etwa einen Monat vor der der nichtparasitierten, also gegen Ende Februar. Diese versetzte Synchronisation ermöglicht es Stylops, den eigenen Entwicklungszyklus vor dem der Bienen zu schließen und einen neuen zu beginnen.
Derzeit sind etwa 630 Arten der Fächerflügler gültig beschrieben, gleichwohl ist von einer hohen Anzahl kryptischer Arten auszugehen, die sich aber nur genetisch differenzieren ließen. Die Gattung Stylops ist innerhalb der Ordnung die artenreichste und sie ist auf die Sandbienen der Gattung Andrena spezialisiert. Ragnar Kinzelbach hatte in seiner 1971 erschienen Monographie über die Strepsiptera in der Gattung Stylops 91 Arten aufgeführt und zugleich angekündigt, die Zahl werde sich noch erheblich verringern. In der zweiten Monographie aus dem Jahr 1978 synonymisierte er dann fast alle westpaläarktischen Stylops-Arten unter S. millitae, die eine intraspezifisch hohe Variabilität im Erscheinungsbild (Morphologie) besitzen sollte. Da die Parasitierungsrate unter den polylektischen und unter den oligolektischen Sandbienen-Arten keine signifikanten Unterschiede aufweist, ließe sich, so die Hypothese, eine Spezialisierung von Stylops-Arten auf Andrena-Arten nicht erklären. Ergo endet die Spezialisierung auf der Gattungsebene (Stylops – Andrena), Stylops ist in der Westpaläarktis mit der hochvariablen Art S. millitae vertreten und parasitiert eine Vielzahl von Andrena-Arten.
Diese Hypothese vom Supergeneralisten Stylops millitae wurde 2015 widerlegt. Ebenso ließ sich das andere Extrem ausschließen, daß nämlich genau eine Stylops-Art genau eine Andrena-Art befällt. Die molekulargenetischen Untersuchungen legen vielmehr nahe, daß nahezu alle Stylops-Arten ein Spektrum sehr weniger, aber eng verwandter Sandbienen-Arten parasitieren. Während also einige, vielleicht die meisten Stylops-Arten „moderate Spezialisten“ sind, ist Falle der Weiden-Sandbiene Andrena vaga hingegen Stylops ater als „strikter Spezialist“ anzusehen; als „Nebenwirt“ konnte, jedenfalls bislang (2023), nur die Graue Sandbiene (Andrena cinerea) nachgewiesen werden. Die Gattung Stylops wird in Zukunft wohl mindestens 21 Arten enthalten müssen.

* https://www.fotocommunity.de/photo/sandbiene-mit-parasit-maennchen-weisswolf/48141489

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