Ablachen
Fotos von meiner Frau, August 1986, Minolta xg9
Nordfriesischer Mondenschein
Meine liebe Käthe,
die Tage auf dem flachen Land sind anders. Eine berührende Einsamkeit ist das in den Nächten. Wenn ich friere, puste ich in die Handflächen, die glatt sind wie das Land und die Meerbuseneinengung und halte sie gegen das blaue Mondlicht. Dann denke ich an Dich, an unsere gemeinsamen belanglosen Abende daheim. Ich denke an den keifenden, schnarrenden Ton, der sich aus deiner Stimme bildet, wie eine fürsorgliche Maßregelung. Und ich denke daran, dass ich ohne Dich nichts wirklich weiß.
Es sollte Urlaub alleine sein, ein Ausstieg aus unserem sprachlosen Sprechalltag, der wie ein Einkanalton meine Ohren durchspült. Hier gibt es nur Meeresrauschen und die Sucht nach wenig Abwechslung unter interessanter Wolkenbildung. Der Blick ist so weit, dass jeder nächste erfassbare Gegenstand ein Punkt ist. Da kannst du nur suchen, aber dich nicht selbst finden – die Gegenstände bleiben klein. Eine seltsame Art der Einsamkeit ist das - Käthe – so unmittelbar. Alles hier erscheint schlicht und von unerklärlicher Schönheit, die nicht genossen werden kann, auch nicht im Nordfriesischem Mondenschein, wo ich Dich an meine Seite wünsche und körperlich spüren will, wie Du mit deplazierten Bemerkungen die Stimmung verdirbst.
Die Sprache der Menschen ist ein kraftvolles Bellen – „Moin“ zu jeder Tageszeit. Eine Eingeborenenfreundlichkeit die schroff ankommt. Auf Partys in ihren Häusern kann ich mich prima betrinken, ohne ein Wort sagen zu müssen. Die Frauen sind streng – wie ihre Frisuren. Ich vermisse Dein rundliches Lächeln. Die Landschaft steht ihnen aber. Sie sind so eindeutig und zumeist flach gebaut wie der Landstrich hinterm Deich. Ihre Hände sind kalt vom Wind und sie locken mich scheinbar leidenschaftslos, die Fraukes, Neles und Wiebkes der Küste. Manchmal betrachte ich sie wie außerirdische Wesen, gehe ihren Öllackstiefel – Schritten nach und lande an ihrem Tisch, der Fragen aufwirft. Ich erwache in einem Bauernbett mit kariertem Bezug – die Frau neben mir macht sich die Haare zu einem Morgenknoten und küsst mich nicht – obwohl ich die Nacht bleiben durfte. Das Frühstück ist gut, aber ich muss es mir selber machen.
Das hat keine Bedeutung Käthe – glaube mir. Ich friere danach umso mehr. Das was die hier steife Brise nennen, soll die Sorgen wegwehen.
Ich wäre froh, wenn es funktionieren könnte. Die Fenster haben Gitter.
In Liebe Dein Jonathan
8. Oktober 2003
Frau Ke 02/01/2013 20:27
wie Das Herminsche, die erste Anm.Zusammen passen die Bilder gut zum Text.
Dies war meine besondere Schmunzelstelle:
"...wo ich Dich an meine Seite wünsche und körperlich spüren will, wie Du mit deplazierten Bemerkungen die Stimmung verdirbst."
Ilona M. 26/12/2010 21:47
hihi :-)Monja Litzke- Ansichts Sache 17/11/2010 14:47
deine texte...so berührend..so nahvollziehbar.dein lachen-mitreissend.
maryholiday 16/11/2010 10:56
!!
Martin Rosie 15/11/2010 11:04
Coooooool!Adrena Lin 14/11/2010 19:50
Ich mag den Text.....diesen Blick....und das herzhafte Lachen......!elvisfirewolf 14/11/2010 17:15
siehst links ziemlich zugedröhnt aus.zumindest hab ich mal irgendwo gelesen,
dass man dann so aussieht.
Lleizar S. 14/11/2010 16:00
:-)))))))Nielsson 14/11/2010 13:14
wer trug 1986 weiße socken?;-)
guter text.
hbs 14/11/2010 13:02
alles wieder - gut.Redpicture 14/11/2010 11:27
der (literarische) blick ist heute illusionsloser.Mango Mandarin 14/11/2010 11:02
irgendwie verdammt cool.Elisabeth Schiess 14/11/2010 9:45
gut so!