Der Knabe im Moor
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt!
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!
Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.
Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnenlenor',
Die den Haspel dreht im Geröhre!
Voran, voran! Nur immer im Lauf,
Voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen,
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!
Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
„Ho, ho, meine arme Seele!“
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär nicht Schutzengel in seiner Näh,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.
Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war's fürchterlich,
O schaurig war's in der Heide.
Annette von Droste-Hülshoff
Anette Z. 22/11/2020 20:45
Ich finde es wunderbar. Eine dunkle Welt, in die vom Himmel Licht hinunter fließt.Sehr gelungen hast du das bearbeitet.
Ich würde eventuell a us dem vorderen Bergthang ein bisschen Farbe und Licht herausnehmen. Für mich ist das Motiv des Bildes der Nebel im Hintergrund. Dem sollte nichts die Schau stehlen.
Gruß, Anette
BeSd 20/11/2020 8:23
Traumhaft schön !Gruß
Bernd
Isolde Strauß 19/11/2020 15:06
Wunderschön diese Weite und Stimmung!Genauso deine Bearbeitung.
LG Isolde
Thomas Tilker 18/11/2020 16:12
Wilder Romantik!LG Thom
Peter Erich Maurer 17/11/2020 9:51
Beides, Bild und Text, sind ein Genuss.LG Peter
vanseveren 17/11/2020 9:23
Wahre Kunst!!!Danke fürs Zeigen
Uwe
Inge S. K. 17/11/2020 8:48
Wunderschön diese Stimmung ins Land mit dem Gedicht.Liebe Grüße nach Italien von Inge
Weststrand 17/11/2020 8:33
Eine wundervolle Stimmung hast du eingefangen. Ich freue mich, dass du das genießen konntest....LG FrankaBenita Sittner 17/11/2020 8:27
...Landschaft im Nebel und mystisch das Haus dort...passend zum Gedicht finde ich die Stimmung des Fotos...VLG von BenitaEberhard Kuch 17/11/2020 6:41
Schöne Nebelstimmung und gute Tiefenwirkung durch die Dunstperspektive.Gruss Eberhard
oilhillpitter 17/11/2020 5:42
Dieses Gedicht hat mich schon als Kind beeindruckt.Liebe Grüße Peter
ugm 17/11/2020 5:40
Ein Gedicht! Auch das Bild...Herzlicher Gruß
Uli