Frei sein...

Frei sein...

Laufgang des Stasi-Untersuchungsgefängnisses in Potsdam
Canon EOS 50E, Tamron 28-200

Was ist das, das die Luft verdreckt,
was ists, woran der Baum verreckt
was fließt da in den Fluss hinein,
so schlimm wirds wohl nicht sein.

Die Fichtelberger Fichten,
auf die könn wir verzichten,
ich hab gehört, die züchten
jetzt neue Bäume ran,
die noch mehr Gift vertragen,
man kann sich nicht beklagen,
und keiner braucht zu fragen,
was keiner wissen kann.

Wir müssen vertrauen,
den Kopf im Sand,
vertrauen am Felsenrand,
vertrauen, spieln Blindekuh,
und raus bist Du.

Der Müll, den uns der Westen schickt,
wird in die Erde reingedrückt,
und was da drin steckt,
weiß kein Schwein,
so schlimm wirds wohl nicht sein.

Im Seifenladen stehen,
die Sprühdosen zu sprayen,
willst Dus Ozonloch sehen,
dann kauf die alle ein,
besprüh das Klo, die Wanne,
den Hals, die Zimmertanne,
den Bauch von Marianne,
denn so schlimm wirds nicht sein.

Wir müssen vertrauen,
den Kopf im Sand,
vertrauen am Felsenrand,
vertrauen, spieln Blindekuh,
und raus bist Du.

Das Wasser von der Havel,
stell niemals auf die Tafel,
mit Wasser von der Luppe,
kochte keiner seine Suppe,
das Wasser aus der Elbe,
ist auch nicht mehr das Gelbe,
das Wasser aus der Oder,
reimt sich nur noch auf Moder,
das Wasser aus der Pleiße - Scheiße,
die Mulde hinter Plauche - Jauche,
im Wasser von der Saale vergiften sich die Aale,
das Wasser von der Spree,
tut keinem Fisch mehr weh.

Wir müssen vertrauen,
den Kopf im Sand,
vertrauen am Felsenrand,
vertrauen, spieln Blindekuh,
und raus bist Du.

Als Tschernobyl in Strahlen stand,
gabs Gurken am Gemüsestand,
bei uns war eitel Sonnenschein,
denn so schlimm wirds nicht sein,
wenn jetzt die Luft so sauer riecht,
das Baby kaum noch Atem kriegt,
und grün und blau im Bette liegt,
dann stell das Radio an,
ruf auch die Auskunft an und frag,
schau nach im Tageblatt vom Tag,
verpass nicht, was das Fernsehn sagt,
vielleicht erfährst du dann...

Wir müssen vertrauen,
den Kopf im Sand,
vertrauen am Felsenrand,
vertrauen, spieln Blindekuh,
und raus bist Du.

Gerhard Schöne 1989