Führerstand einer Dampflokomotive
Auchtung ! Jungs ! Hergeschaut ! Euer Kindheitstraum !!!
Einmal nur, ein einziges Mal auf einer Dampflokomotive auf dem Führerstand mitfahren dürfen ! Der sehnlichste Wunsch eines jeden kleineren wie größeren Jungen. Es war ein erhebendes Gefühl, in unserem sauerländischen Bahnhof auf der Ruhr-Sieg-Strecke die Einfahrt einer echten, dampfenden und schnaufenden Dampflokomotive miterleben zu dürfen. Sonst kenne ich eine solche Impresssion aus Mangel an Gelegenheit nur durch den Sucher meiner mitgeführten Kamera. Und schon ist sie wieder vorbei. Aber in unseren Tagen muss ich nicht mehr bis zur vollendeten Filmentwicklung warten, sondern darf das, was ich gerade nicht einfach nur life genießen durfte, gleich auf meinem Display nacherleben.
Nein, heute nicht nur das, es wird noch viel, viel besser kommen. Ich gehe mit dem einfahrenden historischen Zug mit bis ganz nach vorn durch Schwaden von nicht mehr gebrauchtem Wasserdampf. Es riecht stark nach Steinkohlefeuerung und Maschinenöl. Dort darf ich heute, weil ich jemanden kenne, der jemanden kennt, der einen Schwager, ... also heute habe ich mal die Beziehungen und darf ganz vorn mitfahren. Ja, so geht das wohl mit den Beziehungen. Ich winke, die schwarze Metalltür der Dampflokomotive öffnet sich und ich klettere die Stufen hinauf, begrüße die beiden wie Schornsteinfeger schwarzen Männer, stelle mich vor und bedanke mich, dass ich vorn mitfahren darf. Es ist heiß und staubig. Und rasch legen sie mir eindringlich nah, meine teure Spiegelreflexkamera am Besten sicher verpackt zu lassen. Wegen der Zugluft, wegen des vielen fliegenden Staubes und Rußes und insbesondere wegen des möglichen Funkenfluges. Ich liebe meine Kamera und folge dem Ratschlag, höchst ungern mit Blick auf die vielen tollen Motive, die mir entgehen werden. Ungezählte Abfahrten, Bescheunigungen, Pfiffe der Lokomotive, die mir bei jedem Mal zu einer gewaltigen Ohrenschmalzproduktion verhelfen, Bremsungen, Abkopplung, Rangieren, Drehscheibe, Ankoppeln, Rückfahrt. Die veranschlagten zweidreiviertel Stunden vergehen gefühlt wie zweidreiviertel Minuten. Wieder einmal - wie immer im Nachhinein - nehme ich mir für die nächste ganz besondere Lebenssituation vor, in solchen Augenblicken ganz, ganz bewusst die Gegenwart genießen zu wollen, mental die Zeit anzuhalten und im Augenblick zu verharren. Wie denn aber, wenn du dich gerade in deinem alten Kindertraum wiederfindest ? Ein einziges Foto aus dem Führerstand habe ich mitgebracht. Mehr habe ich leider nicht.
Träumt euch mit allen Sinnen, dem ohrenbetäubenden Pfeifen der Lok, dem Schnauben der Kolben, dem rhythmischen Dampfausatoß, dem im Kleinhirn registrierten Gefühl, beschleunigt und wieder abgebremst zu werden, jenem unverwechselbaren Geruch von Steinkohlebefeuerung und Maschinenöl, dem dauernden Gegenwind sowie den fortgesetzten Rußteilchen in den Augen. Wie schön, dass wir nicht jenem Kindheitstraum gefolgt sind und wirklich Lokomotivführer geworden sind. Sonst wäre dieses grandiose Erleben alltäglich und hätte lang nicht mehr den Reiz des wirklich ganz Besonderen.
Aber: War dies eben in den vergangenen zweidreiviertel Stunden nun meine Wirklichkeit oder nur Traum, mein alter Kindheitstraum ? Ist nicht das ganze Leben nichts als Illusion, nicht die ganz wirkliche Wirklichkeit des Seins, wie uns darauf bereits uralte fernöstliche Relifionsphilosophien ebenso wie die hochmoderne Quantenphysik dezent aufmerksam zu machen wagen ...
Ups, ich bemerke auf meinem Foto die auf null stehenden Dampfdruckanzeiger oben sowie den rostigen Feuerkasten unten links. Hier hat schon längst kein Feuer mehr gebrannt in jenem Führerstand einer Dampflokomotive im Technikmuseum zu Speyer.
Aha, dann war es also doch nur Illusion, eine selbsterstellte Illusion.
Aber eine wunderschöne Illusion ! Und auch ihr, so weit ihr den Sinn in euch aufnehmend gelesen habt, seid mit mir unterwegs gewesen. Anfällig sind wir wohl schließlich alle in der selben Art und Weise. Danke Euch.
Michael Jo. 26/02/2013 15:50
da mutiere ich auch wieder zum ' kleinen Jungen',wenn ich so ein Dampfross sehe. erst recht wenn
unter Dampf ...
Schöner ' Einblick ' in den Führerstand !
Lb. Gruß iaus berlin in's Sauerland;
Michael
Norbert Kappenstein 26/02/2013 13:43
Eine schöne Detailaufnahme, sehr gut gemacht in Bild und Text.LG Norbert
Sinija 26/02/2013 1:45
Eine sehr schöne verträumte Geschichte.... ich bin 2007 auch mal mit einer alten Dampf - Lok. gefahren, dass war für mich zwar nicht gerade der größte Traum, aber ich empfand es als ein aufregendes Erlebnis.
Danke für diese schöne Präsentation, herzlich Sinija
josefG 25/02/2013 21:44
super Aufnahme da schlägt das Herz eines Eisenbahner höhermfG josef
Dirk-Christian 25/02/2013 19:54
Genau, liebe Andrea, ich hab's erlebt, bei Schreien für Euch fc-ler. DankeLiebe Grüße
Christian
Andrea Frey 25/02/2013 19:39
Egal, ob Wahrheit oder Realitätsnaher Traum... Du hast es erlebt!LG Andrea
Theo Stadtmüller 25/02/2013 18:36
Herrlich
und eine sehr schöne und gute Dokumentation.
Liebe Grüße und einen schönen Abend
Theo
Osate 25/02/2013 17:57
Ein wirklich feines technisches Detail findig in Szene gesetzt, wobei das Bild schauens- und der Text lesenswert ist, rundum gelungen.LG Osate
Karl Böttger 25/02/2013 16:51
Na hat sich doch in jeder Beziehung gelohnt.LG Karl
Lichtmagie 25/02/2013 14:56
Lieber Christian...es gibt Träume... die sind so intensiv... und so schön... da weiß man... nach dem Blinzeln ... beim Aufwachen.. einen Moment lang nicht wo man ist...
Ob im Museum.... oder auf einem Ausstellungsstück.. oder ob man nicht doch... für einen Moment.. all dieses Dinge erlebt haben könnte.. Ein Traumzeitloch vielleicht... ;o))
Eines ... das sich ganz schnell wieder geschlossen hat... grins..
Es ist schön... träumen zu können... und der kleine Junge... in Dir... der da irgendwo in einem verstecktem Winkel... Deines Ich ... weiterlebt ... der hat ein tolles Erlebnis gehabt...
Liebe Grüße
Karin