Ganzjahresengel - mit Text...
Mein Ganzjahresengel
Nicht lange nach Neujahr räumen wir unsere Weihnachts-Krippen-Landschaft
wieder in die Kartons, wo sie dann bis zum nächsten Jahr bleibt.
Einmal behielt ich eine kleine Engelfigur zurück...
"Du bleibst!", sagte ich. "Du kommst auf meinen Schreibtisch im Arbeitszimmer!"
"Was soll ich da denn?", fragte der kleine Engel erstaunt.
"Du bleibst bei mir, damit ich das ganze Jahr über was von der Weihnachtsfreude
um mich herum habe!", gestand ich.
"Das ist ja toll!", antwortete er. "Du hast aber Glück, dass du mich ausgewählt hast!"
“Wieso Glück?" Ich schaute ihn fragend an. "Na, ich bin doch einer von den Engeln,
die sprechen können - und zwar so, dass mich ein Mensch wie du
richtig hört und auch versteht!", behauptete er selbstbewusst.
"Sprechende Engel - sowas gibt’s doch gar nicht!", entgegnete ich leicht amüsiert.
Zugleich schüttelte ich aber den Kopf über mich selbst, weil mir soeben klar wurde,
was ich hier gerade tat: Ich diskutierte mit einem Engel - genauer gesagt,
mit einer kleinen Figur aus Metall... Ich jedenfalls kenne sonst niemanden,
dem schon mal ähnliches passiert wäre... "Und überhaupt: Du bist doch bloß aus Eisen!",
schob ich selbstsicher nach...
"Natürlich bin ich ein Engel!" Er stampfte dabei wirklich ein bißchen auf:
"Und zwar ein ganz richtiger!" - Ich nickte, obwohl ich nicht glauben konnte oder wollte,
was sich da zwischen mir und diesem Engelchen abspielte...
"Das ist nämlich so:", erklärte der kleine Kerl: "Nur wenn jemand nach Weihnachten
einen Engel zurückbehält - nicht nur aus Versehen oder so,
sondern weil er sich darüber freut, dass wir Engel mitgeholfen haben,
die Weihnachtsbotschaft unter die Menschen zu bringen … nur dann
können wir so reden, wie es die Menschen untereinander auch tun."
Irgendwie fühlte ich mich etwas ratlos: Hatte mir da gerade ein kleines,
aus Metall gefertigtes Engelfigürchen eines der Weihnachtsgeheimnisse anvertraut?
"Übrigens: Ich heiße Gabriel!", hörte ich ihn sagen. "Gabriel?!"
Er hatte also sogar einen Namen...
"Bist du denn ein Junge? Was du da anhast sieht eher aus wie ein Kleid oder sowas..."
Mein kleiner Engel trägt nämlich ein langes Gewand,
aus dem unten nicht einmal die Füße rausgucken...
"Wir Engel sind meistens so gekleidet, und außerdem ist das nur eine Modefrage!
Oder hast du schon mal einen Engel in Hosen gesehen?"
Was hätte ich darauf schon antworten können...?!
Stattdessen schoss mir durch den Kopf, was ich wirklich dachte: "Hoffentlich kriegt
das hier niemand mit, sonst halten mich die Leute noch für verrückt...!"
Seitdem hat Gabriel seinen festen Platz auf meinem Schreibtisch. Mein Engel ist
übrigens aus rostfreiem und mattglänzend poliertem Edelstahl.
Er ist magnetisch und haftet deshalb ziemlich fest auf seiner ovalen Eisenplatte.
Meistens schaut Gabriel still von seinem Platz zu mir herüber und hinter mich zum Regal,
wo einige meiner Bücher stehen. Und wenn ich da so in meinem Zimmer sitze
und was schreibe, aber nicht so recht damit voran komme,
dann klappert er - fragt mich bitte nicht, wie er das macht! - dann klappert er, unüberhörbar,
mit seinen eisernen Füßchen auf seiner Platte herum und flüstert: "Sag's Ihm!"
Anfangs war ich mir nicht ganz sicher, ob ich ihn wirklich habe sprechen hören.
"Sag's einfach Ihm!", wiederholt er dann - manchmal sogar mehrfach!
In Gedanken schreibe ich dann meine Frage oder das Problem auf, und stelle mir vor,
wie ich einen Zettel zwischen seine kleinen Füße und die Eisenplatte klemme.
Und schon, während ich das nur so denke, kommen mir manchmal Ideen,
nach denen ich eben noch gesucht hatte! Dankbar schaue ich dann zu meinem
Engel rüber - er scheint irgendwie zu lächeln: "Na siehst du?!", flüstert er oft verschmitzt.
Und ich...? Ich lächle zurück, noch etwas zaghaft...
Eines Tages fragte ich Gabriel: "Was machst du eigentlich mit meinen Gedankenzettelchen?
Ich habe sie ja nicht wirklich geschrieben, sondern nur so gedacht, ich würde es tun..."
"Das ist ganz einfach", sagte er schlicht:
"Alles, was du mir in Gedanken sagst und schreibst, nehme ich mit zum Stall..."
Er schaute mich an, als ob ich wissen müsste, worauf er hinaus wollte:
"In der Krippe liegt doch das Jesuskind, und sein Herz schlägt für die ganze Welt!"
Sein Blick hielt mich fest: "Also auch für dich!"
Ich erinnerte mich an unsere Weihnachtskrippe und sah alles wieder bildhaft vor mir.
"Und weil ich magnetisch bin...", fuhr Gabriel fort,
"ziehe ich alles, was dich so bewegt, an mich heran und halte es fest,
bis ich es zur Krippe im Stall von Bethlehem gebracht habe.
Jesus nimmt dann deine gedachten Gedankenzettelchen
und drückt sie ganz fest an sein Herz!"
Während ich ihm zuhörte, wurde es immer stiller in mir.
Jedesmal, wenn ich daran denke, wird mir richtig warm um's Herz!
Und für einen Moment ist es dann so, wie ich es von Weihnachten kenne...
Leise flüsterte ich meinem Engel zu: "Das ist sehr, sehr schön zu wissen! Danke.
Aber verstehen … so richtig verstehen kann ich's noch nicht wirklich..."
Gabriel runzelte leicht die Stirn und lächelte:
"Du musst ja nicht alles verstehen! Aber dich freuen, das kannst du doch -
wie an Weihnachten! Ist das etwa nichts?!"
Seitdem ist für mich das ganze Jahr über Weihnachten - naja, wenigstens ab und zu!
© M 2014
Dass Weihnachten auch für euch nicht vorbei ist,
wenn die Kerzen am Baum aus sind,
wünscht allen FClern
Michael
Trugbild 07/04/2015 1:15
Eine wunderschöne Bildgeschichte, toll gemacht! Mein Engel ist seit meiner Geburt bei mir. Ich befand mich schon sehr oft in verzwickten Situationen und dachte, alles wäre aussichtslos.Ich bekam stets Hilfe von meinem Engel. Er weist mir immer den richtigen Weg. Oft kapiere ich es erst hinterher.
Lieber Gruß Adeltraut
Mariso 26/12/2014 9:59
Danke für den schönen Text und der Engel, die Idee ist sehr schön. Und. Ein Jahr voller Besinnlichkeit wünscht Maritta