~ I n t I m I s s I m I ~
"Wer ein Wofür im Leben hat,
der kann fast jedes Wie ertragen."
(Friedrich Wilhelm Nietzsche)
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Eigentlich hatte ich einen Tag vor Heilig Abend vorgehabt, in einem großen Supermarkt im Süden Warschaus Karpfen, die traditionelle Weihnachts-Speise in Polen, zu fotografieren, die dort in riesigen Bassins zu hunderten gehalten und der wild gestikulierenden Kundschaft feilgeboten wurden. Doch die Geschäftsleitung erlaubte mir nach einigen hektischen Telefonaten einer Security-Frau mit der „Chefetage“ das Fotografieren der Karpfen nicht (aus welchen Gründen auch immer!?).
Stattdessen begegneten wir auf dem Weg dorthin in der winterlichen Kälte diesem Bettler, sehr wahrscheinlich ein Rumäne, wie ich später erfuhr.
Es war ein herzergreifender, uns zutiefst beschämender Anblick, ihn dabei zu beobachten, wie er auf einer schmalen Verkehrsinsel, die er sich zunächst noch mit einem „fliegenden Zeitungshändler“ teilen musste, mit seinem vermutlich selbst gebauten „fahrbaren Untersatz“ recht geschickt zwischen den Autos ständig hin- und herfuhr. Um schnell an Fahrt zu gewinnen, bediente er sich dabei zweier Stempel-ähnlicher Kissen, die er an seine beiden Hände geschnallt hatte und mit denen er sich wiederholt kräftig vom Boden abstieß. Auf die Schnelle konnte ich nur ein paar Aufnahmen machen, da er sich verständlicherweise nur ungern bei seiner „Arbeit“ fotografieren ließ und mir dies auch deutlich zu verstehen gab, nachdem er mich auf der gegenüber liegenden Straßenseite entdeckt hatte.
Viele der vorbeifahrenden Autofahrer würdigten den Mann, der keine Beine mehr hatte, keines Blickes; andere wiederum reichten ihm, vermutlich aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Weihnachtsfestes mit diesem Mitleid empfindend und spendabel, eilig ein paar Zloty durchs heruntergekurbelte Wagenfenster.
Keine 24 Stunden später saß ich Heiligabend an einem festlich geschmückten und üppig gedeckten Weihnachtstisch und wurde von sehr lieben Menschen reich beschenkt…. und empfand tiefe Demut und große Dankbarkeit!
Ich wünsche allseits ein schönes und vielleicht auch ein wenig nachdenkliches Wochenende!
Chrisu aus Wien 25/01/2007 18:58
ach Markus...........*drück*
danke
LG, Chrisu
KasiaDesign 20/01/2007 22:41
Eine Dokaufnahme und -story zum Nachdenken.Ulli Pohl 15/01/2007 1:59
bild und text regen zum nachdenken an!die hervorhebung des mannes durch die hg-entsättigung und die bewegungsunschärfe lassen es noch intensiver wirken
lg uli
KaY Rickens 14/01/2007 19:56
Habe es mir nun schon öfters angeschaut und so wirklich weiß ich nicht was ich schreiben soll. Finde solche Bilder immer sehr beeindruckend wo man halt nicht wirklich schreiben kann "tolles Bild" oder "schöne Aufnahme".Das Bild geht einem sehr nahe, vorallem wenn man man dabei durch deinen Text auch noch an Weihnachten erinnert wird. Finde es gut das du dieses Bild aus der Realität gemacht hast und es uns hier vor Augen führst.
Jens Leonhardt 14/01/2007 14:29
Ich mag die Bildidee und der Spruch geht schon sehr tief.Gruß Leo
Christian Knospe 14/01/2007 13:15
absolut klasse...gruß chris
Ina F. 13/01/2007 23:44
Ein eindringliches Bild, das betroffen macht, aber das war sicher Deine Absicht,dabei zeigt Dein Bild "nur" ein Einzelschicksal, wieviel solchen Elends mag es
auf der ganzen Welt geben - ja, man kann nicht dankbar genug sein, wenn
es einem gut geht, und die Gesundheit ist sicherlich der größte Reichtum!!!
LG Ina
Arnd U. B. 13/01/2007 23:10
Ein bestürzendes Bild...wozu der Hunger die Menschen bringen kann. Lg ArndKlaus Zeddel 13/01/2007 20:25
Das ist ja wirklich ein trauriges Bild und durch Deine Schilderung, daß es Weihnachten entstanden ist, wirkt es noch beklemmender. Eine sehr eindringliche Dokumentation der Armutsverhältnisse auf diesem reichen Kontinent. Auch wie Du die Situation präsentiert hast, diese vorbeirasenden Fahrzeuge geben dem Bild eine enorme Dynamik wahrend der Bettler auf seinem armseligen Untersatz den statischen Gegenpol bildet.LG Klaus
Der Westzipfler 13/01/2007 18:41
@ RicardaHabe ich, habe ich... selbstverständlich! Im Übrigen habe ich mich ganz bewußt für ein Motiv entschieden, bei dem die Anonymität des Betreffenden gewahrt bleibt. Zufrieden!?
LG Markus 8-))
Ricarda Grothey 13/01/2007 17:59
solche anblicke wird es hier auch mehr und mehr geben ...denn diesen netz staatlicher rundumversorgung was man hier angeblich hat, ist schon längst zerbröckelt
hast du ihm auch was gegeben?
ich würde hier nicht solche bilder einstellen von menschen die nicht erbaut sind so fotografiert zu werden
lg
ricarda
Joachim Kretschmer 13/01/2007 16:45
. . . Dein Erlebnis ist schon beeindruckend und Deine Schilderung stellt es im richtigen Lichte dar . . . aber traurig ist es trotzdem, dass die Welt nicht für jeden Menschen ein angemessenes einkommen sichern kann . . .VG, Joachim.
KnipsNix 13/01/2007 16:44
Sehr beklemmend, aber auch aufrütteln.So wichtig ich solche Fotos finde, so groß ist auch meine Sorge für einen Voyeur zu gelten, wenn ich sie mache.
Gruß Reiner
Klaus Arator 12/01/2007 21:10
Jedes Mal wenn ich durch unsere Einkaufsstraße gehe, gebe ich fast jedem Bettler eine Kleinigkeit, doch die meisten Menschen wenn auch reich, sind hartherzig.Sehr schön hast du das geschildert wie der Bettler im täglichen Kampf überlebt.
Und wie man verbotener Weise Karpfen fotografiert zeige ich dir auf Nana Ellens Geburtstag.....
LG
Klaus
Esther Margraff 12/01/2007 17:31
mir gefällt die Farbaufnahme eigentlich besser, weil der Kontrast zu der Welt der Schönen und der Reichen durch das Intimissimi-Plakat noch krasser ist.Dein Bild macht sehr betroffen und es wird einem dankbar bewußt wie gut es einem geht. Dein Text hebt auch jeden Voyeurismus auf. Trotzdem geht es mir wie Horst. Ich tu mich schon generell sehr schwer damit Menschen zu fotografieren.
lieben Gruß
esther