SPAZIERENGEHEN

SPAZIERENGEHEN

AUSBLICKE

Beim Spazieren erspähte ich einen alten Mann.
Er war gesund und fit. Er schob eine Schubkarre.
Er hatte einen sogenannten "Blaumann" an, eine
blaue Arbeitshose und eine blaue Jacke.
Dieser Anzug war schon enorm ausgewaschen.
Die ehemals dunkelblau gefärbte Baumwolle
war schon fast ganz hell ausgeblichen - so wie
es manche alte Blue Jeans schaffen kann.
Der Baumwollstoff wird dadurch auch sehr
weich und anschmiegsam, wie eine zweite Haut.
Ich sah den Mann, hier auf dem Bild aus
dem Schuppen kommen, aber die Kamera löste
etwas zu spät aus, so war er zwar "im Sucher"
der Kleinbildkamera noch zu sehen, auf dem
Foto selbst hier aber nicht mehr - er
bewegte sich schnell, heraus
oder hinter Büsche.
Eine Vision kam über mich.
Ich sah mich in diesem alten Mann.
Vielleicht dreißig Jahre weiter.
Von einer Rente lebend.
Zusammen mit meiner Lebenspartnerin, sie
auch gesund und fit.
Und ich habe bereits so ein Blaumann-Jacket,
das bügele ich sogar, denn als Bass-Mann einer
Rockband ziehe ich es manchmal zu Beginn eines
Auftritts über ein blütenweißes Hemd mit
schriller Olli.-Krawatte. Als "Blaumann-Hose",
z.B. bei Reperaturen in Haus und Garten, trage
ich lieber einen knallroten beklecksten Overall,
den ich nie bügele aber immer mit 95 Grad
wasche und mit 1500 Umdrehungen schleudere.
Seine Baumwolle ist inzwischen samtweich.
Ich setzte meinen Spaziergang fort.
Ich sprach den Mann nicht an.
Mein Vater hätte es getan.
Er hat es immer getan.
Manchmal noch sprechen mich heute
Menschen auf der Straße an, weil
sie in mir den Sohn meines kommunikativen
Vaters erkennen.
Sie loben ihn.
Sie erzählen über ihn.
Über das, was er mitteilte und wie
er sie ansprach.
Ihre Rede über ihn ist immer sehr wertschätzend.