Weiße Baumschlange (Serpens arboreus albus L.)
Entdeckt in Münster-Nienberge, Waldhöhenweg, 3. 10. 2013
Obacht! Dieses Bild ist medial überfrachtet!
Die weiße Schlange ist ein Märchen (ATU 673). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 17 (KHM 17).
Inhalt
Ein König, der für seine Weisheit bekannt ist und dem nichts entgeht, hat die geheimnisvolle Angewohnheit, nach jedem Mittagsmahl noch von einer unter einem Deckel verborgenen Speise zu essen. Den Deckel hebt er erst, wenn niemand zusieht. Ein neugieriger Diener schaut einmal nach und findet darunter eine zubereitete weiße Schlange. Als er davon isst, kann er die Sprache der Tiere verstehen. Als der König ihn beschuldigt, den Ring der Königin gestohlen zu haben, kann er seine Unschuld beweisen, indem er eine Ente schlachten lässt, die zuvor erzählt hatte, dass sie den Ring verschluckt hat. Der König bietet ihm als Entschuldigung einen besseren Posten an. Der Diener lässt sich stattdessen ein Pferd geben und reitet in die Welt hinaus. Unterwegs begegnet er drei Fischen, die er aus dem Schilf rettet, einem Ameisenkönig, dessen Ameisenvolk er schont, indem er einen Umweg reitet, um nicht die Ameisenstraße kreuzen zu müssen, und schließlich drei jungen, noch flugunfähigen hungrigen Raben, die von ihren Rabeneltern verstoßen wurden, und für die er sein Pferd schlachtet. Er kommt zu einem Schloss, dessen schöne Königstochter dem versprochen ist, der eine Aufgabe löst. Wenn es ihm aber misslingt, dann muss er sterben. Er meldet sich als Freier, und der König trägt ihm auf, einen Ring aus dem Meer zu holen. Die drei Fische kommen und bringen ihn für ihn an Land. Die Königstochter will aber keinen Diener heiraten und stellt ihm noch die Aufgabe, drei Säcke Hirse aus dem Gras zu sammeln. Nachdem die Ameisen auch diese Aufgabe für ihn gelöst haben, stellt sie ihm noch die Aufgabe, ihr einen Apfel vom Baum des Lebens zu bringen. Er wandert los, aber die drei Raben holen für ihn den Apfel. Als die Prinzessin davon isst, ändern sich ihre Gefühle und sie heiraten.
Herkunft
Grimms Anmerkung notiert Aus dem Hanauischen (von Familie von Haxthausen). Sie vergleichen bzgl. der hilfreichen Tiere KHM 62 Die Bienenkönigin (siehe auch KHM 33, 57, 60, 126, 169, 191) und bzgl. der Wirkung der weißen Schlange die Sage Seeburger See (Grimms Deutsche Sagen Nr. 131) sowie das Vogelherz in KHM 122 Der Krautesel. Sie nennen noch Soldat Lorenz aus Pröhles Kindermärchen Nr. 7; eine schottische Sage bei Grant Stewart; Das Zauberpferd bei Straparola 3,2. In einer Handschrift von Ludwig Aurbacher in Grimms Nachlass verwirkt ein Ehepaar sein Glück, indem sie neugierig unter des Königs verdeckte Schüssel schauen (später in Aurbachers Volksbüchlein, München 1827, I, Nr. 60, S. 101-104).[1]
Interpretation
Diese Geschichte enthält sehr viele Elemente, die auch in anderen Märchen vorkommen: Ein unschuldig Bezichtigter, der aber glücklich seine Unschuld beweisen kann (Die sechs Schwäne), Kenntnis der Sprache der Tiere (Die drei Sprachen) oder Tiere, die ihm aus Dankbarkeit zu Diensten stehen (Die zwei Brüder) und schließlich die Aufgaben, vor die er gestellt wird, um die schöne Königstochter zu bekommen (Die sechs Diener).
Interessant ist die Bedeutung, die der Schlange hier zukommt. Sie bewirkt Weisheit und die Fähigkeit, andere Wesen zu durchschauen (Ferenand getrü und Ferenand ungetrü). Vielleicht hat der König ja geahnt, dass der Diener etwas Verbotenes getan hat, vielleicht ist er aber auch besonders misstrauisch. In vielen anderen Märchen sind Schlangen oder Menschen, die mit ihnen verglichen werden, besonders hinterlistig (Der König vom goldenen Berg). Typisch ist auch, dass der Mensch sich die erleuchtende Gabe verbotenerweise aneignet, wie den Apfel vom Baum der Erkenntnis (Genesis).
Der Anthroposoph Rudolf Meyer vergleicht die Schlange mit der autochthonen Rückenmuskulatur des Menschen und sieht eine Verbindung zu intuitiven, animalischen Fähigkeiten. Sie stehen nur wenigen zur Verfügung (Haube über dem Teller) und stellen besondere Anforderungen an das Mitgefühl mit leidenden Wesen, die der Diener in dem Märchen beweist (deshalb eine weiße Schlange).
Literatur
• Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 129-133. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
• Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 39, 449. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
Weblinks
• Die weiße Schlange als mp3-Hörbuch auf LibriVox
• Märchenlexikon.de zu Die weiße Schlange AaTh 673
felipe Martínez Pérez 27/01/2023 19:37
Estupenda imagenMaud Morell 06/09/2018 15:51
Sie meint sicher, sie ist unauffälliger wenn sie unter dem Ast hervorkommt, lach.Feine Entdeckung von dir und auch sehr gut fotografiert.
LG von Maud
E. W. R. 02/01/2014 18:21
Tja, das war's leider für Dich. ;-)))Karl-Dieter Frost 02/01/2014 18:13
Letzteres hatte ich bereits befürchtet, lieber Eckhard!KD
E. W. R. 02/01/2014 11:06
Lieber KD, die Szene hätte sich gewiss auch mit einer Canon SX40 festhalten lassen; allerdings sorgt das mehr oder weniger zufällig mitgenommene Makroobjektiv für ein schönes Bokeh. In irgendeinem System landet man nun einmal und kommt da seinen Lebtag nicht mehr heraus, wenn man erst einmal 20 Objektive hat. Was das Schlachten von Tieren betrifft, stehen die Märchen der Grimms ganz auf der bäuerlichen Grundlage der damaligen Lebenswelt. Die Bauern sind halt so. "So, jetzt habe ich alle Gänse tot und Weihnachten kann kommen!" sagte die Bäuerin auf dem Hof, wo eine Gans erstanden wurde. Das waren so 500 Stück, die man vorher auf der Wiese einträchtig grasen gesehen hatte. Die Tiere rechneten sich gewiss eine gute Prognose aus, so, wie sie behandelt wurden. Aber die galt nur bis zum 3. Advent. Selbstverständlich haben Dir die Märchen sehr geschadet, so sehr, dass Du es nicht einmal bemerkst! ;-))Karl-Dieter Frost 02/01/2014 7:43
Lieber Eckhard, der Münsteraner Waldhöhenweg soll ja berüchtigt sein für gefährliche Begegnungen mit bisher unbekannten Lebensformen. Diese konnten bisher aber nur selten bildlich dokumentiert werden. Nun endlich ist es Dir gelungen dieses mystische Exemplar einer weißen Baumschlange aufzufinden, zu digitalisieren und der erstaunten fotografischen Fachwelt zu präsentieren! Die Biologen sollten auf ihre Exkursionen immer einen routinierten Fotografen mitnehmen, der sich mit den Gebrüdern Grimm auskennt, denn nur mit Fantasie und mit einer Nikon kann man die sichtbare natürliche Umgebung um weitere faszinierende Geschöpfe bereichern. ;-)Die Brüder Grimm gehen aber für meinen Geschmack manchmal etwas derbe mit ihren Eingebungen und den Empfindungen ihrer Leser um. Da begeistere ich mich gerade für den Diener, der sich nach dem Genuss der Schlange nun so gut mit den Tieren versteht und dann schlachtet er sein Pferd, um drei Vögel zu retten. Die Sprache des Pferdes war wohl nicht in der Schlangenhaut codiert. „Alles Gute ist nie beisammen“ – sagte das Pferd und ließ sich schlachten. :-(
Nebenbei: Trotz allem glaube ich nicht, dass mich die Lektüre der Gebrüder Grimm in jungen Jahren nachhaltig geschädigt hätte - aber man weiß ja nie! ???
LG KD
E. W. R. 04/12/2013 22:42
@ Ernst: Lieber Ernst, richtig ist, dass bei der Verführung des Adam eine Schlange eine Rolle spielte, die zuvor Eva davon überzeugt hatte, dass es besser ist, eine Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen, anstatt dumm zu bleiben. Die christliche Ikonographie stellt sie aber, als Verkörperung des Teufels, eher rot dar. Insgesamt ist das eine sehr merkwürdige Geschichte.E. W. R. 04/12/2013 22:40
Liebe Siegrun, wenn deine ganzen Aktivitäten nicht verlorengehen sollen, solltest Du jetzt die freie Mitgliedschaft wählen. Das macht doch keine weitere Arbeit und keine Kosten. Ansonsten wäre es wirklich sehr schade.Antigone44 04/12/2013 22:23
Empathie mit leidenden Wesen ist besser als die Verunglimpfung des"bösen Wolfs".Deinen Vorschlag mit der freien Mitgliedschaft werde ich im kommenden Jahr in Erwägung ziehen.
Alles Liebe,Siegrun
Ernst Seifert 04/12/2013 14:28
War es nicht diese weiße Baumschlange, die Adam und Eva verführte, vom Baum der Erkenntnis zu essen?VG Ernst
E. W. R. 02/12/2013 11:57
Ganz recht, liebe Trude. Aber meines Wissens hat der Arztgott die Schlange nicht mit dem Stab erschlagen.