Alstertalromanze 19
Romanze am 9. August mit der Yashica 124 Mat G und dem apx 400
Eine neue Geschichte zur Hamburgromanze
Hamburg-Bremen-Bremen-Hamburg
Zwischen Hamburg und irgendwo liegt dieses für mich so unbeschreibliche Niemandsland. Dort ist die Fremde, in der sich Körper verschiedentlich suchen, haltlos und ohne Planken. Während meiner Zugfahrten wird mir das klar, wenn die Landschaft hinter der Scheibe nur so vorbeischmiert. Dieser Norden gibt mir dann Geborgenheit, ist wie eine erfrischend kühle Muschel, die mich mit Seewinden umspült. Rhythmisch rattere ich heim. Ohne zusätzliche Tabletten, aber versorgt zwischen Bremen und Hamburg in dieser vorbeischmierenden Landschaft.
Mir gegenüber sitzt ein glattes Jagdwurstgesicht mit Bierschinkenstückchen im Fleischkuchen. Er schweigt gut und sitzt dort eingepfercht in seiner Bundeswehruniform, die ihm viel zu eng ist. Sein Heimaturlaubsgesicht ist von zaghafter Vorfreude erfüllt. Vielleicht hat die junge Flachpfeife mit dem Durchfallkörper ja ein Mädchen daheim und deshalb ist er immer unterwegs zwischen Hamburg und Bremen und zurück.
Wenn ich Soldaten zwischen der Zivilbevölkerung sehe, denke ich immer an die ausgemergelten Hinhalteköpfe unserer Großväter und Väter. Ich entsinne mich, wie sie in Schlucktherapien gingen, um sich unter den übrig gebliebenen betroffen und zart zu zeigen. Mich überkommt aber auch immer so ein leichtes Unwohlsein, wenn so arglos aufgepumpte Uniformen derart verfehlt und nutzlos ein solch unschuldiges Sackgesicht bedecken.
Meine Gewaltphantasien versus dem jungen Mann halten sich jedoch in überschaubaren Grenzen. Es sind die üblichen Gedanken an freundliche Folter, die man schon gegenüber korpulenten Mitschülern hatte. Diese wurden später Polizisten oder Bankbeamte oder sie ergingen sich verzweifelt in Theologiestudien. Ich habe Käthe oft gefragt, was an Arschgesichtern in Uniformen für Frauen so anziehend ist. Ist es ihre Scheingeplegtheit mit sorgfältig ausgewählt billigen Aftershaves? Sind es ihre Wunden an Kinn und Schweinebacke von der morgendlichen Rasur? Sind es gar ihre Ohren, die im aufgedunsenen Kopf seitlich komplett verschwinden? Oder, ist es womöglich der Speichelfluss, der nach dem Koitus aus dem nach Sauerkohl riechenden Maul auf die sich hingebende tropft?
Eine erotische Anziehungskraft strahlt der Knabe gegenüber nicht auf mich aus, obwohl ich zugeben muss, dass ich ihn gern berühren möchte. So berühren, wie ein Kotelett, welches flach geklopft gehört. Ich will Fleisch anpacken, wie zum Verzehr in einem Volkslokal oder der Betriebskantine. Leonard Cohen säuselt mir aus dem mp3Pod „So long Marianne“ ins Ohr. Zart begleitet die Musik aus den Hörknöpfen die vorbeischmierende Landschaft. Regen spritzt auf die Scheiben. Dabei verzieht der junge Soldat nicht einmal die Miene. Man kann auch sagen, dass er zu einem normalen nonverbalen Zwiegespräch nicht über die notwendige Mimik verfügt. Da kann ich ihn ja nur verachten. Kein Wunder, dass ich ihm in den grandios kurzen Hals beißen will um anschließend stundenlang zu warten, ob aus dieser hohlen Phrase Blut strömt.
Ich liebe den Norden, so wie er sich gibt. So wie er selbst glaubt, zu sein. So wie er eben scheint. Wie man ihn quasi mit Leonard Cohen im Ohr begleiten und betrachten kann. Und die zaghafte Vorfreude im Gesicht meines Gegenübers, die schon ein Stunde lang stagniert, stimmt mich ausgesprochen milde, weil ich angekommen bin.
18. August 2007
Andreas Greuter 20/08/2007 0:35
zu Deinen Romanzen assoziiere ich immer Deutsche Tänze von F. Schubert....sg Andreas
Frechdax . 19/08/2007 21:29
Ich komm jetzt nicht gleich dazu, die Geschichte zu lesen, aber bestimmt steht die dann mal in einem deiner Bücher...;-)Das Blatt magsch wieder sehr!
V. Munnes 19/08/2007 21:12
Schärfeverlauf und Blick gefallen !VLG-------------------------------------------------------volker-
Holger Bleck 19/08/2007 18:09
fein fein fein! lg holgerZwei AnSichten 19/08/2007 10:10
Gedanken beim Zugfahren ....aus der weiten norddeutschen Landschaft wird immer wieder die Enge des Abteils ...
aber letztlich ist Norddeutschland einfach schön ...
lg. Werner
elvisfirewolf 19/08/2007 10:10
erinnert mich an meine zivi-zeit, der text.obwohl ich da im süden war.
:)
max liet 19/08/2007 9:54
genau. der norden lässt allen gedanken raum