Arne Jansen Trio im Sinnbild Ladenburg
"Arne Jansen Trio"
Arne Jansen – guitar
Andreas Edelmann – bass
Eric Schaefer – drums
Wer den Berliner Gitarristen Arne Jansen einmal gehört hat, wird seinen Ton so schnell nicht wieder los. Dieses passionierte Wühlen in der warmen Vielfalt der elektrischen Gitarre, in dem sich stets zaghaftes Understatement mit spielerischer Wollust mischt. Diese klanggewordene Menschlichkeit, die immer das Besondere im Alltäglichen sucht, Ruhe ausstrahlt und doch selbst nie zur Ruhe kommt, weil sie eben immer am Suchen ist. Ja, Arne Jansen ist ein besonderer Gitarrist.Mit seinem bislang dritten Album, seinem ACT-Debüt „The Sleep Of Reason“ erzählt er einmal mehr eine ganz persönliche Geschichte. Es ist eine Sammlung von Stücken über den spanischen Maler Francisco Goya, der seine künstlerische Vita als gefeierter Hofmaler begann und sich im Lauf seines langen Lebens in einen eigenbrötlerischen Visionär verwandelte, dessen schicksalhafter Einfluss auf die Kunst auch knapp 200 Jahre nach seinem Tod gar nicht überschätzt werden kann. Im Gegenteil, Goya wird immer gegenwärtiger. Dem Gitarristen ging es indes nicht um die kunsthistorische Bedeutung des Spaniers, als er sich daran machte, Goyas Bilderwelt in Klang zu übersetzen. Am Anfang stand eine individuelle Begegnung. Als Jansen vor ein paar Jahren ein Konzert in Madrid spielte, nahm er sich die Zeit, die berühmte Gemäldegalerie Prado zu besuchen. Als er schon auf dem Weg zum Ausgang war, fielen ihm plötzlich Goyas schwarzen Gemälde ins Auge. Speziell der berühmte „Hexensabbath“ und die „Wallfahrt des San Isidro“ berührten ihn mit ihren verzerrten Gesichtern und im jähen Grauen aufgerissenen Augen dermaßen, dass er selbst von seiner intimsten Erfahrung mit Kunst in seinem ganzen Leben spricht. Er wusste, dieses Thema und dieser Mann würden ihn nicht mehr loslassen. Zurück in Berlin begann er sich intensiv mit Goya zu beschäftigen. Eine wahre Schreibflut setzte ein, die sich jetzt in seinem Album „The Sleep Of Reason“ erfüllt.
Jansen vermeidet es, einen allzu direkten Soundtrack zu Goya-Gemälden abzuliefern. Ihm geht es vor allem darum, was diese Bilder in ihm selbst ausgelöst haben. Obgleich er einige Reproduktionen Goyas während der Produktion im Studio aufgestellt hat, tritt er über die Distanz der Jahrhunderte in einen Dialog mit dem Künstler und antwortet den Bildern mit den Mitteln und Intentionen seiner eigenen Sprache. Er begegnet dem Spanier aus der Perspektive eines deutschen Musikers von heute, der sich keiner Hispanismen bedienen muss, um hinter diese Bildwelten zu dringen. „Mich fasziniert an Goya, dass er im Laufe seines Lebens immer mehr bei der Essenz dessen ankommt, was für ihn Menschsein bedeutet“, so Jansen. „Er war immer sehr wahrhaftig im Umgang mit sich selbst. Um dem gerecht zu werden, musste auch ich ehrlich mit mir selbst sein. Spanische Einflüsse einzubringen wäre aber nicht ehrlich gewesen.“ Stattdessen mischt er jazzige und rockig hymnische Klangwelten, die mit zwei Coverversionen von U2’s „Love Is Blindness“ und Brothers In Arms“ von den Dire Straits gekrönt werden. Beide Stücke stehen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit Goya, waren aber für Jansens musikalische Vita von prägendem Einfluss und fügen sich thematisch organisch in die Gedankenwelt des großen Spaniers.
Goya war bekanntlich ein Einzeltäter, doch Jansen suchte sich eine Reihe von Verbündeten, um sein Farbspektrum so reich wie möglich auszuschöpfen. Er begann die Stücke in seinem Trio mit Schlagzeuger Eric Schaefer und Bassist Andreas Edelmann zu entwickeln und immer weiter aufzubauen, merkte jedoch, dass etwas fehlt. Gestalterische Ideen griffen Raum wie die Chimären Goyas, ursprüngliche Improvisationen wollten verfeinert werden, einmal manifestierte Formen verlangten immer wieder nach neuen Rahmen. Jansen ging nach Hamburg, um dort zusätzliche Tracks mit dem Keyboard-Forsche Friedrich Paravicini einzuspielen, der außer Hammond-Orgel, Cembalo, Vibrafon und Cello die Zauberklänge des Ondes Martenot, eines prähistorischen elektronischen Keyboards beisteuerte. Doch die Klangbilder verlangten nach noch mehr Leben, Cellist Stephan Braun kam hinzu, ein Stück entstand im Duo mit Trompeter Nils Wülker, mit dem Jansen eine langjährige Zusammenarbeit verbindet. Maßgeblichen Anteil am Gesamtklang hatte auch Co-Produzent Axel Reinemer, bekannt von der Berliner Jazz-Produzenten-Guerilla Jazzanova, mit dem Jansen auf der Suche nach passenden Texturen und Sounds mehr Zeit im Studio verbracht hat als mit seinem Trio bei der ursprünglichen Aufnahmesession.
Am Ende steht ein komplexes Meisterwerk, das den Vergleich mit den gemalten Vorlagen nicht zu scheuen braucht, weil es weder abbildet noch kommentiert, sondern die zärtlich brutale Faszination musikalisch atmen lässt, den Goyas Bilder auf den wachen Geist des 21. Jahrhunderts ausüben. Goyas Kämpfe, das wird in dieser Musik überdeutlich, aber auch seine Erfüllung haben bis heute Bestand. Arne Jansen ist ein großer Klangmaler der Gegenwart.
www.arnejansen.com
Phil Leicht 04/02/2014 10:28
http://www.sinnbild.me