Auf ihrer ...
Teil 3
Auf ihrer Unterlippe nagend saß sie bewegungslos am Rand des riesengroßen Bettes, starrte ins Leere und ließ die Begegnung mit dem geheimnisvollen Lord Revue passieren. Sie versuchte sich zu erinnern, was in ihr vorging, als er sich zu ihr umdrehte und sie - schon fast unverschämt - angrinste. Erstaunen und Entsetzen, ja, das fühlte sie bei ihrem Wiedersehen, aber auch Angst und gleichzeitig irgendwie Erleichterung. Letzteres konnte sie sich allerdings überhaupt nicht erklären. Vielleicht weil der Fremde ihr doch irgendwie so vertraut schien? Sie hatte noch seine warme, angenehme Stimme im Ohr, wie er sich nach ihrem Wohlbefinden erkundigte, aber auch den Spott, als er sie aufzog, sie hätte sich doch die Mühe sparen und ihn direkt begleiten können. Zu Pferde wäre sicherlich angenehmer und schneller gewesen. Wie ein dummes Ding stand sie vor ihm, keines Wortes der Erwiderung fähig. Zu gern hätte sie ihm die Stirn geboten und Kontra gegeben, doch ihre Gefühle, die Furcht und die Erschöpfung übermannten sie und ließen ihren Körper bewegungsunfähig vor dem Lord stehen. Dies schien er bemerkt zu haben und bot ihr an, doch erst mal am Kamin Platz zu nehmen und sich aufzuwärmen. Sebastian, sein Bediensteter würde ihr noch etwas aus der Küche holen, sei sie doch bestimmt hungrig nach den Strapazen. Sie erinnerte sich, wie dankbar sie ihm war und sein Angebot annahm. Ab diesem Zeitpunkt verflüchtigte sich ihre Angst, er könne ihr etwas Furchtbares antun. Auch dafür hatte sie keine Erklärung.
Während sie stillschweigend das von Sebastian zubereitete Mahl an dem großen schweren Eichentisch zu sich nahm, merkte sie, dass ihr Gastgeber sie von dem Platz gegenüber eindringlich musterte, was ihr fürchterlich unangenehm war, doch ihre Manieren verboten ihr, etwas Passendes zu sagen. Stattdessen versuchte sie sich auf das Essen zu konzentrieren. Nach einer Weile des Musterns fragte er schließlich "Mylady, wollt Ihr mir nun Euren Namen verraten?" Sie schaute verdutzt von Ihrem Teller hoch und antwortete kokett "Mylord weiß doch soviel über mich!? Dann kennt Ihr sicherlich auch meinen Namen!" "Touchee Madame! Ihr habt Recht, ich kenne Euren Namen. Ich wollte ihn nur mal aus Eurem Munde hören, Josephine." Ihren Namen betonte er absichtlich langsam, um dem Klang mehr Ausdruck zu verleihen. "So hat mich schon lange keiner mehr genannt", und ein Lächeln trat auf ihre Lippen. "So?" schaute er fragend, "wie nennt man Euch denn?" "Das tut nichts zur Sache! Für Euch Lady Greyshall", antwortete sie kühl und ihr Lächeln war verschwunden.
Als sie mit dem Essen fertig war, kam der Edelmann um den Tisch herum und streckte ihr auffordernd seine Hand entgegen. Sie zögerte, entschloss sich aber doch, seiner Aufforderung zu folgen und erhob sich langsam, mit bleiernen Knochen, vom Stuhl. "Ihr seid müde! Seid heute Nacht mein Gast. Ich lasse Euch ein Gemach herrichten und morgen früh, wenn Ihr es wünscht, wird Euch eine Kutsche nach Hause bringen." Sie war tatsächlich müde und ohne großartig zu denken erwiderte sie mit einem kurzen "gern".
Erst jetzt, als sie so vor sich hin starrte, überlegte sie, ob das nicht möglicherweise ein Fehler war. Bereits im Kindesalter predigte ihre Mutter, nicht zu gutgläubig zu sein, doch schon damals hatte sie ihren eigenen Kopf. Sie beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken und suchte den Blick zum Fenster. Langsam schoben sich dunkle Wolken vor den Mond, der ihr bislang in dieser Räumlichkeit genügend Licht spendete. Draußen setzte Regen ein, der nach und nach immer stärker wurde. In der Ferne nahm sie leises Donnern wahr. Gewitter, darauf hatte sie gewartet, wo sie sich doch so davor fürchtete. Sie erhob sich vom Bettrand und schlich auf nackten Sohlen zu dem sich in der Mitte des Raumes befindlichen Tisch. Dort stand ein dreiarmiger Kerzenleuchter, den der Lord, nachdem er ihr das Gemach zeigte, dort abgestellt hatte. Zu dumm, dass sie die Kerzen ausblies, denn Zündhölzer lagen dort nicht. Verdammt, fluchte sie innerlich und sah sich suchend um. Wie sollte sie in der Dunkelheit etwas finden? Just in diesem Moment erhellte ein Blitz den Raum, der sie zusammenzucken ließ. Ihr Blick fiel dabei auf den kleinen Kamin, der sich an der Wand gegenüber des Bettes befand. Ihre Füße setzten sich automatisch in Bewegung und tappten über den etwas kratzigen Teppich Richtung Feuerstelle. Sie tastete den Kaminsims ab. Hier muss doch irgendwo ein Zündholz sein!? Nichts dergleichen. Das gibt es doch nicht, dachte sie sich und wunderte sich gleichzeitig, warum der Kamin überhaupt erloschen war. Nicht, dass sie in ihrem dünnen Unterkleid Kälte empfand, aber zu dieser Jahreszeit hätte man ruhig ein kleines Feuer brennen lassen können. Wieder blitzte es, gefolgt von heftigem Donner, sodass sie fürchterlich erschrak, zum Bett lief und sich unter die schwere Decke flüchtete. Wie sie Gewitter hasste!
Nach einer Weile war das Gewitter nur noch in der Ferne zu vernehmen, doch der prasselnde Regen ließ nicht nach. An Schlaf konnte Josephine in dieser fremden Umgebung nicht denken und so stand sie erneut auf und ging zu einem der drei riesigen Fenster, die von schweren, dunkelroten Samtvorhängen umsäumt waren. Schwermütig, ihr trautes Heim vermissend, ließ sie ihren Blick durch den parkähnlichen Garten schweifen. Nur schemenhaft konnte sie die Anordnung der Bepflanzungen erkennen. Ab und zu erhellten die Blitze am Horizont die Landschaft. Plötzlich bemerkte sie eine Bewegung unterhalb ihres Fensters, doch da sich das Zimmer im oberen Stock befand, konnte sie nicht erkennen, was es war. War dort jemand in den Büschen? Angestrengt versuchte sie in dem strömenden Regen etwas auszumachen, doch so sehr sich ihre Augen auch konzentrierten, das Ergebnis blieb gleich, nämlich nichts. Da! Da läuft doch jemand? Oder besser etwas? Was ist das? fragte sie sich im Stillen. Für ein Tier war das, was sie sah, definitiv zu groß. Es könnte ein Mensch in gebückter Haltung sein, doch was hätte dieser dort unten zu suchen? Vielleicht irgendein Halunke, der sich herumtreibt? Erst neulich vernahm sie die Kundtuung, ein Schurke wird gesucht, der 7 Frauen überfiel. Was ist, wenn er ausgerechnet hier sein Unwesen treibt? Ein ungutes Gefühl stieg in ihr hoch und sie überlegte, was sie tun könnte. Josephine beschloss, diesen Bediensteten, Sebastian, zu suchen, um ihm zu erzählen, was sie beobachtete. Vielleicht könnte er der Sache nachgehen?! Sie lief zur Tür, öffnete diese vorsichtig, steckte den Kopf durch und späte auf den Flur. Niemand war zu sehen. Leise schloss sie die Tür hinter sich und schlich barfuss durch den langen Gang Richtung Treppenhaus. Wieder donnerte es und sie zuckte zusammen. Das Gewitter schien gedreht zu haben. Ein Schauer der Kälte überkam sie, nicht zuletzt, weil sich der steinerne Boden unter ihren nackten Füßen eisig anfühlte. Einen kurzen Moment überlegte sie, in ihr Gemach zurückzukehren, doch sie blieb mutig und ging weiter. Die spärliche Beleuchtung ließen die vielen Gemälde an den Wänden unheimlich wirken. Es schien, als ob die Blicke der dort hängenden Personen Josephine bei jedem Schritt, den sie tat, verfolgten. Am Ende des Ganges befand sich der Treppenaufgang mit riesigen, kirchenähnlichen Fenstern. Rund um das aus Marmor gefertigte Geländer zierten fünfarmige, goldene Lampen mit großen, weißen Glaskugeln die großzügige Treppe nach unten. Die Wände hier waren mit wundervollen Malereien versehen, die irgendwelche Szenen einer Zusammenkunft darstellten. Suchend sah sie sich um, doch von Bediensteten war weit und breit niemand zu sehen. Sie tapste zur Treppe und just in dem Moment, den ersten Schritt nach unten zu nehmen, erschrak sie fürchterlich, als sich eine Hand auf ihrer Schulter legte …
Teil 1:
Teil 2:
Frangel 16/09/2016 9:27
...fantastisch .... und spannend + + +TOP + + +LG Frangel
norma ateca 30/01/2016 8:06
Sehr schönes foto LG NormaManuel Gloger 21/11/2014 22:15
Die Fortsetzung der Geschichte lese ich, sobald ich etwas Zeit habe, Das Bild sieht wieder genial aus. Gast Du die Lampen wieder angknipst? ;- ) Schloss Drachenburg ist wirklich eine ganz tolle Location.LG Manuel
Mershee 16/09/2014 22:43
Wusste nicht, ob ich stehenbleiben, mich auf dem Stuhl niederlassen sollte oder es Josephine gleich tun und die Treppe herunterschreiten sollte. Wahnsinns Szenerie, passend zur Story. Ganz grße Klasse.LG Mershee
hajosch 31/08/2014 11:23
du hast es drauf, große klasse!hanas
† Giovanni Pinna 22/06/2014 21:04
Ein Hammermäßige Bearbeitung !lg Giovanni
Monika Berg 20/06/2014 18:29
Bearbeitung vom Feinsten!Klaus-Peter Beck 19/06/2014 21:53
Auf die Gefahr hin, hier des bloßen "Rücklobes" (du lobst mein Bild, ich lobe dein Bild) verdächtigt zu werden: Große Klasse!Mir fällt nichts auf, was man besser hätte machen können.
Respekt!
Gruß
Klaus-Peter
Gerd Ka. 19/06/2014 19:37
Großartig!Viele Grüße,
Gerd
André Künzel 19/06/2014 18:38
Affenstarkes Bild -EvA- !Unter die Schreiber bist du jetzt auch gegangen? ;-)
Jakob F. 19/06/2014 14:08
Ein unglaublich schönes Bild zu einer absolut dazupassenden tollen Geschichte ...LG Jakob
Rene Pflegpeter 19/06/2014 12:54
Schöne wieder etwas von dir zu sehen ;-)1A, lg René
-Thomas Schäffer- 19/06/2014 12:41
Wieder eine grandiose Aufnahme von dir. Deine Bearbeitung ist sehr sehenswert und sehr hochwertig. Ein echter Augenschmaus. Klasse!!!LG Thomas
Wolfgang B. Scheifers 19/06/2014 12:29
"W U N D E R S C H Ö N"Passt ausgezeichnet zu Deiner schaurigen Geschichte.
LG Wolfgang
Reiner BS 19/06/2014 11:10
Das mit dem Lesen hab ich mir erspart ist mir zu lang, aber deine Aufnahme ist wieder super geworden.Gruß Reiner