*** barriere.frei [kraftlos im leben(?)] ***
Sind deine Assistenten auch deine Freunde oder versehen sie bloß ihren Job?
„Teils – teils. Natürlich gibt es eine gegenseitige Beziehung, da man doch sehr viel Zeit miteinander verbringt und viel voneinander erfährt. Es ist kein klassisches Arbeitgeber – Arbeitnehmerverhältnis, es ist natürlich viel vertrauter.“
Unsere Lebenserwartung liegt bei ca. 80 Jahren, wie schaut es mit deiner zu erwartenden Lebensdauer aus?
„Die Lebenserwartung ist je nach Typ der Behinderung verschieden, manche sterben im jugendlichen Alter und manche werden 40 Jahre und älter. Irgendwie gibt es da keine verlässliche Statistik und keine gültigen Daten, denn aufgrund der Fortschritte in der Medizin wird die Lebenserwartung ständig nach oben verschoben.“
Wie gehst du mit dem Sterben und dem Tod um?
„Dieses Thema belastet mich eigentlich nicht wirklich. Ich denke nicht daran wann oder wie ich sterbe. Immer wenn einer aus unserer Mitte ging, dachte ich mir: „Er hat es geschafft, er hat es hinter sich!“ Ich versuche einfach das Beste aus meiner Situation zu machen. Suizidversuche kommen immer wieder vor in meinem Bekanntenkreis, die Belastungen sind für manche einfach kaum zu ertragen.
Problematisch wird es bei anstehenden Operationen bei meiner Behinderung. Das Operationsrisiko ist einfach so immens hoch da mein Körper diese Strapazen nicht aushalten würde. Mir wurde immer wieder gesagt: „Entweder überlebst du die OP sowieso nicht oder du hängst danach ein Leben lang am Beatmungsgerät!“ Ich werde somit nur in absoluten Notfällen operiert, da die Beatmung in Vollnarkose schwierig ist. Nach längerer künstlicher Beatmung besteht die Gefahr, dass der Körper nicht mehr die nötige Kraft hat die eigene Atmung zu übernehmen. Die Entscheidung über Leben und Tod liegen sehr nahe beieinander.“
Was bereitet dir wirklich Angst? Mit welchen Situationen möchtest du ungern konfrontiert werden?
„Ich habe furchtbare Höhenangst – banal aber real. Wirklich Sorgen bereitet mir aber, wenn meine Rundumversorgung zu wackeln beginnt. Wenn z.B. Assistenten krank werden oder Termine vergessen und dann kein Ersatz zur Verfügung steht. Das ist immer sehr stressig. Diese Existenzangst um die Grundversorgung ist schon sehr präsent, auch wenn Freunde oder Bekannte zur Not einspringen.
Natürlich habe ich Angst, wenn medizinisch ein grobes Problem auftritt. Habe ich beispielsweise mal eine Verkühlung und einen Husten, so habe ich durch meine Behinderung keine Kraft zum Abhusten des Sekrets in meiner Lunge. So bekomme ich irrsinnig schwer Luft und die daraus resultierenden Erstickungsanfälle hängen wie ein Damoklesschwert über mir. Mittlerweile weiß ich damit umzugehen, aber es macht die Situation nicht leichter für mich. Homöopathie gepaart mit der Schulmedizin und meiner eigenen Erfahrung lassen mich damit aber relativ gut über die Runden kommen.“
Wenn du mit deinem Rollstuhl wo auftauchst bleibst du ja nicht unerkannt, stört dich diese Art der Aufmerksamkeit?
„Diese offensichtlichen, oft gaffenden Blicke stören mich schon, ansonsten stellt das kein Problem für mich dar. Vielmehr ist es störend, wenn ich merke, dass Menschen mit meiner Situation überfordert sind, auch Ärzte können manchmal schlecht damit umgehen.“
Claudia Jenniges 07/12/2010 16:41
Dieses Foto aus deiner interessanten Serie möchte ich nicht kommentarlos lassen :)Hier, ein feines Spiel zwischen den Geschlechtern.
Dein, euer Thema "barrierefrei" finde ich offen und kreativ umgesetzt, klasse Serie.