Beutelmeise: Ein Pendel in der Vogelwelt 12
Das Glück führte mich Mitte Mai zu einer Weide in einem Nordwestmecklenburger Teichgebiet, an deren Zweig unverkennbar ein Beutelmeisennest baumelte. Meine Kenntnisse zu Remiz pendulinus beschränkten sich zu dem Zeitpunkt auf die Bestimmung und die Information, dass es sich um recht seltene Vögel im deutschen Südwesten handelt – und für das Hessische Ried ist jedenfalls mir keine Beobachtung aus den letzten Jahren bekannt. So wartete ich erst einmal ab, ob ich nicht vielleicht „nur“ ein Nest aus dem Vorjahr gefunden hatte. Die Befürchtung schien zu stimmen – über einen langen Zeitraum ließ sich keine Beutelmeise sehen. Als ich ein Stück am Teichufer weitergelaufen war, bemerkte ich etwas Wuseliges im Schilf, was aus dem Augenwinkel keiner der dort aktiven Rohrsänger sein konnte. Ich kam vorsichtig näher und vor mir sammelte tatsächlich eine männliche Beutelmeise Baumaterial. Der Vogel schien zwar nicht besonders ängstlich, mir gelangen aufgrund des windigen Schilf – Umfelds aber dennoch nur eine Hand voll Fotos. Also war doch eine Beutelmeise im Gebiet und wieso ich sie nicht an ihrem Nest gesehen hatte, verstand ich erst einmal nicht. Da ich noch anderes beobachten wollte, entfernte ich mich erst einmal und recherchierte dann am Abend zum Thema Beutelmeisen.
„Lesen bildet“ und nun konnte ich auch das häufig am See gehörte „tssrrie“ richtig einordnen – ich hatte den Ruf fälschlicherweise einer Amsel zugeschrieben. Weiterhin habe ich nachgelesen, dass männliche Beutelmeisen durchaus mehrere Nester bauen – siehe untenstehende Informationen.
Mit diversen Informationen ausgestattet marschierte ich am nächsten Tag erneut los. Es dauerte keine halbe Stunde, bis ich nach gezielter Suche – und auch mit Hilfe des beutelmeisischen „tssrrie“ – insgesamt drei Nester (Weiden und Erle) in relativer Nähe zueinander gefunden hatte. Eines davon wurde von der männlichen Beutelmeise heftig bearbeitet. Leider hatte ich insgesamt nur drei Tage Zeit und so bleibt aktuell für mich die Frage. War da (noch?) kein Weibchen oder habe ich es etwa doch übersehen?
Beantwortet wurde für mich als Fotografin aber auf jeden Fall die die Frage, warum die Beutelmeise auf lateinisch Remiz pendulinus heißt: Das Nest pendelt im (ständig heftig wehenden ostdeutschen) Wind, die Beutelmeise pendelt ebenfalls im Wind und beides gemeinsam ergibt für die Schärfe eine ziemliches Pendelproblem ; + )
Bewusst habe ich meine Fotos aus einiger Entfernung gemacht, obwohl ich den Eindruck hatte, der Vogel hätte mehr Nähe durchaus ertragen.
Alle Aufnahmen entstanden in einem stark frequentierten Naherholungsgebiet vom Weg aus.
Nordwestmecklenburg, Mitte Mai 2016.
Nikon D300, Nikkor AF S 2.8/300 VR, 1.5er Konverter, aus der Hand.
Hier noch einige ausführliche Informationen zur Beutelmeise vom Landschaftsinformationssystem Rheinland-Pfalz:
Kennzeichen:
Länge 11 cm. Ein sehr kleiner meisenähnlicher Vogel der Ufer- und Feuchtgebiete; leicht an seiner schwarzen Gesichtsmaske und der hell grauweißen Färbung von Scheitel und Nacken zu erkennen. Lebt versteckt, verrät sich meist zuerst durch den hohen, dünnen, etwas klagenden Ruf. Nahrungssuche in Bäumen (besonders Weiden) und im Röhricht, liest Insekten von der Vegetation ab oder zerpflückt Samenstände; verhält sich wie eine Meise – rastlos, akrobatisch, hängt oft mit dem Bauch nach oben an Zweigen oder Schilfhalmen. Die ziemlich kraftlos wirkende Flugweise erinnert etwas an Blaumeise, erscheint jedoch noch leichter. Jungvögel ganz anders als Altvögel, wie eine andere Art, ohne schwarze Gesichtsmaske und ohne Rostbraun auf dem Mantel, oberseits gräulichbraun, unterseits gelblichweiß. Verwechslung denkbar mit Zweigsängern oder Fliegenschnäppern (besonders mit weiblichem/juvenilem Zwergschnäpper), aber in Gestalt (rundlich, rundflüglig, kräftiger spitzer Schnabel) und Verhalten eher wie eine Meise. Beim Weibchen schwarze Gesichtsmaske kleiner (reicht nicht bis auf die Stirn), Scheitel und Nacken eher grau und Mantel matter gefärbt als beim Männchen mit reduzierter kastanienbrauner Brustfleckung. Häufig wird man zuerst durch die Rufe auf die Art aufmerksam – dünn, klagend, aber recht weittragend „tsssss-siüu“; andere Rufe in der Tonhöhe ähnlich „tssieüliü“, „tssüli“, „tssrrie“ und „sss-lü-Iü-Iü“; außerdem weich summende Rufe wie „tsss“. Gesang eine langsame, unterdrückt klingende Folge von Rufen mit einigen Variationen.
Lebensraum:
Sumpfgebiete und Uferdickicht mit Weiden, Erlen und Pappeln, besonders mit Rohrkolbenbeständen; auch in ausgedehnten Schilfbeständen (vor allem einige östliche Populationen); gelegentlich in recht trockenen Lebensräumen, weitab vom Wasser. Außerhalb der Brutzeit halten sich auch Vögel westlicher Populationen in ausgedehnten Reinbeständen von Schilf auf. Auf dem Zuge aber auch in Maisfeldern usw. zu beobachten.
Biologie und Ökologie:
Baut ein sehr kunstvolles, hängendes Beutelnest mit Eingangsröhre (aus verfilzter Pflanzenwolle und Tierhaaren) an äußere Zweige von Bäumen (vor allem Weide), gelegentlich auch im Schilf. Die Beutelmeise ist Kurz- bis Mittelstreckenzieher mit Wintergebieten in Frankreich und Spanien. Sie kehrt ab der zweiten Märzhälfte an ihre Brutplätze zurück, brütet ab Mai und verlässt die Brutgebiete ab August. Ein Teil der Brutvögel trifft bereits verpaart im Brutgebiet ein. Die Nistplatzwahl erfolgt dann durch beide Partner. Unverpaarte Männchen bauen Nester bis zum Stadium eines Henkelkorbes und singen intensiv, um ein Weibchen anzulocken. Trifft keines ein, wird das halbfertige Nest nach etwa 14 Tagen verlassen und an einer anderen Stelle mit dem Bau eines neuen Nestes begonnen. Ab Ende Juni erlischt der Nestbautrieb. Während der Nestbauphase sind Beutelmeisen sehr auffällig durch ständiges Rufen und intensives Singen am Nest. Beutelmeisen bauen ihre Nester bevorzugt in Bäume mit herabhängenden Zweigen wie Baumweiden, besonders Silberweiden, Birken, Pappeln, Erlen u.ä. Derselbe Nistbaum wird oft über Jahre hinweg benutzt; vorjährige, noch hängende Nester oder deren Reste haben eine Signalwirkung auf brutwillige Beutelmeisen. Auch Attrappen wie Wattebeutel oder alte Socken üben ebenso wie Kunstnester einen Anreiz zum Nestbau aus. Der Nestbau, zumeist aus Samenwolle von Schilf und Rohrkolben, bei den späteren Nestern mit der Wolle vom Weiden- und Pappelsamen, beginnt selten Ende März, zumeist ab Anfang April. Legebeginn: Ende April bis Mitte Mai. Die Gelegegröße beträgt 1 – 8 und durchschnittlich 4 Eier. Die Brutdauer beträgt 13 – 14 Tage. Die Beutelmeise hat ein kompliziertes Brutverhalten. Nach dem Legen übernimmt in der Regel das Weibchen das Brutgeschäft und verjagt das Männchen, das an einer weiteren Stelle, oft weit vom ersten Nest entfernt, mit dem Bau eines weiteren Nestes beginnt und versucht, ein neues Weibchen anzulocken. Manchmal werden die Erstgelege vom Weibchen verlassen und entweder ganz aufgegeben oder das Männchen übernimmt das Brutgeschäft allein. Die Schlüpftermine in frühen Nestern liegen ab Mitte Mai. Durchschnittliche Nestlingszeit von 22 Tagen. Die ausgeflogenen Jungen werden von dem Elternteil, der sie ausgebrütet hat, noch etwa 8 – 18 Tage geführt. Es finden 1 – 2 Jahresbruten statt. Nahrung: Größtenteils animalisch, zumeist Blattläuse, Weidenschaumzikaden, kleine Raupen usw., selten wohl Samen.
http://www.natura2000.rlp.de/steckbriefe/index.php?a=s&b=a&c=vsg&pk=V002
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