Da isse!
Die berühmte Kirche von Wassen kommt bei der Fahrt von Göschenen her hier auf der obersten der Schleifen bei Wassen erstmals in Sicht. Der kurze Moment, wenn der Zug die obere Meienreussbrücke passiert, offenbart den Blick auf die Strassenbrücke der Susten-Passtrasse und die mittlere Meienreussbrücke
und natürlich die Barockkirche von Wassen.
Die berühmte Doppelschleife der Gotthardbahn ist immer ein Höhepunkt der Fahrt über die Strecke,
die freilich aus dem fahrenden Zug heraus kaum wirklich befriedigend fotografisch zu erfassen ist.
Trotzdem hier einige Bilder:
Die Schleifenentwicklung bei Wassen gibt Gelegenheit, ein wenig näher auf die Persönlichkeiten einzugehen, die den Bau der Gotthardlinie maßgeblich konzipiert hatten.
Neben dem bereits gewürdigten LOUIS FAVRE sind es die folgenden Herren:
CARL-EMANUEL MÜLLER beschäftigte sich anfangs der 1850er Jahre mit der Idee einer Gotthardbahn und verfasste ein Memorial, das dessen Vorzüge gegenüber dem Bau einer Bahn über den Lukmanier unter verkehrs- bautechnischen und auch militärischen Gesichtspunkten beleuchtet.
Neben dem Bau der Axenstrasse und dem Eintreten für die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee hat er als Vertreter des Kantons Uri der Sache der Gotthardbahn unentwegt gedient.
KASPAR WETLI, Ingenieur ETH, 1822 - 1889 verkörpert die Geschichte der Gotthardbahn. Berühmt geworden ist seine Studie zur topografischen Aufnahme der Gotthardstrecke auf ihrer Gesamtlänge zwischen Brunnen und Lugano im Jahr 1861. In seinen Projektstudien finden sich bereits schleifen- und schraubenartige Entwicklungen für die Trasse. Mit dem eigentlichen Urheber der Gotthardbahn-Idee, GOTTLIEB KOLLER, verband ihn ein enges Vertrauensverhältnis. Nachdem Wetli zum Oberingenieur für die Unterbauarbeiten des Abschnitts Bianca - Bellinzona - Lugano - Chiasso ernannt worden war, geriet das Baukonsortium bald in finanzielle Schieflage und die Arbeiten geraten ins Stocken, Wetli ist ohne Arbeit. Er wird in der Folge Strassen- und Wasserbauinspektor des Kantons Zürich. Die grundlegenden Erkenntnisse seiner Studien zur Gotthardbahn aber gehen in die Ausarbeitung eines Projekts zum Bau der Gotthardbahn ein, mit der GOTTLIEB ESCHER den Ingenieur ROBERT GERWIG beauftragt:
ROBERT GERWIG(1820 - 1885) arbeitet bereits 1863 nun auf Grundlage der Studien von Kaspar Wetli das Grundkonzept für die Linienentwicklung am Gotthard aus.
Damit muß nun mit einem weitverbreiteten IRRTUM aufgeräumt werden, denn nicht die Schwarzwaldbahn, die Gerwig konzipierte, sondern umgekehrt die Gotthardbahn-Konzeption wurde zur Grundlage für Gerwigs Planungen zur Schwarzwaldbahn, die erst ab 1866 entstanden.
Jedenfalls gehen auf GERWIG die Linienentwicklungen zurück, die die Schleifen und Kehrtunnels vorsahen, um unter der geforderten Maximalsteigung von maximal 25 Promille zu bleiben,
der bereits die Planungen von WETLI zugrunde lagen.
1872 wurde Gerwig zum bauleitenden Oberingenieur berufen. Zunächst hatte er die Tessiner Talbahnen in Angriff zu nehmen, die zwar termingemäß trotz etlicher Naturkatastrophen ausgeführt wurden, aber wegen erheblicher finanzieller Überschreitung und Meinungsverschiedenheiten mit der Direktion zum Rücktritt Gerwigs führte.
Dennoch bewahrte er dem Gotthardbahn-Projekt seine Zuneigung, wandte sich aber in der Folge wieder dem Eisenbahnwesen in seiner Badener Heimat zu, wo ja bereits zuvor unter seiner Ägide von 1866 bis 1871 die Schwarzwaldbahn erbaut worden war.
Der Bauingenieur WILHELM HELLWAG ist unter anderem der Erbauer der Brennerbahn, die 1869 in Betrieb ging. Nach verschiedenen anderen Stadien seiner Karriere tritt er als bauleitender Ingenieur die Nachfolge Robert Gerwigs an.
Auf ihn geht letztlich in der detaillierten Planung die Linienführung auf Grundlage von Gerwigs Projekt der Zufahrtslinien zum Gotthardtunnel zurück. Diese besticht vor allem dadurch, daß sie ohne nennenswerte Abweichung von den Talsohlen jeweils beide Talseiten nutzt, um an Höhe zu gewinnen, und dies ohne je die Maximalsteigung von 25 Promille zu überschreiten.
Überschreitungen des geplanten Baubudgets und daraus folgende unüberbrückbare Differenzen mit GOTTLIEB ESCHER führen leider 1878 zum Rücktritt Hellwags, dessen Projektierung dennoch weiterhin umgesetzt wird.
GUSTAVE BRIDEL wird in der Folge 1879 zum leitenden Oberingenieur ernannt, nachdem zuvor sowohl neben GERWIG und HELLWAG auch Direktionspräsident Gottlieb ESCHER ausgeschieden waren.
Bridel versteht es unter anderem, große beim Tunnelbau anstehende Probleme in eigener Regie zu beseitigen (Auftreten gefährlicher Druckpartien an mehreren Stelle des Tunnels) und letzte Einzelheiten beim Bau der Zufahrtslinien zu bereinigen.
Mit weniger Zeit- und Kostenaufwand brachte Bridel es fertig, die Strecke am 22. Mai 1882 in Betrieb zu nehmen.
Weitere Persönlichkeiten wären hier zu nennen, die sich mit der Erstellung der Bauwerke, dem Maschinenpark, dem Personal oder den Sozialeinrichtungen befaßten, aber dies würde hier einfach zu weit gehen. Es sei hier auf die einschlägige Literatur verwiesen,
die die Geschichte der Gotthardbahn erschöpfend würdigt.
Wir sind nun bald in Flüelen angekommen, wo die Mehrzahl der Reisenden den Zug verlassen und mit dem Schiff nach Luzern weiterfahren wird.
Wir verbleiben indes im Zug zur Fahrt bis Arth-Goldau, wovon noch Bilder folgen werden.
Ich bedanke mich für das entgegengebrachte Interesse und freue mich jederzeit über ergänzende Kommentare!
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Roni - raildata.info 11/11/2021 9:44
Hallo!Super! :-)
Bei mir auch als Miniatur im Wohnzimmer ;-)
lg,
Roni
Sigbert der Eisenharte 11/11/2021 7:24
Klasse Darstellung vom deutschen Rentnerglück.VG DIrk
Lokstromer 10/11/2021 22:12
Tolle Aufnahme - dieser extrem kurze Moment dieser Perspektive mit lebendigen Reisenden. VG LokiGerhard Hörhan 10/11/2021 19:42
Ja das Bild wirkt durch die Einbeziehung der Person besonders gut!lg
Gerhard H.
Basi70 10/11/2021 18:30
Kann Manfred nur beipflichten: Chapeau!!! Ein wunderbares Bild.VG Michael
makna 10/11/2021 14:14
Die Wassener Kirche aus der Perspektive des/der Reisenden: Erstklassig eingefangen !!!Diesen gelungenen Ausblick kann man nicht hoch genug loben - selbst wenn man weiß,
wann das Kirchlein ins Bild kommt, und selbst wenn man mit maximaler Frequenz von
zwölf Bildern in der Sekunde arbeitet: Diesen Blick muß man erst einmal genau so
mit diesem Bildaufbau und dieser Fokussierung hinbekommen. Also: Chapeau !!!
Schließlich und endlich ist das Motiv ein toller "Teaser", um sich anschließend
in den fundierten Text zu vertiefen: Eine ausgezeichnete Darstellung der Bau-
Planer und der Bau-Verantwortlichen. Dazu noch was dazu gelernt - nämlich
dass Robert Gerwig nicht von seiner Ausführung der Schwarzwaldbahn her
die Trassierung der Gotthardbahn-Rampen plante, sondern durch die von
ihm vorgefundene Projektierung der Gotthardbahn-Trassen den Nutzen
zog, für die Überwindung des Anstiegs der Bahn in seiner badischen
Heimat von dem schweizerischen Projekt zu lernen:
Ein "Aha-Erlebnis" für mich !!!
Danke also wieder einmal für diese profunde Darstellung in Text und Bild !
BG Manfred