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Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

Der Todesengel...

Der Todesengel

Das Foto zeigt die heutigen Überreste der Baracke in der einst der SS Arzt Josef Mengele medizinische Experimente an zumeist jüdischen Kinder im Alter zwischen 2 und 16 Jahren verübte, die meisten von ihnen waren Zwillinge. Die Baracke befand sich im Frauenlager (Bauabschnitt BIa) im Vernichtungslager Birkenau.
Josef Mengele wurde am 16. März 1911 in Günzburg geboren. Nach dem Besuch der Volkshochschule und des Gymnasiums promovierte er 1935 am Anthropologischen Institut der Universität München zum Thema „Rassenmorphologische Untersuchungen des vorderen Unterkieferabschnitts bei vier rassischen Gruppen“. Sein Staatsexamen bestand er im Sommer 1936. Ab Januar 1937 war er in Frankfurt am Main am Universitätsinstitut für Erbbiologie und Rassenhygiene tätig. Der Eintritt in die NSDAP sowie der SS erfolgte im Jahr 1938. Im Jahr 1940 meldet er sich zur Waffen-SS und 1942 wurde er als Truppenarzt bei der SS-Division Wiking geführt. Dennoch gutachtete er im selben Jahr für Verschuers KWI (Kaiser - Wilhelm - Institut) für Anthhropologie. Ende Mai 1943 wurde Josef Mengele dem WVHA (Wirtschaftsverwaltungshauptamt), Amtsgruppe D unterstellt, dies war die Dienststelle aller KZ-Ärzte.
Mengeles erster Arbeitstag in Auschwitz wurde oft falsch datiert, dabei ist er Aktenkundig: Es war der 30. Mai 1943
Mengeles Menschenexperimente in Auschwitz wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Seine Personenbeschreibung wich von vielen Vorstellungen über ihn ab. Er legte in Birkenau größten Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Der Niederländer Antonius van Velsen (Blockältester im Zigeunerlager) sagte: „Er sah sehr gut aus, hierzu passte seine sorgfältig geschneiderte Uniform, seine Stiefel waren immer auf Hochglanz poliert“
Ella Lingens (Häftlingsärztin in Birkenau) : „Er war ein auffallend hübscher und eleganter Mann. Charakteristisch für ihn war, dass er vielfach im Lager weiße Handschuhe trug. Wenn er durch das Lager ging, hat er auch öfters irgendeine Melodie gepfiffen – kurz: Ein hochintelligenter und gebildeter kalter Zyniker“ Ella Lingens begründete ihr Urteil über Josef Mengele unter anderem mit Mengeles Methode, Fleckfieber zu bekämpfen. „Er schickte sämtliche Insassen eines Blocks ins Gas“
Die Häftlingsärztin Margita Schwalbova sagte später aus : „In einem Fall, im Dezember 1943, hat er einen ganzen Transport holländischer Jüdinnen ausselektiert, von denen das Gerücht ging, dass bei einigen von ihnen Kinderlähmungen aufgetreten seien. Ich habe bei diesen Frauen keine Erkrankungen feststellen können“
SS-Arzt Dr. Hans Münch, Mengeles Gesprächspartner in Auschwitz : „Mengele war vollkommen davon überzeugt, dass die Juden vernichtet werden müssten. Mengele räumte zwar ein, dass zunächst die arbeitsfähigen Juden noch am Leben zu bleiben hätten, es müsse aber verhindert werden, dass die Juden sich weiter vermehrten“
Der französische Häftlingsarzt Milo Horeau : „Wahrscheinlich im Februar 1944 wies mich Mengele an, eine ungefähr 25 Jahre alte und gesunde Zigeunerin zu narkotisieren, an der er die Kastrierung einüben wollte. In meiner Gegenwart hat Mengele die Eierstöcke dieser Frau entfernt. Er fragte zuvor Dr. Levy, wie er sich da anstellen müsse, denn Mengele war Arzt und kein Chirurg“
Mengele wird bis zu seinem Ableben Biologist und Rassist bleiben. Seine Tagebuchaufzeichnungen nach 1945 zeigen einen Mann, der immer noch Ehetauglichkeitsbescheinigungen und eine Abkehr von frauenrechtlicher Gleichberechtigung fordert. Für ihn erhält das Selektionsprinzip (Auslese und Ausmerze) den Gesamtorganismus funktions- und lebenstüchtig. Behinderte, Schwachbegabte, Träger minderwertigen Erbgutes sind diesem Prinzip zufolge nicht zu erhalten, sondern zu eliminieren. Mengele hält sein eigenes Weltbild für idealistisch-herrisch. Da ist kein Platz für Schuldgefühle. Er bedauert nichts. Die Gaskammern in Auschwitz dienen in diesem, seinem Sinne, der Artverbesserung.
Von den Lagerärzten, die über das ihnen Befohlene hinaus töteten, wurde Josef Mengele am bekanntesten. Denn im Gegensatz zu seinen meisten Kollegen war er arbeitswütig.
Manca Svalbova (Häftling) hat in Erinnerung behalten wie einmal ein junges Mädchen Mengele um das Leben ihrer eben von ihm selektierten Mutter gebeten hat. Als Antwort sandte Mengele auch das Kind ins Gas.
Am deutlichsten wird Mengele durch das charakterisiert, was Anna Sussmann (Häftling) durch ihn hatte erleben müssen. Sie war Schwanger, als sie im August 1944 nach Auschwitz deportiert wurde, was aber bei der Zugangsselektion unbemerkt blieb. Damals hatte die Lagerführung davon gehört, dass Schwangere ihren Zustand verbargen. Um sich Untersuchungen zu sparen, ließ die Lagerführung verkünden, dass alle schwangeren Frauen täglich einen Viertelliter Milch bekämen. Eine befreundete polnische Ärztin riet Sussmann davon ab sich zu melden. Alle Schwangeren die sich meldeten wurden später aus dem Lager abgeführt und nie mehr gesehen. Weil Sussmann bei der Arbeit schwer zu heben hatte kam es zu einer Frühgeburt. Sie schlich nach dem Zählappell in den Block und entband dort ihren Sohn, obwohl sie sich zurück hielt hatte sie doch während der Geburt einen Schrei ausgestoßen, diesen Schrei aber hörte Mengele, er nahm das Kind und warf es ins offene Feuer.
Damals grassierte im Zigeunerlager eine sonst in Europa kaum auftretende Krankheit: Noma. Czelny, damals Leichenträger in diesem Lagerabschnitt, musste die Leichen der an Noma gestorbenen Kinder aus dem Schuppen schleppen, in dem die Toten bis zum Abtransport zum Krematorium gesammelt wurden, und unter Mengeles Aufsicht die Köpfe vom Rumpf trennen. Diese ließ Mengele in mit Chemikalien gefüllte Glasgefäße legen.
Alle SS-Ärzte waren turnusweise zum Rampendienst eingeteilt, wo sie eingehende Transporte zu selektieren hatten. Mengele tauchte auch dann auf der Rampe auf, wenn er nicht an der Reihe war, denn er suchte Zwillingspaare aus, die auf sein Geheiß in einer besonderen Baracke untergebracht (siehe Foto), dort besser ernährt und nach allen Regeln untersucht, gemessen und gezeichnet wurden.
Lucie Adelsberger hat den im Lager befindlichen Kinderblock eine Zeit hindurch betreut. Sie beschreibt Mengeles Visite : „Er hatte die Taschen voll Bonbons und teilte sie einzeln aus. Spielerisch warf er sie den Kindern zu. Sobald er erschien, strahlten die Kinder. Und mit derselben Methode, nach Abschluss seiner Untersuchungen, lockte er die Kinder zu seinem Wagen, mit denen er dann anschließend direkt zu einem der Krematorien fuhr..“
Nirgends in der Welt konnte ein Zwillingsforscher seine Versuchspersonen am gleichen Tag sezieren, um die inneren Organe miteinander zu Vergleichen. Mengele sorgte dafür, dass seine Zwillinge zur selben Zeit und an der gleichen Todesursache starben.
Verwachsene, Liliputaner und andere Personen, die Anomalien aufwiesen, teilten das Schicksal der Zwillinge. Mengele sonderte auch diese Personen an der Rampe aus, ließ sie genau untersuchen, töten und sezieren.
Ella Lingens gibt an : „Ich erinnere mich an die kleine Dagmar. Sie kam in Auschwitz (im Jahr 1944 als Kind einer Österreicherin) auf die Welt. Sie ist gestorben nachdem Mengele ihr Einspritzungen in die Augen gegeben hatte, weil er versuchen wollte, eine Änderung der Augenfarbe herbeizuführen.“
Efraim Stiebelmann (Häftling) hat einmal folgendes beobachtet : „Es traf ein Transport aus Lodz ein und Mengele selektierte an der Rampe. Eine Frau mit einem Mädchen von 13 bis 14 Jahren wollte sich von ihrem Kind nicht trennen. Mengele erteilte dem Posten den Befehl der Frau das Kind mit Gewalt weg zunehmen. Doch die Frau wehrte sich weiterhin. Daraufhin zog Mengele die Pistole und erschoss beide. Mengele schickte dann, wohl aufgrund dieses Ereignisses, den kompletten Transport ins Gas, obwohl bereits Arbeitsfähige aussortiert waren. Mengeles letzte Bemerkung lautete : Weg mit der Scheiße.“
Eine tschechische Jüdin (Ruth Elias) die mit 21 Jahren schwanger nach Auschwitz kam, hat im Frauenlager entbunden. Mengele, der testen wollte wie lange ein Neugeborenes ohne Nahrung auskommt, befahl ihr die Brüste abzubinden. Nach acht Tagen kündigte Mengele der jungen Mutter an, sie werde am nächsten Tag abgeholt. Sie wusste, dass das den Tod bedeutete. In der Nacht kam eine Fremde mit einer Injektionsspritze und sage zu ihr, dass sie diese ihrem Kind geben solle, es ist eine starke Dosis Morphium, damit wird dein Kind sterben. Die Jüdin konterte das sie doch nicht ihr eigenes Kind umbringen könnte. Du musst es tun sagte die Fremde, ich bin Ärztin und muss Menschenleben retten. Dein Kind ist nicht lebensfähig, halb verhungert, Hungerödeme. Ich muss dich retten, du bist jung. Nach zwei Stunden Widerstand war die Jüdin so zermürbt, dass sie die Tat begann. Am nächsten Tag wurde der Tod des Kindes Mengele mitgeteilt, er quittierte dies mit den Worten : „Da haben sie mal wieder Schwein gehabt. Mit dem nächsten Transport fahren sie zur Arbeit.“
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er zwar international als NS-Kriegsverbrecher gesucht, aber nie gefasst. Er starb 1979 im brasilianischen Badeort Bertioga. Mengele ertrank, als er beim Schwimmen im Meer einen Schlaganfall erlitt. 1985 wurden im Zuge einer intensivierten Fahndung seine unter falschem Namen beerdigten Gebeine entdeckt und identifiziert.

Quellen:
- Menschen in Auschwitz (Hermann Langbein)
- Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer (Ernst Klee)
- Wikipedia

Mehr:
http://www.fotocommunity.de/user_photos/1694560?sort=new&folder_id=671134


Comentarios 8

  • Brigitte Specht 24/10/2018 17:11

    ...ein grausamer Text mit einem großartigen Foto dazu !
    L.G.Brigitte
  • Frank G. P. Selbmann 24/10/2018 17:08

    die doppelbelichtung steigert die wirkung deiner arbeit, lieber stefan. mit ernst klees veröffentlichungen habe ich mich während meiner studienzeit ausgiebig beschäftigt. das lohnt sich in jedem fall!
    liebe grüße franK
  • Siegmar v. L. 24/10/2018 1:43

    sehr denkwürdig
    LG Siegmar
  • Joachim Irelandeddie 23/10/2018 21:35

    Wieder ein erschütternder Bericht zu einer sehr guten Bearbeitung dieser traurigen Zeit
    lg eddie
  • Urs V58 23/10/2018 21:34

    Ich bin sprachlos, obwohl ich eigentlich die historischen Hintegründe kenne ...
    Bild und Text wühlen auf. Danke, dass du es zeigst!
    LG Urs
  • JAM-Fotografie 23/10/2018 19:13

    Alles was ich schreiben würde wäre platt und würde die Tiefe Deines Bildes nicht im Entferntesten treffen. Diese Schuld ist und bleibt beschämend für unser Volk, auch wenn es die "Völkischen" leugnen.
    Grüße Jürgen
  • Nebelhexe 23/10/2018 13:54

    Diese Drecksau ist viel zu milde gestorben, auch wenn ertrinken ein schlimmer Tod sein soll, war es für ihn bei weitem nicht schlimm genug, aber dafür schmort er bestimmt neben Hitler in der Hölle.
    Das Bild zu deinem bewegendem Text ist mal wieder sehr gelungen und ich staune immer wieder, wie ausdauernd Du solche langen Texte hier eingibst, die Du nicht einfach irgendwo kopiert hast!
    LG