Deutschland im Quadrat - Tore im Maifeld

Deutschland im Quadrat - Tore im Maifeld

Auf dem Maifeld, Rheinland-Pfalz

Das Maifeld ist ein Hochplateau zwischen Mosel und Rhein, auf dem schon seit Jahrtausenden Landwirtschaft betrieben wird. Ungefähr 25.000 Einwohner leben in den kleinen Dörfern und der einzigen größeren Ansiedlung, der Stadt Polch. Wenn man durch diese kleinen Gemeinden fährt, fällt einem unweigerlich die festungsartige Anlage der kleinen Bauernhöfe auf. Die Wohnhäuser, Scheunen und Stallungen bilden an drei Seiten eine geschlossene Einheit, während zur Straßenseite eine hohe Mauer und ein massives Tor das Areal abschließen. So etwas kannte ich gar nicht, als ich aus Niedersachsen hierher zog - in meiner Heimat haben die Bauernhöfe keine Tore, sondern vielmehr weitläufige Vorhöfe, die nur vereinzelt mit niedrigen Mauern abgegrenzt sind. Ich musste feststellen, dass der Baustil auch das Wesen der Menschen bestimmt - oder umgekehrt. Sie könnten auch genausogut ein Schild an den zwei Autobahnausfahrten aufhängen, die direkt ins Maifeld führen - "Geschlossene Gesellschaft. Nur Durchfahrt erlaubt." Eine Nachbarin hat mir einmal gesagt, dass sie sich wohl fühlt unter einer Käseglocke zu leben - eine Insel der Glückseligen inmitten der bösen, sich ständig ändernden und fortbewegenden Welt da draußen. Wir als zugereiste "Weltbürger" (wir haben lange Jahre in den USA gelebt) brachten eindeutig zu viel Unruhe in den Mief unter der Käseglocke. Manche befürchteten wohl sogar, dass durch uns die Glocke ein Stück angehoben werden könnte - Gott bewahre, was da nicht alles für Ideen herein kommen würden.
Die Tore der Bauernhofburgen repräsentieren für mich dieses Denken. Man schließt sich ab, kastelt sich ein, will nichts mit anderen zu tun haben. Viele dieser Tore haben zudem noch Warnschilder vor bissigen Hunden. Und fast alle sind ständig verschlossen. Nein, niemand ist wirklich willkommen, ihr stört nur, bleibt weg. Jeder Hof seine eigene kleine Käseglocke.

Aber das hat nun sehr bald ein Ende. Ab nächste Woche ziehen wir endlich in unseren neu renovierten Todesstern. Der liegt nur 25 Kilometer entfernt und doch in einer anderen Welt. Dort gibt es keine miefige Käseglocke, sondern die Gerüche aus tausendundeiner Nacht, einen frischen Wind der um die Häuser pfeift, und selbst die Spießer sind irgendwie urig und originell. Es kommt mir vor, als würde ich vom alten Deutschland in das moderne Deutschland ziehen. Das Deutschland, in dem die örtliche Grundschule Kinder aus 25 verschiedenen Abstammungsländern hat. Dort, wo fast jeder außer Deutsch eine zweite Sprache spricht. Dort, wo der Horizont weiter reicht als bis zum Tor an der Straße.

Ein Beitrag im Rahmen des Fight Club
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