"Die Amis kommen!" ...
... an diesen Ausruf können sich viele Einwohner meines Heimatortes noch gut erinnern. In diesen Tagen jährt sich das Ereignis der "Befreiung" vor 65 Jahren!
Der Einmarsch der amerikanischen Truppen in Humprechtshausen (Lkrs. Haßberge) fand am "Weißen Sonntag", den 10. April 1945 statt. Viel der älteren Einwohner die damals Jugendliche oder Kinder waren, können sich noch ganz gut an die Vorgänge im April `45 erinnern:
Wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner in Humprechtshausen wurden von deutschen Truppen von Westen her schier endlose Kolonnen von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern aus Richtung Schweinfurt durch die Hauptstraße getrieben. Unter scharfer Bewachung mussten sie in Richtung Coburg marschieren.
Den ausgemergelten Gestalten, die zerlumpt und hungrig vorbeizogen, wurden von Bewohnern Kartoffeln zugesteckt. Auch Äpfel wurden auf die Straße gelegt, damit die Vorübergehenden sich versorgen konnten, wenn die Bewacher gerade einmal nicht hinsahen. War es doch bei Strafe verboten, mit den Gefangenen zu sprechen oder ihnen gar Essbares zu zustecken.
Auch Teile der deutschen Wehrmacht, die entweder versprengt waren oder sich vor den anrückenden Amerikanern zurückzogen, setzten sich in diesen Tagen in Richtung Osten ab. Die deutsche Führung des 82. Armeekorps mit der 416. Infanterie-Division zog noch in der Nacht zum 9. April von Aidhausen kommend durch Humprechtshausen über den Main hinüber zum Nordwestrand des Steigerwaldes. Dort versuchte man, eine neue Widerstandslinie gegen die anrückenden amerikanischen Panzerverbände aufzubauen.
Die deutschen Truppen wurden von US-Jagdbombern (Jabos) am Tage ins Visier genommen. Das erstes Opfer im Umkreis war ein Pferdegespann, das zwischen Kleinsteinach und Mechenried auf freier Strecke auf der Flucht mit Bordwaffen beschossen wurde. Zwei deutsche Landser wurden gleich vor Ort an der Straße begraben, gleich daneben die Pferdekadaver.
Am Samstag, 9. April, vormittags gegen 9 Uhr schossen die ersten amerikanischen Panzerspitzen der "Roten 1" aus westlicher Richtung kommend mit Granaten auf den von weiten sichtbaren Ortseingang in Richtung Hofheim, neben der Alten Ziegelei der Familie Wagenhäuser. Auch die anderen Ortseingänge wurden danach unter Artilleriebeschuss genommen, da der fliegenden Beobachter der Amis aus dem Ort flüchtende deutsche Truppen bemerkte.
Zuvor hatte in den frühen Morgenstunden Willi Endreß, ein Evakuierter aus Düsseldorf, eine weiße Fahne auf dem Kirchturm gehisst. Aus Angst vor der Rache der SS, die möglicherweise nochmal ins Dorf kommen könnte, hatte dann aber der linientreue NSPAD-Ortsgruppenführer die Fahne wieder eingezogen. Dies gab den Amerikanern wohl den Grund zum Artilleriebeschuss des Dorfes, so vermutete man später.
In Brand geschossen wurde dabei die oberhalb der Dorfmühle gelegene Scheune des Anwesens von Richard Bulheller. Die sofort eingeleiteten Löscharbeiten der mutigen Frauenlöschgruppe verhinderte schlimmeres und war für die Beteiligten lebensgefährlich, denn die Brandbekämpfung erfolgte unter dem Beschuss der US-Artillerie. Die zur Wasserförderung herbei gebrachte 1600-Liter(!) Selvo-Motorpumpe der Ortswehr aus dem Jahr 1927(!), - sie war schon nach den alliierten Bombenangriffen in Schweinfurt, Ebelsbach, Stettfeld, Niederwerrn und Aidhausen im Löscheinsatz gewesen - konnte in der allgemeinen Hektik anfangs nicht gestartet werden. Gute Dienste leistete da notgedrungen die alte Handdruckspritze der Wehr aus dem Jahre 1870. Mit ihr wurde das benötigte Löschwasser aus dem Mühlbach entnommen.
Viele Einwohner brachten sich in den drei Bierkellern am Steinweg beim Dürrnbach in Sicherheit. Das langsam über dem Ort kreisende Aufklärungsflugzeug der Amerikaner registrierte offenbar diesen Menschenauflauf und überlieferte diese Daten an die amerikanische Feuerleitstelle. Die Granateinschläge näherten sich bedrohlich nahe dem Felsenkeller, bis jetzt waren noch keine Toten oder Verletzten zu beklagen!
Neben dem Kindergarten am Ortsrand an der Straße nach Reichmannshausen, wurde der Schweinestall vom Anwesen Hermann Wagenhäuser getroffen und eine Stallwand beschädigt. Vermutlich sollten die beiden Straßenkreuzungen am Ortsende - auf der Straße von Schweinfurt nach Hofheim - für die sich zurückziehenden deutschen Truppen unpassierbar gemacht werden.
Humprechtshausen wurde nicht verteidigt. Sobald wieder eine weiße Fahne am Kirchturm und dem Kindergarten wehte, hörte der Beschuss auf.
Einen Tag später, am Vormittag des 10. April 1945, marschierten die ersten US-Truppen ohne jegliche Gegenwehr ein. Es wurde auf deutscher Seite kein Widerstand geleistet. Ein Teil der amerikanischen Truppen kam vom Urleswald her, ein anderer von der Reichmannshäuser Straße.
An die nachfolgenden riesigen, nicht endend wollenden Kolonnen von Soldaten und Kriegsfahrzeugen erinnern sich die älteren Humprechtshäuser auch heute noch ganz genau.
Ein Schrapnell-Splitter (im Bild oben) steckt bis zum heutigen Tage noch dort an der Traufkante in einem Dachbalken des ehemaligen Schweinestalls vom Anwesen der Familie Hermann Baier (vormals Familie Wagenhäuser) und erinnert bis heute so die nachfolgenden Generationen an die dunklen Tage der Deutschen Geschichte und die Befreiung vom Naziregime!
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Zusammengestellt nach mündlicher Überlieferung von Zeitzeugen, den wenigen, heute noch lebenden Ortsbürgern aus Humprechtshausen vielen Dank!
Aus aktuellen Anlass habe ich heute das Bild vom Mai 2008 mit ergänzter Bildunterzeile nochmal neu eingestellt!
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Bilderclown 12/04/2010 19:33
Eine sehr eindringliche Mahnung, die von Uli hier in der Kombination des symbolischen Mahnfotos zusammen mit der geschichtlichen Beschreibung dargestellt wird. - Sooo stelle ich mir ein Mahnsymbol vor.Da die Zahl der noch lebenden Zeitzeugen der Kriegsgrauen immer geringer wird und es bald schon gar keine mehr gibt, ist es sehr wichtig, solche überlieferten/ recherchierten Berichte festzuhalten und in der Öffentlichkeit am Leben zu halten.
Hier sehe ich einen Beweis, dass (Foto)-Künstler durchaus auch gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen,
Respekt und Gruß,
Rainer