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Die Macht der Zeit

Die Macht der Zeit

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Klaus Tesching


Premium (World), hinter den sieben Bergen

Die Macht der Zeit


Es begann damit, dass die Mächtigen entschieden, dass Zeit nicht länger frei sein sollte. "Warum sollten Minuten und Stunden einfach verstreichen dürfen, ohne dass jemand davon profitiert?", fragte sich ein Politiker, dessen Armbanduhr mehr kostete als das Haus eines Durchschnittsbürgers. Und so wurde die "Zeitsteuer" eingeführt. Möchtest du schlafen? Gut, das kostet dich drei Stunden Lebenszeit, die direkt dem Konto der Elite gutgeschrieben werden. Möchtest du dich ausruhen? Perfekt, das gibt den Reichen noch mehr Jahre, während deine verfallen wie vertrocknete Blätter im Herbst.

Die Menschen liefen, hasteten, eilten – immer im Wettlauf gegen die Uhr, die nie genug zu bekommen schien. Die Straßen waren voller Menschen, die verzweifelt versuchten, ihre Zeit zu verdienen, denn nur wer genug Stunden auf seinem Konto hatte, durfte sich eine Pause gönnen. Eltern mussten sich entscheiden, ob sie ihre kostbare Zeit für ihre Kinder opfern oder lieber ein paar Minuten für sich selbst aufheben wollten. Und während die Massen schufteten, lachten die Mächtigen von ihren gläsernen Türmen herab. Sie hatten alle Zeit der Welt – buchstäblich.

Die gigantische Maschine, die mitten in der Stadt schwebte, war das Symbol dieser neuen Ordnung. Ein monströser Zeitapparat, der unaufhörlich tickte und die Menschen daran erinnerte, dass sie keine Kontrolle mehr über ihre eigene Zeit hatten. Zahnräder drehten sich gnadenlos, während Zeiger ratternd weiterliefen – ein Mahnmal für die Macht derjenigen, die die Zeit besaßen. Jeder Blick auf die Uhr bedeutete eine Mahnung, dass das eigene Leben immer weniger wurde, während die Privilegierten ihre Zeit horteten und vermehrten.

Die Uhr wurde zur Göttin, und die Menschen waren ihre Diener. Wer keine Zeit mehr hatte, hörte auf zu existieren. Einfach so. Keine Gnade, keine zweite Chance. Die Welt war jetzt eine gigantische Sanduhr, und nur diejenigen, die den Sand kontrollierten, durften hoffen, dass ihre eigene Uhr niemals ablief.

So wurde die Zeit das grausamste Machtinstrument, das die Menschheit je gekannt hatte – und das bittere daran? Jeder hatte es kommen sehen, aber niemand hatte genug Zeit, um etwas dagegen zu tun.

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