... die Öffnung des Whisky
Durch die Zugabe von ganz wenig Wasser öffnet sich der Whisky. Die Esterketten brechen auf und flüchtige Aromen werden freigesetzt - man kann dies durch die kurzzeitige Schlierenbildung erkennen.
... die Öffnung des Whisky
Durch die Zugabe von ganz wenig Wasser öffnet sich der Whisky. Die Esterketten brechen auf und flüchtige Aromen werden freigesetzt - man kann dies durch die kurzzeitige Schlierenbildung erkennen.
† Ralf Scholze 29/07/2006 1:16
"Esterketten brechen auf und flüchtige Aromen ", sorry, abr das ist ein Gerücht ohne festen wohnsitz. zugabe von wasser verursacht keine chemischen reaktionen.Ein kleiner Spritzer Wasser und plötzlich ändert sich die Aromatik eines Whisky. Ein kleiner Spritzer Wasser, eine gewaltige Wirkung. Die intensiven, dominierenden Aromen von Torf und Rauch treten in den Hintergrund, machen Platz für neue Akteure aus dem breiten Spektrum der Whiskyaromen. Ein winziger Schluck Wasser, eine gewaltige Wirkung, eine Riesenüberraschung für die Einsteiger in die faszinierende Welt der Single Malt Whisky.
Für die alten Hasen der Malt Whisky-Gemeinde ist das nichts Neues. Aber auf die Frage nach dem warum müssen auch die meisten Hardcore-Whiskyfreaks passen. Ist es vielleicht das schottische Wasser? Das Wasser der Wildbäche, das sich wild rauschend seinen Weg durch romantische Hochlandtäler in Richtung Meer bahnt? Das Wasser, das von der Farbe her an Whisky erinnert?
Auch wenn es noch so romantisch klingt, am schottischen Wasser liegt es nicht. Es liegt bloß am Wasser, an der Zahl „104,5“.
Der will uns veralbern, werden sie sich jetzt denken. “104,5“, das klingt doch irgendwie nach dem berühmten Roman von Douglas Adams Per Anhalter durch die Galaxis, ein Meisterwerk rabenschwarzen, britischen Humors. Der staunende Leser erfährt von dem riesigen Rechner Deep Thought, der die Lösung der Frage aller Fragen des Universums knacken soll. Ein paar Millionen Jahre dauerte die Berechnung dieses Problems. Dann kam die Antwort: „42“. Damit hatte man die Antwort auf die Frage aller Fragen des Universums. Doch was war die Frage? Die Rechenkapazitäten von Deep Thought reichten für dieses Problem nicht aus. Die Mäuse bauten einen neuen, riesengroßen Computer: „Die Erde“. Dass dieser Planet noch vor dem Ende der Berechnung wegen des geplanten Baus einer intergalaktischen Umgebungsstraße gesprengt wurde, war ein dummer, kleiner Betriebsunfall.
Hier geht es nicht um 42, die Antwort auf die Frage aller Fragen des Universums, sondern nur um 104,5, auch wenn für den einen oder anderen Hardcore-Whiskyfreak die Frage nach der richtigen Dosis Wasser im Whisky durchaus ähnlich wichtig sein kann.
Das mit der Zahl “104,5“ ist durchaus ernst gemeint. Schauen wir uns Wasser ein wenig genauer an, nicht durch die Brille, nicht durch das Mikroskop, sondern viel genauer, auf der Ebene der Atome. Wasser, das ist chemisch H2O. Daran erinnern Sie sich sicher noch aus der Schulzeit. H2O, das bedeutet zwei Wasserstoffatome hängen an einem Sauerstoffatom. Wie muss man sich das vorstellen? Links und rechts ein Wasserstoffatom und in der Mitte das Sauerstoffatom? Ungefähr so: H — O — H?
Nicht ganz, denn der Winkel am Sauerstoffatom beträgt nicht 180o, sondern nur 104,5o. Das Wassermolekül muss man sich als ein winziges Dreieck vorstellen, mit dem Sauerstoff- und den beiden Wasserstoffatomen als Ecken.
So ein Atom besteht aus einem Kern und seiner Elektronenhülle. Der Kern setzt sich aus schweren positiv geladenen Protonen und den fast genauso schweren, aber elektrisch neutralen Neutronen zusammen.
In der Hülle des Atoms flitzen die elektrisch negativ geladenen Elektronen um den Kern herum. Eine Art Sonnensystem in Miniaturausgabe mit dem Atomkern in der Rolle des Zentralgestirns und den Elektronen in der Rolle der Planeten? Nicht so ganz, denn die Elektronen muss man sich als Wölkchen vorstellen und die Dichte diese Wölkchen beschreibt die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron an dieser Stelle zu finden. Klingt verrückt? Willkommen in der verrückten Welt der Quantenmechanik.
Zurück zum Wasser. Je ein Wasserstoffatom und das Sauerstoffatom sind miteinander chemisch gebunden. Das Elektron vom Wasserstoff — Wasserstoff hat nur eines — und ein Elektron vom Sauerstoff bilden gemeinsam ein Elektronenpaar und das Aufenthaltswahrscheinlichkeitswölkchen der beiden Elektronen umgibt beide Atomkerne. Dieses Wölkchen ist nicht symmetrisch, denn der Wasserstoffkern enthält nur ein einziges, der Sauerstoffkern aber gleich acht positiv geladene Protonen. Der Sauerstoff zieht das Elektronenpaar viel stärker an, als der Wasserstoff, d.h. die Elektronen halten sich häufiger in der Nähe des Sauerstoffs, als in der Nähe des Wasserstoffs auf.
So, jetzt kommt die magische Zahl 104,5 so richtig ins Spiel. Erinnern Sie sich an das Bild mit dem Dreieck? An einer Ecke das Sauerstoffatom, an den anderen beiden Ecken die beiden Wasserstoffatome. Die Bindungselektronen befinden sich häufiger in der Nähe des Sauerstoffs, als in der Nähe des Wasserstoffs, d.h. an der einen Ecke des Dreiecks sitzt eine negative Ladung, an den andern beiden Ecken jeweils eine positive Ladung. Unterschiedliche Ladungen ziehen sich an, gleiche Ladungen stoßen sich ab. Die Wassermoleküle ziehen sich gegenseitig an. Der Chemiker spricht von sogenannten Wasserstoffbrücken. Die Tropfen, die sich am Wasserhahn bilden, sind ein Resultat dieser Wasserstoffbrücken. Nur wegen der polaren Eigenschaften des Wassers können sich Salze lösen. Alles ein Resultat der magischen Zahl 104,5.
Öle kann man nur nicht in Wasser lösen. Mischt man beispielsweise Olivenöl und Wasser, dann trennt sich nach einiger Zeit das Gemisch in zwei Flüssigkeiten, in das nichtpolare Öl und das Wasser. Viele Aromen sind nichtpolare Stoffe, können schlecht in Wasser, aber gut in Alkohol gelöst werden. Warum eigentlich? Schauen wir uns die Strukturformel von Trinkalkohol an:
.....H..H
.....|..|
H—C—C—O—H
.....|...|
.....H..H
Auf der einen Seite sitzt eine OH-Gruppe, eine sogenannte Hydroxylgruppe. Den Ausdruck unbedingt merken, wenn Sie ihre Whiskyfreunde bei der nächsten Probe tierisch beeindrucken wollen. An dieser OH-Gruppe, spielt sich das Gleiche ab, wie beim Wasser beschrieben. Das Sauerstoffatom scheint negativ geladen zu sein, das Wasserstoffsatom am Sauerstoff hingegen positiv geladen. Hier können Wassermoleküle über Wasserstoffbrücken andocken. Der Rest des Moleküls ist nach außen hin elektrisch neutral. Dort können andere, nichtpolare Moleküle andocken.
Der Alkohol lebt also in beiden Welten, sowohl in der polaren, wie auch in der nichtpolaren Welt und je mehr Alkohol im Whisky, umso besser können sich besonders langkettige, nichtpolare Moleküle im Whisky lösen. Ahnen Sie langsam, was der berühmte Spritzer Wasser im Whisky bewirken kann? Die Alkoholkonzentration im Whiskyglas sinkt, langkettige, ölige Moleküle fallen aus der Lösung aus, scheiden quasi aus dem Aromaspektrum aus, werden wie durch einen Schalter ausgeknipst....
Aus dem gleichen Grund werden einige Whiskys trüb, wenn man etwas Wasser hinzugibt. Des Rätsels Lösung sind hochmolekulare Lipide, Fettsäureester und Lignine, in Alkohol lösliche Bestandteile des Fasses, die der Whisky während seiner Reifungsphase aus dem Holz herausgelöst hat. Einige Whisky? Frisch aus dem Warehouse stimmt das für jeden Whisky, der lange genug im Eichenfass schlummerte. Bei der Abfüllung muss das schon nicht mehr stimmen, den viele Whisky werden bis auf 40% Alkohol herunter verdünnt, bevor sie abgefüllt werden. Weniger ist nicht erlaubt und je mehr Wasser im Whisky, umso mehr Flaschen kann man abfüllen.
Wenn man Whisky frisch aus dem Fass holt und auf Trinkstärke verdünnt, dann stößt man auf eine weitere magische Zahl. Nicht die 42 von Douglas Adams, sondern die Zahl 46. Sinkt der Whisky bei Zimmertemperatur unter Alkoholgehalt unter die magische Grenze von 46%, dann beginnt sich der Whisky zu trüben. Da man trüben Whisky schlecht verkaufen kann, behelfen sich die großen Whiskykonzerne mit einem kleinen technischen Trick, der chill filtration. Das Lösungsverhalten von vielen Aromen und auch den Farbstoffen im Whisky hängt von zwei Faktoren ab, dem Alkoholgehalt und der Temperatur. Je niedriger die Temperatur, umso schlechter lassen sich bestimmte nichtpolare Moleküle lösen, insbesondere, wenn der Alkoholgehalt zu niedrig ist. Je tiefer die Temperaturen, je trüber der Whisky.
Viele Abfüller kühlen den verdünnten Whisky auf Temperaturen von +10oC bis -5oC, einige gehen sogar mit der Temperatur noch weiter hinunter. Der Whisky bleibt bei diesen Temperaturen ein paar Tage im Tank. Dann lässt man ihn über einen Schichtfilter ablaufen. Das Filtrat bleibt jetzt kristallklar, egal, wie viel Wasser man hinzugibt. Dummerweise hat die Geschichte einen gewaltigen Haken. Die Trübungen im Whisky kommen von Aromastoffen und die sind jetzt Dank chill filtration weg und kommen nicht wieder.
Okay, wenn man ehrlich ist, die chill filtration beseitigt eigentlich nur noch die Symptome, denn die Aromen wirken im Whisky nur solange, wie sie im Whisky gelöst sind. Wenn sie anfangen, winzige Klümpchen zu bilden, die in ihrer Summe den Whisky trüben, dann sind diese Aromen aus dem Spiel längst ausgeschieden.
Deshalb kommen inzwischen immer mehr Abfüllungen auf den Markt, bei denen man entweder das magische Wort cask strength oder zumindestens 46% auf dem Label findet. Diese Prozentangabe stimmt dann häufig sogar nicht ganz, denn um auf Nummer sicher zu gehen füllen unabhängige Abfüller wie Murry McDavid mit 46,3% ab, um absolut sicher zu gehen, dass sie über der magischen Grenze bleiben.
Abfüllungen mit weniger als 46% und der Aufschrift non chill filtrated sind eigentlich Mogelpackungen, obwohl der Text non chill filtrated durchaus stimmen mag. Man filtert ein wenig wärmer und schon ist es keine chill filtration mehr.
Besonders schlau war man in der Bladnoch Distillery. Eine zehn Jahre alte Originalabfüllung mit 40% Alkohol sorgte in Deutschland in Internetforen für Irritation. Auf die chill filtration hatte man bei diesem Whisky verzichtet, was allerdings nicht auf dem Etikett stand. Die normale Trübung des Whiskys unter Kälteeinfluss blieb bei diesem Malt allerdings auch bei Normaltemperaturen bestehen. Kein Wunder, denn da war doch die magische Zahl 46. Unter 46% Alkohol beginnt sich der Whisky zu trüben, es sei denn, er wurde noch mal gefiltert. Trübung im Whisky, nur ein optischer Mangel? Die Moleküle, welche die Wölkchen im Whisky bilden, fehlen am Gaumen und in der Nase. Diese Moleküle sind nicht mehr in Lösung. Und ich bekomme sie nicht zurück, es sei den, ich würde anfangen, den Whisky im Glas durch Zugabe von Ethanol aufzuspritten oder den Inhalt des Glases vorsichtig zu erwärmen. Irgendwie wäre das eine eigenartige Vorstellung.
Aber zurück zu Ausgangspunkt Was ist denn jetzt die richtige Dosis Wasser. Versuchen Sie es doch einfach mal mit einem Whisky mit so um die 46% Alkohol, einem Whisky, wo das schöne Wort non chill filtrated das Lable ziert. Riechen Sie mal in aller Ruhe, nehmen dann das Glas am Stiel zwischen die Finger der linken Hand und drehen Sie das Glas vorsichtig, während Sie ganz behutsam Wasser hineinträufeln und zwar solange, bis sich die ersten öligen Lachen auf der Whiskyoberfläche bilden. Riechen Sie noch mal. Merken Sie den Unterschied?