Regresar a la lista
Digital Living VI - Cebit 2006

Digital Living VI - Cebit 2006

2.520 16

Ralf der Hinterwäldler


Premium (Basic), Nordschwarzwald

Digital Living VI - Cebit 2006

"Zu Besuch in der Zombiewerkstatt

Neulich war ich zu Besuch in einem Berliner Gymnasium. Ein Lehrer hatte mich eingeladen, um mit den Schülern über Literatur zu diskutieren. Ich war voller Erwartung, als ich eine Stunde mit der U-Bahn hinfuhr, aber dann traute ich mich kaum durchs Schultor. Dort lungerten Kids mit düsteren Gesichtern, die dunklen Kapuzen ihrer Pullis tief in die Stirn gezogen.

Sie rauchten müde vor sich hin. Keiner beachtete mich, als ich, eine offensichtlich Fremde, an ihnen vorbeiging, ebenso wenig die Pausenaufsicht in der Eingangshalle. Die zwei Lehrerinnen starrten durch mich hindurch, wie die Kids vorm Eingang. Ich hätte auch ein Dealer sein können oder ein Dieb. In den Gängen schlurften mir Schüler entgegen, alle mit glasigem Blick. In der Klasse schließlich hingen sie auf den Tischen, während der Diskussion fraßen sie, tranken Cola und quatschten Privates. Die Bücher, um die es ging, fanden sie doof, weil das Lesen so anstrengend sei.

Mit Aufruhr und Widerstand hatte das nichts zu tun, da war nur selbstzufriedene Verwahrlosung. Die betraf auch den Lehrer. Er lümmelte halb liegend auf seinem Stuhl, die Hände tief in den Taschen seiner schlabbrigen Jeans vergraben, und auch er hatte diesen gelangweilten Blick ins pädagogische Nichts.

Ich begann, mich über diese Kids zu ärgern, über ihre verschlampten Lehrer und auch über ihre Eltern, die ihren Kindern offensichtlich nicht einmal Umgangsformen vermittelt hatten. Deprimiert stieg ich wieder in die U-Bahn. Bloß weg.

Diese Zombies sind doch wohl nicht unsere einzige Hoffnung, unsere Zukunft: unsere Denker und Macher, unsere Professoren, Gewerkschaftsbosse und Bundeskanzler. Jetzt, wo die demographische Katastrophe sich über uns zusammenbraut, sollen plötzlich alle Kinder kriegen, möglichst schnell und möglichst viele. Das soll die Lösung sein. Aber sind denn dies die Kinder, die uns einst retten werden? Und warum sind sie so, wie sie sind?"

Quelle: Sophie Dannenberg, Schriftstellerin und ARD-Redakteurin im Deutschlandradio. Link: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/481804/

Näheres zum Enstehen und zur Intention der kleinen Serie von Cebit-Impressionen findet sich unter diesem Bild und den Anmerkungen dazu:

Digital Living I - Cebit 2006
Digital Living I - Cebit 2006
Ralf der Hinterwäldler


Kamera: Voigtländer Bessa R
Objektiv: Voigtländer Ultron 1:1,7 / 35 mm
Film: Ilford Delta 3200, belichtet mit 1600 ASA
Entwicklung: Ilford DD-X, 1+4, Kippentwicklung, 8 Min. (4xKippen bei Beginn jeder Minute)
Digitalisierung: Negativ gescannt mit Minolta Dimage Scan Elite 5400
Bearbeitung: Verkleinert, Staubentfernung, leicht nachgeschärft, Gradationseinstellung, Rahmung, ansonsten keine Bildmanipulationen.

Comentarios 16

  • Hans-Jürgen G 21/07/2006 1:58

    Der letzten Anmerkung von Ralf Brauer kann ich mich nur anschliessen und die Anmerkung von Sama Bee ist ebenso gut..! (Wir haben noch die vollgekackten Stoffwindeln ausgewaschen, Pampers gab's noch nicht.:-)) )

    Dieser letzte Absatz aus dem Link regt auch sehr zum Nachdenken an:

    "Die Politik glaubt, sich Kinder kaufen zu können, als Haushaltstitel des Familienministeriums, ordentlich etatisiert. Wenn es nach unserer neuen Familienministerin geht, wird jeder bezahlt, der so einen lebenden Rettungsreifen in die Gesellschaft schmeißt. Es ist in den letzten Jahren viel vom sexuellen Kindesmissbrauch geredet worden. Es gibt aber noch einen anderen: den demographischen Missbrauch.

    Natürlich kann man Kinder in Auftrag geben, aber dann werden sie so, wie ich sie erlebt habe. Vielleicht sollten wir uns erst mal um die Eltern kümmern, damit sie normal werden und ihre Kinder lieben können. Unsere Kinder sind doch nur so schrecklich, weil ihre Eltern so schrecklich sind: fahrig, böse und öde. Wir brauchen mehr Kinder, heißt es. Stimmt, und wir brauchen mehr - vor allem aber ganz andere - Eltern."

    Gruß Hans-Jürgen

    Ps.: Deine Cebit 2006-Serie ist Klasse...!

  • AKKraus 11/06/2006 0:17

    ja seh ich ähnlich, wir interpüretieren vermutlich nur anders.
    Die Situation für die Jugendlichen unterscheidet sich doch gewaltig von der, in der wir waren. Wir hatten Ideale und Utopien, die vielleicht naiv aber nicht schlecht waren. Es war unsere Generation, die nicht in der Lage war sie umzusetzen. Wir glaubten noch an Veränderung. Jetzt haben wir einen knallharten Konkurrenzkapitalismus, in der die "Subkultur" und kritische Auseinandersetzung verdrängt worden sind.
    Geben wir den Kids noch genügend Freiraum sich zu entwickeln, oder werden sie vom Konsum zugemüllt?
    Ich seh das Versagen eher bei uns.
    LG Alfred
  • Ralf der Hinterwäldler 10/06/2006 22:05

    Hallo Alfred,

    wahrscheinlich liegen wir gar nicht mal so weit auseinander. ;-))) Wir interpretieren nur den Text anders (ich empfehle übrigens den verlinkten Text komplett zu lesen, nicht nur den hier von mir zitierten Auszug).

    Meiner (unserer?) Generation hat man sicher nicht dasselbe vorgeworfen - eher hat man uns Rebellion vorgeworfen, aber eben eine von Idealismus und Werten getragene Rebellion. Die meisten Jugendlichen heute - und das kann ich aufgrund meiner ständigen beruflichen und privaten Erfahrungen behaupten - haben keine Ideale ... außer Konsum, "Fun" und Bequemlichkeit ... aber eben keine Ideale im herkömmlichen Sinn. Aber vielleicht sind das im Zeitalter des real existierenden Kapitalismus US-amerikanischer Prägung die neuen Ideale und Werte?

    Und nochmal: Frau Dannenberg macht nicht die Jugendlichen für diese Situation verantwortlich - ganz im Gegenteil.

    Und ich kann Dir daher auch nur Recht geben, wenn Du sagst, daß die Älteren nicht gerade beeindruckend sind. Was diese Jugendlichen heute sind, ist nur die übersteigerte Form der diese Jugendlichen prägenden Älterengeneration. Aber etwas anderes sagt Fr. Dannenberg ja auch nicht.

    Trotzdem ist jeder - auch ein Jugendlicher - in einem nicht unerheblichen Maße für sich selbst verantwortlich. Es sind nicht immer nur die anderen. Und es gibt auch genug Gegenbeispiele für diese Selbsterkenntnis und daraus resultierender Änderung der Einstellung und des Verhaltens. Alles immer nur auf die "anderen" und äußere Einflüsse zu schieben, macht es auch den Betroffenen leicht, immer wieder vor sich selbst und anderen Entschuldigungen für das eigene Fehlverhalten zu finden. Damit hilft man niemandem. Ich zumindest habe die Erfahrung gemacht, daß direkte Vorwürfe und das Nichtgeltenlassen von Entschuldigungen und das damit verbundene Wegschieben von Eigenverantwortung, eher zu einer kritischen Prüfung des eigenen Verhaltens geführt haben als sanftes und pseudo-mitfühlendes Gerede.

    Gruß, Ralf

    Übrigens finde ich es gut, daß sich hier auch mal eine etwas kontroverse Diskussion entwickelt, und nicht nur das fc-übliche Buddy-Streicheln. ;-)))
  • AKKraus 10/06/2006 21:43

    Lieber Ralf,
    Ich will hier niemandem was unterstellen. Ich folgere nur aus dem Text. Wenn ich mich unter Menschen begeb werfen die auch nicht mit Blumen nach mir. Ist Dir schon aufgefallen, daß die Menschen meist durch einen hindurchsehen, weil sie von ihren Mitmenschen nicht viel erwarten.
    Ich hab beruflich nix mit Kindern oder Jugendlichen zu tun. Den gleichen Quatsch hätte man uns auch vorwerfen können. Und es wurde auch gemacht.
    Ich wehr mich halt dagegen, daß wenn man die Kids nicht versteht, nach einfachen Erklärungen sucht.
    Ich bin auch kein Politiker und ich bin auch gerne provokativ, aber nicht in dieser Form.
    Wenn ich Jugendlicher wär, von den älteren würde ich mich genausowenig wie damals beeindrucken lassen.
    LG Alfred
  • Ralf der Hinterwäldler 10/06/2006 11:06

    @ Alfred: Der Text ist sehr bewußt ausgewählt, weil er provokativ einige unbequeme Wahrheiten anspricht. Einer Sophie Dannenberg ein Niveau knapp über der Bildzeitung zu unterstellen, ist für mich reichlich fragwürdig (und das ist jetzt sehr vorsichtig ausgedrückt). ;-)

    zu 1) Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Frau Dannenberg auf die Aufmerksamkeit von Halbwüchsigen angewiesen ist. ;-) Von daher halte ich nichts von solchen persönlichen Unterstellungen. Ich denke auch, daß es genug Untersuchungen darüber gibt, wieviele Kinder sich tatsächlich noch mit Büchern und Literatur beschäftigen, von daher ist dieses Desinteresse nicht verwunderlich ...

    zu 2) Also irgendwie habe ich in dem gesamten Text kein negatives Urteil über Computer gefunden. Die Autorin schreibt nur am Rande und etwas verklausuliert, daß Kinder von den Eltern vor den Computer abgeschoben werden ... oder vor den Fernseher ... oder ...

    zu 3) Wenn Kinder, die einen großen Teil ihrer Freizeit vor der passiven Dauerberieselung durch einen Fernseher zubringen, oder nur noch mit dem Computer statt mit anderen Kindern spielen, dann dürfte das das Sozialverhalten, das sie eigentlicht nie richtig lernen, wesentlich stärker beeinflußen als irgendwelche Perspektiven, die sie in dem Alter noch gar nicht wahrnehmen, geschweige denn verstehen.

    Ich weiß nicht, ob Du viel mit Kindern oder Auszubildenden zu tun hast. Aber diese - mir gefällt dieser treffende Ausdruck - "selbstzufriedene Verwahrlosung" ist aus meiner ganz normalen Erfahrung keine Einzelerscheinung, sondern leider zu einem großen Teil üblich. Unmögliche Umgangsformen, die von keinerlei Respekt und Achtung gegenüber anderen zeugen, Desinteresse und Disziplinlosigkeit (wieder ein ach so schlimmes erzkonservatives Wort), fehlende Einsatzbereitschaft und schlichtweg zum Himmel schreiende Bildungslücken (weißt Du wieviele Azubi-Bewerber nicht einmal einen simplen Dreisatz hinbekommen?) sind an der Tagesordnung.

    Die Ursachen sind vielfältig und Frau Dannenberg spricht genug davon an, weshalb es sich lohnt, den ganzen verlinkten Text zu lesen. Aber ich weiß, daß man auf viele Mißstände in diesem Lande aus Gründen der politischen Korrektheit inzwischen nicht mehr deutlich hinweisen darf. Ich bin kein Politiker oder auch nur politisch aktiv, von daher darf ich das ... und dabei bin ich gern provokativ. ;-)))

    Und gegen Computer kann ich als IT-ler ja auch nichts haben. ;-))) Es kommt - wie Du schreibst - nur darauf an, was man daraus macht und wie man sie einsetzt.

    Gruß, Ralf
  • AKKraus 09/06/2006 17:28

    das Bild ist ok, der Text von Dir womöglich bewußt ausgewählt, weil er provokant, tendenziös und vom Niveau knapp über der Bildzeitung liegt.
    1 Man hat den Eindruck, die Autorin hat ein Problem damit, daß ihr nicht die gewünschte Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird.. Muß nun wirklich nicht an den Kids liegen.
    2. Die Compter sind an allem schuld - auch daß die Kinder zu Zombies mutieren. Ist mir zu verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen. Ich bin nach wie vor der Ansicht, daß es darauf ankommt, was man aus den Medien macht, und wie man sie einsetzt.
    3. Was beeinflußt das Sozialverhalten der Kids ärger, die Computer oder die Tatsache, daß sie keine oder nur die Perspektive haben zu funktionieren und so viel wie möglich durch Konsum zu kompensieren.
    LG Alfred
  • Sama Bee 07/06/2006 20:28

    zwiespältige gefühle, die dein bild da aufwirft.
    und sehr gesund, deine meinung dazu!
    der kinder-in-watte-link ist soooo klasse.... ja! genauso isses! :-D
    man kann natürlich auch den umkehrschluss ziehen.... vielleicht haben wir auch alle nen kleinen vernachlässigungs-schaden, weil unsere mütter noch die vollgekackten stoffwindeln auskochen mussten, statt uns die pampers-easy-up-windelhöschen vom allerwertesten zu reißen.... ? wer weiß? ob diese und ähnliche folgeschäden wohl schon in langzeitstudien in beide richtungen hinlänglich psychologisch beleuchtet wurden....? ;-))))


  • Steffen Froehlich 07/06/2006 18:09

    Ralf, das hast Du sehr gut ausgewaehlt!
  • † Rolf Rock 07/06/2006 16:31

    eine perfekte Serie lieferst du uns hier. Ich muß sie mir noch einmal in Ruhe anschauen, denn sie ist umwerfend gut gemacht.
    Schön, daß du sowas einstellst
    LG Rolf
  • Ralf der Hinterwäldler 07/06/2006 13:30

    @ Helmut: Warum so heftig? Das, was Kati geschrieben hat, ist doch die Realität. Über die Ursachen kann man stundenlang philosophieren, aber ich sehe die Anmerkung von Kati ganz einfach als Tatsachenfeststellung, die noch dazu bedauert wird. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist weder naiv, noch unsinnig, noch erzkonservativ. Das ist Realität.

    @ alle: Schön, daß ich doch den richtigen (= provokativen) Text ausgesucht habe. Habe lange überlegt, ob ich das hier posten soll, aber an den Kommentaren kann man erkennen, daß es wirkt. ;-))

    Wer übrigens unter dem oben genannten Link den vollständigen Text von Sophie Dannenberg liest, wird feststellen, daß dies kein Generalangriff auf die heutige Jugend ist, sondern daß die Ursachen dieser Entwicklung von ihr sehr kurz und treffend beschrieben werden.

    Mir geht es nicht darum, in einem "früher-war-alles-besser"-Ton oberlehrerhaft die Jugend schlecht zu machen. Aber in diesem Fall war früher tatsächlich alles besser - zumindest meiner bescheidenen Meinung nach. Sicher gab es schon immer diese Klagen über die Jugend - so kennen wohl die meisten auch die Worte, die schon Sokrates über die "Jugend von heute" gefunden hat. Aber seit Ende der 70er Jahre hat sich hier schleichend ein extremer Wandel im Verhalten von Jugendlichen vollzogen, der sich noch bei keiner Generation vorher so krass gezeigt hat.

    Die Ursachen sind von einigen von Euch treffend dargestellt worden. Gerade der Kommentar von Wolfgang Gehrmann gefällt mir persönlich hierzu besonders gut.

    Etwas augenzwinkernder stellt diese ganze Misere der inzwischen wohl im ganzen Web kursierende Text "Kinder in Watte" (z.B. hier: http://www.wanne-eickel.info/Fundgrube/Jugend/jugend.html ) dar.

    Gruß, Ralf
  • Wolf Gehrmann 07/06/2006 9:30

    Als Zustandsbericht, als Auswirkung einer bestimmten Richtung ist Foto und Text OK. Denn der Hund liegt wie so oft woanders begraben. Die Kinder / Jugendlichen sind nicht " Schuld ", Schuld sind sind die, die die Richtungen vorgeben. Politik, Kirche, Wirtschaft, Medien und Elternhaus. Machen wir uns nichts vor; wie gehen wir mit unseren Kindern, wie mit den Alten um? Wenn man Profit predigt, nur dem Geld hinterherläuft, wenn die, die nichts haben auf der Strecke bleiben.
    Wenn man die Umwelt zerstört, natürliche Lebensräume plattmacht.
    Was erwarten wir von unseren Kindern?
    Gruß
    Wolfgang
  • Jad Lag 06/06/2006 21:16

    dem ist nichts hinzuzufügen... treffend bis ins mark...
  • † stockhausen 06/06/2006 21:08

    Ein treffendes Situationsfoto, das auch für die Freizeitgestaltung unserer Kids steht. Zumindest teilweise. So ändern sich die Zeiten ...
    Viel bedrückender finde ich die Situation, die in dem Text geschildert wird und hauptsächlich für viele der allgemeinbildenden Schulen auch weitgehend Realität ist, abhängig vom sozialen Umfeld. In der Berufsschule, wo ich arbeite, ist die Situation zwar nicht ganz so krass, aber in vielen Bereichen doch von Jahr zu Jahr deutlicher spürbar ... irgendwas läuft falsch in unserem Lande, und das liegt nicht unbedingt am Bildungswesen. Die Wurzeln gehen tiefer.
  • Little Sweetheart 06/06/2006 20:32

    tja, das ist diue freizeitgestaltung der heutigen jugend...
    irgendwie schade....
    lg kati
  • Carsten Heyer 06/06/2006 20:27

    Du schreibst mir hier sowas von der Seele ! Und das Bild dazu ist perfekt abgestimmt.
    L.G.
    Carsten