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...dort wo sich die Wege kreuzen...

...dort wo sich die Wege kreuzen...

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Th. G.


Premium (Pro), Aus fernen Welten

Comentarios 4

  • Th. G. 18/10/2006 22:11

    @J Py...
    vielen Dank für diese kleine Geschichte. Ich hoffe viele nehmen sich noch die Zeit sie zu lesen....

    ThG
  • J Py 18/10/2006 16:54

    Wegkreuzungen sind überall,
    nicht alle nutzen sie !
  • J Py 18/10/2006 16:54

    Die Wegkreuzung

    Hoch oben in den Bergen wuchs ein Kind auf. Spielte sich in klarer Luft und sattgrünen Wiesen zum Mann auf. Packte eines Tages sein kleines Bündel und sagte zu Vater und Mutter, daß er gehen wolle, um das Meer zu sehen .Denn während seiner Jugend hatte er sich nichts sehnlichster gewünscht, als einmal im Leben seinen Körper in das schäumende Meerwasser legen und auf den Lippen den salzig frischen Atem des Meeres spüren zu können.

    Der junge Mann ging den vertrauten Weg hinab ins Tal. Aber er hielt nicht in jenem kleinen Dorf, in dem er immer seine Milch verkauft hatte. Er hielt auch nicht bei der kleinen Sennerhütte, wo er als Kind immer Süßigkeiten bekommen hatte. Er ging weiter. Weiter als er je gegangen war an der Hand seines Vaters. Er ging weil er ein Ziel hatte. Das schäumende Meer. Oft wurde er eingeladen, doch ein wenig auszuruhen und manchmal wurde ihm auch abgeraten, weiter zu gehen. Der Weg zum Meer sei weit und beschwerlich, wurde ihm gesagt. Aber er ließ sich nicht beirren. Er ging weiter auf den Weg, der ihm zum Meer führen sollte.

    Eines Tages kam er an eine große Wegkreuzung. Der Weg, dem er bisher gefolgt war, gabelte sich vor einem großen Gebirge in vier Pfade, von denen zwei links und zwei rechts um die Berge herumzuführen schienen. Der junge Mann wußte nicht weiter und setzte sich mitten auf die Kreuzung, um zu rasten, Brot zu essen und Wein zu trinken. So saß er lange Zeit auf der Erde und konnte sich für keinen der vier Wege entscheiden. Jeder schien ihm ungewiß.

    Eines Tages kamen Fremde an die Kreuzung und fragten den jungen Mann, was er denn hier mache.

    "Ich bin unterwegs ans Meer", gab er Auskunft, "aber mein Weg endet hier, nun weiß ich nicht , welche Richtung ich wählen soll."

    "Dann komm doch mit uns", sagten die Fremden, "wir sind unterwegs in eine Stadt, die nur einige Stunden von hier entfernt ist."

    Aber der junge Mann wollte ans Meer, im warmen Sand sitzen, sich von der wilden Kraft der Wellen umschäumen lassen und den salzig frischen Atem des Meeres auf den Lippen spüren.

    Wieder saß er lange Zeit allein und konnte sich für keinen der Wege entscheiden. Viele Tage später kam ein einsamer Wanderer und setzte sich zu ihm. Er erzählte was er alles erlebt hatte auf seiner Wanderschaft, wo er überall gewesen war, und was er alles erfahren hatte. Er aß mit dem jungen Mann Brot und trank mit ihn Wein. Und irgendwann fragte er ihm, ob er nicht mitkommen wolle. Er sei unterwegs zu einem Wald ganz in der Nähe, um dort zu jagen. Aber der Mann auf der Wegkreuzung sagte auch ihm, daß er nicht in den Wald, sondern ans Meer wolle.

    Die Wochen vergingen, und mit ihnen wechselten die Jahreszeiten. Der Mann saß auf dem Platz zwischen den Wegen und sah den Wolken nach, die sich übers Gebirge jagten und bunte Blüten der Phantasie an den Himmel malten.

    Eines morgens wurde er von Fremden geweckt, die unterwegs zu Bauern waren. Sie fragten ob er nicht mitkommen wolle, um bei der Ernte zu helfen. Und weil der Mann schon so lange untätig dort gesessen hatte, entschied er sich, dieses Mal mit den Fremden zu gehen. Sie kamen in ein kleines Dorf, und den ganzen

    Herbst half er, die Ernte einzufahren. Es gefiel ihm gut bei den Bauern. Nur eine Sehnsucht blieb in ihm und wuchs und wuchs, während der Winter die Landschaft in stille weiße Träume verpackte.

    Er wollte ans Meer. Und deshalb packte er an einem klaren Frühlingsmorgen sein Bündel und sagte den freundlichen Bauern, daß er wieder gehen wolle, denn er sei unterwegs ans Meer.

    Danach ging er seinen Weg zurück, bis er wieder an die große Kreuzung kam. Ratlos setzte er sich.

    Wenn er nur wüßte welchen dieser Wege er wählen solle, um endlich an das Ziel seiner Sehnsucht zu kommen. Sehr lange saß er an der Wegkreuzung, biß nach Wochen eine Frau kam, die unterwegs war in ein kleines Dorf. Sie wollte dort ihre Sachen verkaufen, erzählte sie und fragte den Mann ob er nicht Lust hätte sie zu begleiten. Und weil dieser wußte, daß er allein zu keinem Entschluß kommen würde, ging er mit der fremden Frau ins Dorf. Er half Hemden und Hosen nähen und auf dem Markt verkaufen. Aber immer blieb in ihm die Sehnsucht nach dem Meer. Eines Tages hielt er es nicht mehr aus. Wieder packte er seine Habseligkeiten zusammen, verabschiedete sich von der Frau und wanderte zurück an jene große Kreuzung. Hier war ihm inzwischen schon alles so vertraut. Er suchte sich wieder seinen alten Platz und machte es sich gemütlich. Dann saß er dort, fast unbeweglich, eine lange, lange Zeit. Sein Haar war inzwischen dünn und grau geworden. Sein Rücken beugte sich immer mehr unter der Last der sich Ständig wiederholender Jahreszeiten. Noch immer wußte er nicht weiter, konnte sich einfach entscheiden, welchen dieser Wege er denn nun gehen sollte. Manchmal glaubte er in stillen, schlaflosen Nächten ein leises, fernes Rauschen zu hören, als ob das Meer ihn rufen würde. Und wenn der Nachtwind mit lauem Hauch von den Bergen strich, vermeinte er sogar auf seinen Lippen einen zarten salzigen Geschmack spüren zu können.

    Es war eine solche Nacht, als er sich entschloß, einfach die Berge hinaufzusteigen. Die Wanderung war sehr beschwerlich. Durch beängstigend verwirrende Felsengärten, dichtes Unterholz und über steil abfallende Grate führte ihn der Weg nach oben. Manchmal glaubte er auch, seine Kraft würde nicht mehr ausreichen. Immer schwieriger schien es, sich die steilen Hänge emporzuquälen, um wieder feststellen zu müssen, daß hinter dem erklommenen Gipfel der nächste auf ihn wartete. Und dann endlich – er hatte schon fast nicht mehr daran geglaubt – stand er ganz oben. Der Wind packte sein langes graues Haar, zerwühlte es mit klammen Fingern und riß an seinen Kleidern. Er öffnete den Mund, um diese Gewalt in sich hineinzusaugen. Und endlich öffnete er seine Augen und blickte sich um. Tief unten entdeckte er, ganz klein jetzt, die Wegkreuzung auf der er so lange gesessen hatte. Er sah die vier Pfade, die sich dort unten verzweigten. Der eine führte in eine große Stadt, direkt auf den Marktplatz und darüber hinaus. Der andere schlängelte sich durch einen dichten Wald, nahe an ein kleines Häuschen. Aber auch er endete dort nicht. Der dritte wahr ihm bekannt:

    Er wand sich in das Tal zu den Bauern, denen er bei der Ernte geholfen hatte, kletterte dann über einige kleine Hügel und führte weiter in eine fruchtbare Ebene. Und der vierte traf auf jenes kleine Dorf, in der er Hemd und Hosen geschneidert hatte. Doch auch dieser zog durch das Dorf hindurch und weiter. Der alte Mann stand auf dem Gipfel des Berges und zitterte. Die vier Wege trennten sich vor dem Gebirge, umringten es und näherten

    sich einander in einer weiten Ebene., vereinigten sich und setzten ihre Reise fort bis zum Meer, in dem sich weit entfernt der Horizont zu spiegeln schien. Der alte Mann saß hoch oben auf dem Felsen, die vor ihm steil abbrachen und dort hinten, jenseits der Ebene, verlor sich sein suchender Blick in der Unendlichkeit des Meeres.

    Je länger er schaute, um so deutlicher glaubte er das schäumende Wasser zu sehen. Er meinte fast die tosende Kraft der Wellen zu spüren, die weit vor ihm in die zerfurchte Klippen schlugen und zersprangen. Aber er konnte nichts hören, so weit weg stand er, hoch oben auf dem Gipfel und wußte, er hatte nicht mehr die Kraft zurückzugehen an jene große Wegkreuzung, wo er so lange gesessen hatte. Zurück, um irgendeinen Weg zu wählen, der ihn ans Meer bringen würde. Er hatte keinen dieser Wege gewählt, war keinen bis zum Ende gegangen. Erst hier, hoch oben auf den Felsen, erkannte er, daß jeder dieser Wege ans Meer geführt hätte. Und plötzlich wußte er:

    Niemals in seinem Leben würde der salzig frische Atem grenzenloser Weite seine Lippen netzen. Und niemals in seinem Leben würde er das wild schäumende Wasser des Meeres auf seinem Körper spüren.
  • Andre Helbig 18/10/2006 10:46

    sehr gut gestaltet (aber auch etwas unscharf)
    Würde nach meiner Ansicht besser in Schmerz und Leid passen ..

    °a°