Ein Nachmittag an der Siegstrecke 1975, op. 5
Nach dem, ich glaube E 3393 hieß er, der in Au geteilt wurde, war pünktlich um 16.48 Uhr aus Troisdorf die Anfahrt der 052 908 zu hören. Im Februar ist um diese Zeit das Licht schon ziemlich knapp, und ich musste auf Blende 2.8 heruntergehen, was hinten links in der fehlenden Tiefenschärfe sichtbar wird. Trotz Streiflicht kann man den oceanblau-beigen Bm 232 mit der alten Farbtrennung hinter der Lokomotive erkennen.
Für die 86,5 km von Troisdorf nach Siegen waren exakt 90 Minuten vorgesehen, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 60 km/h entspricht. Auf den 5 km zwischen Troisdorf und Siegburg hatte der aus bis zu 12 Reisezugwagen bestehende Zug auf dem eingleisigen Abschnitt die 80 km/h bald erreicht, wie an der niedergedrückten Dampfwolke zu erkennen ist, womit er dann durch Siegburg donnerte. Man muss bedenken, dass es in‘s Siegtal fast kontinuierlich bergauf geht, und auch die 50er mit 500 bis 600 Tonnen die 80 km/h nicht durchgehend halten kann!
Auf einer dieser Fahrten ging es einem Mitglied des Lokpersonals nicht gut und er musste in den Kabinentender verfrachtet werden mit dem Ergebnis, dass ich vom Bahnsteig in Troisdorf als stämmiger 16-jähriger wegengagiert wurde und die Leistung schüppen musste, während der Herr auf der rechten Seite Strecke und Wasserstand beobachtete und mir zurief: "Feuern! oder Steigung! Schüppen! vorne usw." Hinter Hennef zeigte er auf den Tacho, der bei 100 km/h zitterte und brüllte: "Wir liegen gut!" Am Schladener Berg hatten wir noch gut 60 km/h drauf. Nur etwas dampflokerfahrenere Leser mögen nachvollziehen, wie es auf dem Führerstand einer Lokomotive der BR 50 bei über 80 km/h hergeht - die Lok vibriert so dermaßen, dass man keinen festen (Führerstands-)Boden mehr unter den Füßen hat.
Bis Au/Sieg musste der Plan zumindest gehalten werden, sonst bekam man "Etwas" vorgesetzt - irgendeinen "N" soundso mit 798, und der Fahrplan war zum Teufel! In Siegen pünktlich angekommen, entspannte sich die Lage schlagartig und es wurde gemütlich. Erst wurde Wasser genommen und dann ging es an den N 2536 nach Betzdorf (18.36-18.59 Uhr). Dort wurde ich nach kurzem Gespräch meines Lokführers mit dem Triebwagenführer eines 798, (als Entlohnung kostenlos) nach Troisdorf zurückverfrachtet! Später habe ich erfahren, dass ich laut Wiegezettel in diesen zwei Stunden ziemlich genau zwei Tonnen Kohle in die Feuerbüchse geschüppt habe...
makna 05/05/2017 10:15
Alle Achtung: Als 16-jähriger zwei Tonnen Kohle geschippt ... und: Fahrplan gehalten !!!Dieses Erlebnis kann ich nachvollziehen, habe ich doch bei Lok des Bw Aalen (78er)
auch schippen dürfen, und bin auf 50ern auch (aber nur so) mitgefahren ... :-)
Dein Motiv, das ich heute erst sehe (bin erst seit Mai 2012 n der fc), und die Story
sind absolut erstklassig !!!
BG Manfred
BR 45 29/06/2012 11:12
Hallo ThomasRespekt vor Deiner Leistung auf dem Führerstand !
Hattest Du da irgendwelche Vorkenntnisse in Sachen Heizer oder wurdest Du ins "kalte Wasser" geschmissen???
Heute wäre so etwas gar nicht mehr vorstellbar.
Das Foto haste klasse hingekriegt.
Grüsse Andy
Stephan Schenk ( `Der Leitermann` ) 12/05/2012 15:04
Dein Foto zeigt sehr schön das Tempo an welches hier am Zug anliegt. Eins sauberes Foto - schön!Sehr viel spannender finde ich Deine Erzählung dazu. Ich bin begeistert ob einer solchen Geschichte! Keine gängelnden Vorschriften, einfach pragmatisches Vorgehen. Obwohl ich mich schon wundere über diees freizügige Engagement - aber wer als Jugendlicher täglich an der Strecke ´herumhängt´ ist letztendlich auch den Personalen (optisch) vertraut. Sodaß ich´s mir gut vorstellen kann. Mir erging es einmal ähnlich. Ständig auf meinem Heimatbahnhof ´hängend´, der Bahnsteigaufsicht bestens bekannt erhielt ich ebenso einmal ein Angebot Wolfen-Dessau und zurück mit einer 244er (E44) mitzufahren. Hatte mich letzendlich aber nicht getraut wildfremd aufzusteigen. Ich war irgendwas zwischen 12 und 15Jahren alt. Heute ärgert man sich, dem Sohn würde ich´s heut aber auch nicht gut heißen.
beste Grüße, Stephan
CyranoPuschkin 03/02/2012 14:02
Abgesehen vom makellosen Foto, gefallen mir besonders, die Hintergrund-Geschichte(n) und die fundierten "Anmerkungen".Lutz Käppler 02/02/2012 19:16
Eine hervorragende Aufnahme! Genau im richtigen Moment abgedrückt, was bei 80 km/h und bei diesem Motiv erwähnenswert ist. Eine 50er mit Schnellzug in voller Fahrt - das sieht man nicht alle Tage!Gruss Lutz
Maschinensetzer 02/02/2012 10:24
Ursprünglich war der Militärschnellzug eine Gremberger Leistung! Das Bw Gremberg hatte 1968 die letzten 03er von Mönchengladbach zum "Aufbrauchen" bekommen: 03 077, 111, 220, 260, 268 und 276. Mit den Lokomotiven wusste man im Güterzuglokbahnbetriebswerk Gremberg nichts anzufangen und sie wurden fast ausschließlich vor dem Militärschnellzug und im Bauzugdienst eingesetzt. Ende Dezember 1970 wurden die letzten 03er in Gremberg abgestellt und die Leistung des Dm wurde kurzzeitig von der BR 215 des Bw Köln-Nippes übernommen. 03 268 und 03 276 kamen bekanntermaßen 1971 nochmals in Ulm an's Laufen.Im August 1970 hatte das Bw Gremberg die letzte kohlegefeuerte Lokomotive der BR 41, 41 293 von Eifeltor erhalten, und der Militärschnellzug wurde mit ihr Anfang 1971 wieder dampfgeführt! Dieser Einsatz endete am 4. Februar 1971 und mit der Gremberger Wannentenderlok 052 428 wurde die Leistung von der BR 50 übernommen, die zur ständigen Planlok wurde. Für die Bevorzugung der Wannentenderlok habe ich vom Personal mehrere Gründe gehört: die Lok lief bei hohen Geschwindigkeiten ruhiger - sie hatte mehr Vorräte - sie konnte rückwärts schneller gefahren werden, da die Rückleistung meist ohne Drehen als Lz erfolgte.
Ende 1973 ging die Leistung des "Belgiers" auf das Bw Betzdorf über und man experimentierte zuerst etwas herum, wohl, weil man sich über die Reichweite der Vorräte nicht sicher war: Zuerst wurde Lz von Betzdorf nach Gremberg gefahren, dort gedreht und die Vorräte ergänzt, um dann in Troisdorf den Dm 80045 zu übernehmen. In dieser Phase kam die heruntergekommene 050 912 oft zum Einsatz.
Es stellte sich aber heraus, dass das Wasser problemlos für die Leistung ohne Restauration in Gremberg ausreichte und somit letztlich Lz rückwärts von Betzdorf nach Troisdorf gefahren wurde, um dort den Zug zu übernehmen. In diese Zeit fielen auch einige probeweise Einsätze der BR 44 vor dem Schnellzug, die aber nicht befriedigend waren, da das Dreizylindertriebwerk bei dem "geringen" Zuggewicht und der hohen Geschwindigkeit unbefriedigend und unwirtschaftlich arbeitete.
Ein Urteil darüber, ob jetzt die BR 03, 41, 44 oder die 50er am besten für den Zug geeignet war, habe ich nie gehört. Da der Zug die 86,5 km planmäßig ohne Zwischenhalt fuhr, hatte auch die BR 03 keine Probleme mit Anfahren und Beschleunigen und konnte auf den 100-km/h-Abschnitten "losrennen" und die 550 Tonnen mit Schwung in die Steigungen fahren!
Viele Grüße
Thomas
Thomas Reitzel 02/02/2012 0:10
Zunächst: Ein spitzenmäßiges Foto, das zeigt, wozu die Fuffziger hergenommen wurde, und das gar nicht selten, sondern planmäßig. Da gab es sogar Schnellzüge, die abschnittsweise hinter einer 50er hingen. Klar, mehr als 80 Sachen waren offiziell nicht drin, aber was ohne Indusistreifen abging, das deutest Du hier an.Wobei: 100 kmh - das kann auch an abgefahrenen Radreifen liegen!
Aber egal wie, solch ein Zug fordert natürlich auch eine 50er, eine 01 wäre kaum auf Hg gekommen damit und eigentlich nur eine 44er wäre das adäquate Triebfahrzeug gewesen. - Von der Laufruhe ganz abgesehen! Die 41? Vielleicht!
Auch schön, diesen Bm 232(und zwar noch ohne Zierlinie unten und mit schwarzem Längsträger) da hinter dem Kabinentender hängen zu sehen, das gab es wirklich nicht mehr oft!
Und das Vorsignal ist die rechtsseitige Abrundung, scharf genug auch bei 2,8.
Einfach Klasse.
VG, Tom
Michael PK 01/02/2012 21:42
Meinen Glückwunsch zu Deiner Leistung als Heizer,da bist Du abends bestimmt glücklich und zufrieden eingeschlafen.Mit einer 50er mehr als achtzig,dies ist schon beachtlich.Ein gutes Bild dann noch zum Text dazu.Dieter Jüngling 01/02/2012 21:28
Klasse Beschreibung für ein super Foto.Gruß D. J.
Klaus Kieslich 01/02/2012 21:24
Top historische Aufnahme und sicherlich auch eine solche körperliche LeistungGruß Klaus