Entomophaga grylli: Ein (aus evolutionärer Sicht) schlauer Neuroparasit
Aufmerksamen Beobachtern fällt vielleicht auf, dass in manchen Gebieten derzeit viele eigentlich sonst nur am Boden lebende Blauflügelige Ödlandschrecken (Oedipoda caerulescens)
https://www.deutschlands-natur.de/tierarten/heuschrecken/blaufluegelige-oedlandschrecke/
und auch einige andere Heuschreckenarten oben an Stängeln oder Pflanzen zu finden sind.
Auch fliehen die Tiere häufig nicht – denn sie fast oder bereits ganz tot.
Der Grund ist ein Pilz und zwar der Neuroparasit Entomophaga grylli (einen deutschen Namen gibt es noch nicht).
„Der Pilz bewirkt mehrere Verhaltensänderungen des Wirts. Die Neigung der Heuschrecken zum Ortswechsel bei dichten Populationen sinkt, so dass der Pilz sich lokal besser ausbreiten kann. Vor dem Tod versucht die befallene Heuschrecke einen erhöhten Platz, wie die Spitze einer Pflanze, zu erklettern und sich dort festzuklammern, von wo aus sich die Sporen von Entomophaga grylli besser ausbreiten können, der Befall wird daher auch „Gipfelkrankheit“ genannt. Dies geschieht in der Regel in den Abendstunden, wenn die Sporenausbreitung durch erhöhte Luftfeuchtigkeit begünstigt wird. Einige Heuschreckenarten können durch aktive Änderung der Körpertemperatur (Sonnenbaden) das Pilzwachstum verhindern oder zumindest bremsen.
Die Vermehrung findet in Form von zellwandloser Protoplasten im Innern der Heuschrecke statt, zunächst außerhalb der Zellen oder im Fettkörper, zur Bildung von Sporen bildet der Pilz Hyphen mit Zellwänden. Muskulatur und lebenswichtige Organe werden erst nach dem Tod des Wirts befallen. Das Mycel besteht aus einfachen, meist nur wenig verzweigten Schläuchen. Die Konidien sind 34 bis 40 µm lang und 25 bis 37 µm breit, die runden Dauersporen haben einen Durchmesser von 34 bis 40 µm.
Die Infektion der Heuschrecke erfolgt durch Sporen, die durch die Cuticula in den Körper eindringen, wo die Vermehrung des Pilzes stattfindet, das Abdomen wird dadurch aufgebläht und gestreckt, so dass die Pleuralhäute sichtbar werden und ein Streifenmuster entsteht. Der Pilz bildet sowohl Dauersporen als auch infektiöse Konidien, abhängig u. a. vom Alter des Wirts und der Temperatur. Die Verbreitung erfolgt durch Kontakt des Wirts mit anderen Tieren, über Prädatoren sowie durch aktives Wegschleudern von Sporen. Im Innern des Kadavers können Dauersporen mehrere Jahre überdauern, Konidien an der Außenseite können zu einer Kette von Infektionen im selben Jahr führen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Entomophaga_grylli
Richtig klasse – aus evolutionärer Sicht – ist auch dieser Artikel:
„10 Parasiten, die Tiere zu Zombies machen“
https://www.spektrum.de/wissen/10-parasiten-die-tiere-zu-zombies-machen/1400088
Übrigens: Wer meint, dass Menschen nicht von Neuroparasiten befallen werden können, irrt sich.
Hessen, Südhessen, Mühlheim am Main, Gailenberg, 07.08.20.
Nikon D300, Nikkor Micro AF 4/200, aus der Hand.
Willy Brüchle 10/08/2020 9:53
Prima aufgenommen. Wieder was gelernt. Bei uns hängen nur Hunderte kleine Schnecken tot auf den Stängeln. MfG, w.b.Maria J. 10/08/2020 9:21
Die hängenden Fühler sind sicher schon ein schlechtes Zeichen. Der Pilz hat bereits ganze Arbeit geleistet.Eine traurige Geschichte ....
LG Maria
Daniela Boehm 09/08/2020 16:16
Lustig mit den Fühlern nach unten ! Liebe Grüße Dani.