4.981 4

Feuerleiter...

Es war ein Uhr morgens als er vom Telefon aus dem Schlaf gerissen wurde. Benommen langte er nach dem Hörer. Dann brachte er ihr das Telefon in ihr Schlafzimmer. Es war ihr Telefonat…..

Sie meldete sich. Es war Tony. Ferngespräch. Diesmal aus Ankara. „Tony, ich hab dir doch gesagt, dass du mich nicht ständig anrufen sollst. Ich habe eine Entscheidung getroffen. Was soll das?“ „Warum sagst du das dauernd? Ich will dich ja längst nicht mehr. Ich hab's sowieso von vorn herein gewusst..... Hey, glaub‘ ja nicht, dass du die einzige bist! Und wer glaubst du, wer du überhaupt bist? Aber zuhören könntest du mir noch einmal. Wenigstens dieses eine Mal noch!“ Er war betrunken. „OK. Dieses eine Mal. Schieß los.“
„Wie geht es dir?“
„Warum fragst du mich das andauernd? Es geht mir gut. Es geht uns beiden gut. Hör mal, ich habe keine Lust, dir dauernd Rede und Antwort zu stehen über die Dinge, die ich tue. Es geht dich nichts an. Ende des Monats fliegen wir in den Urlaub. Nach Gran Canaria.“ Eine lange Stille am anderen Ende der Leitung. „Weißt du noch als wir in dieser Bar waren? Beim Tanzen. Du konntest es nicht leiden wenn ich dich zu fest hielt.“ „Ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn mich jemand hält beim Tanzen.“ Nervös fuhr sie sich durch die Haare. Sie wollte allein sein damals in der Bar - eigentlich wusste sie gar nicht mehr, warum sie an diesem Abend überhaupt hingegangen war. „Du bist eine blöde Zicke! Aber ich wusste es ja gleich. Wieso hast du überhaupt mit mir getanzt?“ Sie fragte sich, wie viele Betrunkene auf der Welt in diesem Augenblick an die Wand starrten, plötzlich zum Telefonhörer griffen und eine Nummer wählten um einer unvergessenen Liebe, einer Emotion, ihrer eigenen Fata Morgana, in den Ohren zu liegen. Sie sagte nichts. Wartete. Fragte sich, warum sie den Hörer nicht einfach auflegte…..
„Du bist einfach abgehauen. Sogar deine Sachen hast du dagelassen. Was habe ich denn gemacht? Kannst du mir das wenigstens sagen? So, dass ich es auch verstehe?“ „Oh, du wolltest mich fesseln, hast über seltsame Spielchen geredet und so weiter….. hast du das vergessen?“ „Quatsch! Ich meine, du hast schließlich damit angefangen…. Warum hast du überhaupt angefangen, davon zu labern?“ „Ich habe dir eine Geschichte erzählt, von einer Freundin, eine Geschichte, die mir richtig, richtig Angst gemacht hat. Und du warst nicht abgeneigt. Ganz im Gegenteil. Du fandst das amüsant und ganz lustig! Du hast mir Angst gemacht!“
„Ich meine, man wird doch mal fragen dürfen! Was weiß ich denn, wie du drauf bist! Ich wollte dich nur glücklich machen. Und ich habe es überhaupt nicht ernst gemeint! Du verstehst überhaupt keinen Spaß! Wo ist nur dein Humor geblieben?“

Die Digitalanzeige des Weckers auf ihrem Nachttisch blinzelte sie an. Sie hätte ihm sagen können, dass sie es plötzlich gewusst hatte, dass dieser eine Satz von ihm schließlich ausgelöst hatte was ihr sowieso längst klar geworden war…… Dieser Satz, und als sie gehen wollte, hatte er sie gepackt, ihren Kopf fest, viel zu fest, zwischen seinen Händen, hatte sie ein zweites Mal gepackt, als sie seine Hände fortgenommen hatte …… „Hallo? Sag mal, bist du noch dran?“ Die Digitalanzeige sprang auf halb zwei. Sie legte den Hörer zur Seite und ging ans Fenster. Der Hof war dunkel. Ihr Kater saß auf der Feuerleiter. Es schneite leicht, und sie sah eine Weile den Schneeflocken zu, die im Licht der Straßenlaterne tanzten. Der Ton eines Martinshorns verhallte in der Ferne. Sie legte den Hörer auf und knipste das Licht aus…..


Lost Radikals, Midnight Calling....https://www.youtube.com/watch?v=0sN1GC67H4Q

Comentarios 4