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Fränkisches Känguru

Fränkisches Känguru

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W.H. Baumann


Premium (World), Fichtelgebirge

Fränkisches Känguru

Eine Geschichte z.T. in fränkischer Mundart, erschienen 1998 in der Frankenpost/Münchberg Helmbrechtser Zeitung. Frei nach einer wahren Begebenheit. Die einst im Fichtelgebirge beheimateten Kängurus (oder vielmehr deren Nachkömmlinge) , von denen hier die Rede ist, sind inzwischen in Pottenstein in der Fränkischen Schweiz gelandet.

http://www.youtube.com/watch?v=_psx4POJfp0

Jagdszenen aus Oberfranken.

Babette Schnabel schnappte aus dem Schlaf. Was war das eben für ein seltsames Geräusch vor dem Fenster? Ein Rascheln und Scharren, begleitet
von einem pingponghaften Auf und Ab war da deutlich zu vernehmen, gleich Federballspielern. Sah die 78-jährige auch nicht mehr so gut, so war auf ihre Ohren noch immer Verlaß! Geübt im Aufspüren von, in Fleischerläden gezischelten Gerüchten aller Art, hellhörig beim Anprangern von Tönen spielender Kinder oder betrunkener Sozialfälle. Nein, Babette Schnabel hatte sich nicht geirrt, da ging etwas im Garten um! Nichts Bedrohliches ging von diesen Lauten aus, nur . . . etwas höchst Seltsames, Befremdliches; ein für sie und ihren Horizont... unschubladisierbares Empfinden von Argwohn. Wie automatenhaft in ihre ausgetretenen Slipper gleitend, schlurfte sie, halb berstend vor Neugier, halb zögerlich zu den Vorhängen. Als sie diese zurückgezogen hatte, um gleich daraufden Fenstergriff zu ertasten, fiel ihr der höchst ungewöhnliche Schatten draußen im frühmorgendlichen Frühbeet ins Auge.
„Moll mei Brilln hulln", durchzuckte es die Betagte.
Als sie das klobige Krankenkassenmodel „Rupprecht", das ihr stets ein eulenhaftes Aussehen verlieh, auf der Nase plaziert hatte, starrte sie wie gebannt hinaus. Babette Schnabel blinzelte, um sich zu vergewissern, daß der Schein der Wahrnehmung nicht trog, dann trat sie sich instinktiv mit einem Slipper auf den anderen Fuß. Der dadurch verursachte Schmerz in ihren arthritischen Gelenken verscheuchte jeglichen Gedanken daran, noch zu träumen Es war tatsächlich ein Känguru, das da im Geviert ihres Kleingartens zwischen ersten Frühlingsboten, Schalottenschößlingen und pausbäckigen Gartenzwergen wie in einem viel zu kleinen Käfig herumhopste.
Babette Schnabel war ratlos.
Einen Moment lang wähnte sie sich, deliriös zu schwanken. wie im Fiebertaumel, dann erwachte ihr altes praktisches Empfinden: „Des Ding wenn mer meina Uusterglockn zertrampelt, harr, dann obber!"
Schon auf halbem Weg zur Besenkammer, um ihre Rabatten wehrhaft zu verteidigen, schoß es ihr dann in den Kopf, daß Känguruhs bisweilen zu
herzhaften Gegenreaktionen neigen könnten, wenn sie sich bedroht wähnten.
Der frühdiensthabende Polizeihauptmeister Adolf Strunz unterdrückte ein Gähnen, als gegen 5.30 Uhr das Telefon schrillte: „Ezt moll langsam, guta Fraa, des werd halt a Fuchs sa, odder... Waschbärn sells ja aa scho widder geehm do bo uns. Am End is gor der Uusterhoos, der inna a poor Eierla zutroong will? Donn sa sich net oo, des haut scho widder oo."
Den zweiten Anruf zehn Minuten später, diesmal von einem Berthold Benker (zu dem der frühmorgendliche australoid-animalische Gast inzwischen weitergesprungen war), ignorierte er diesmal nicht mehr: „Wu soongs sie - Hopperer-Weg 7? Do hot doch vorhin erscht aans ver der 3 oogrufn, sapperlott!".
Er erinnerte sich plötzlich an die alte Geschichte vom Vorjahr - das Telefonat dieses hartnäckigen Berliners mit seinem „Bison auf der Autobahn“.
Im herbstliche Nebel hatte sich damals ein, aus einem Gatter entwichenes schottisches Hochlandrind an den Rand der A 9 verloren.
„No, is doch moll wos Neijs", dachte der rührige Polizeihauptmeister, als er mit ironischem Unterton die erste Streife zur „Kängurujagd" in das besagte Stadtviertel abbeorderte. Dort herrschte bereits ein reges volksfestartiges Treiben:
Ältere Herren mit fehlenden Zähnen und in flüchtig umgeworfenen Morgenmänteln standen dort zusammengerottet, sowie deren schlecht frisierte bessere Hälften. Trotz der morgendlichen Kühle standen da Dutzende von Fensterläden sperrangelweit offen, aus denen sich schaulustige
unrasierte und lockenwicklerbewehrte Gesichter drängten. Jeder erteilte, einem anderen praktischen Ratschlag. Einer meinte, man solle eine Hängematte als Netz benutzen, ein anderer favorisierte einen Gartenschlauch zum Dirigieren der Fluchtrichtung.
Jagdscheininhaber Rudi Rödel hatte schließlichdie beste Idee - mit Hilfe der Streifenbesatzung trieb man schlußendlich den aus einer 10 Kilometer entfernten Kängurufarm stammenden Ausreißer treibjagdmäßig in Babette Schnabels Schuppen. Der Aktionsradius des aufgescheuchten, fürs Fichtelgebirge etwas ungewohnten Tieres hatte sich in der Zwischenzeit wieder zu seinem Anfangspunkt zurückbewegt.
„Ho, und wer kimmt mer etzert fier meina zertrampeltn Uusteglockn auf?“
Babette Schnabel schnappte ungehalten.

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