Gleich geht's los
Auf der Reise nach Süden unseres D-Zuges hat sich 18 406 vor den Zug gesetzt und Bremsprobe und Abschmieren sind erledigt.
Der Heizer hat den Bläser aufgemacht und kocht Dampf und der Lokführer wärmt die Zylinder für die bevorstehende Abfahrt zur letzten Etappe des Zuges vor.
Der Lokwechsel erfolgte wohl in Regensburg, da die Lok dort beheimatet war und der Laufweg des Zuges folgendermaßen aussah: Berlin Anh. Bf.–Leipzig–Regensburg–Landshut–Mühldorf–Freilassing–Bad Reichenhall–(Bertesgaden?), wie dem Zuglaufschild zu entnehmen ist.
M.W. hing Anfang der dreissiger Jahre in Regensburg schon der Draht.
Ich datiere das Foto zwischen 1929 (Umnumerierung der "Bayern 3608" in 18 406) und Anfang 1933, da noch keine NS-Insignien auf den Bildern der 6x6-Negativ-Serie zu sehen sind.
18 406 wurde 1909 in Dienst gestellt und am 21.4.1949 im Bw Treuchtlingen ausgemustert.
Roststab 05/06/2017 19:54
Wie üblich nach 24 Std. die Lösung: Es ist tatsächlich, wie Alex und Thomas erkannt haben, der Tachoantrieb. Wir sehen hier die alte Form. Ungewöhnlich ist, daß er von einer Gegenkurbel abgeleitet wird. Die Gegenkurbel ist so montiert, daß sie immer mit dem Auslegerende im Mittelpunkt der Radnabe sitzt. Mittels Stirngetriebe wird von hier eine Welle in dem sichtbaren Rohr angetrieben. Von hier wird die Bewegung über ein Kardangelenk in den sogn Räderkasten übertragen. Der ist leicht zu öffnen, da er abgeschmiert werden muß. Mittels Schnecke und Zahnrad wird die Radumdrehung von hier auf den Deuta-Geschwindigkeitsmesser geleitet. Der aus dem erzeugten Wirbelstrom eine direkt ablesbare Geschwindigkeit und samt Fahrtrichtung wiedergibt.Später hat man den starren Antrieb aufgegeben und direkt von einer möglichst nah am Führerhaus befindlichen Achse mittels flexibler Welle die Umdrehung abgenommen.
Maschinensetzer 04/06/2017 22:53
Heinz und Alex, das dachte ich auch zuerst! Beim Betrachten der weiteren – in den nächsten Tagen noch folgenden – Bildern vom Triebwerk auf der Heizerseite verorte ich seltsamerweise dort an der dritten Kuppelachse auf der linken Seite den Tachoantrieb!Da diese Stange mit Kiste auch schon an den früheren Maschinen noch ohne Fahrpumpe angebaut war, und keine Leitung bzw. Rohr von dort wegführt denke ich, dass es sich um ein mechanisches Impulsgeberrohr in die kleine Kiste unter dem Führerstand handelt. Da diese Kiste augenscheinlich leicht zu öffnen ist (mittels einer Federklammer gesicherten Klappe), könnte es eine Art Zählwerk sein, evtl. Kilometerzähler. Bin mal auf die Lösung gespannt!
Viele Grüße
Thomas
Alex Grimmer 04/06/2017 21:02
Ich würde ja mal sagen, das die zweite Gegenkurbel dem Tachoantrieb dienlich ist @Heinz ;-)BR 45 04/06/2017 20:30
Das iss "ganz großes Kino", sowohl das historische Fotoals auch Manfred`s erklärung dazu !!
Euch beiden ein großes Lob !!
Grüße Andy
Roststab 04/06/2017 17:02
Welcher Bahnhof? Für den Techniker eine zweitrangige Frage, aber toll wie Manfred das Rätsel angegangen ist und uns seine Lösung präsentiert.Nun dann will ich mal ein neues Rätsel stellen. Wer sich etwas mit der S 3/6 auskennt wundert sich über die deutlich sichtbare Gegenkurbel an der dritten Kuppelachse. So verrückt es klingt, diese S 3/6 hat zwei "Gegenkurbeln" an der rechten Seite, eine an der Treibachse und eine an der 3. Kuppelachse. Warum?
Mit Volldampf voraus 03/06/2017 21:31
Eine sehr schöne, historische Aufnahme. Vielen Dank auch an "Makna", für die sehr interessanten und ausführlichen Informationen.VG Oskar
Dieter Jüngling 03/06/2017 20:20
Einfach ein großer Schatz im Fotoarchiv.Gruß D. J.
Thomas Reitzel 03/06/2017 13:40
Also Landshut. Ich hatte das auch vage vermutet, genau wegen der von Manfred beschriebenen "Botanik" im Hintergrund, die ich für Regensburg eigentlich unwahrscheinlich hielt. Nun ist es, denke ich, ziemlich schlüssig bewiesen, samt Laufweg, Bespannungen und auch einer ungefähren Datierung zwischen ca. 1935 und 1938.Danke auch von meiner Seite zu den ausführlichen Erläuterungen!
Tom
Klaus Kieslich 02/06/2017 23:15
Einfach nur ein ganz wunderbarer Schatz und ja,die Infos vom Manfred sind hoch interessantGruß Klaus
Maschinensetzer 02/06/2017 21:15
Manfred, jetzt bin ich aber beeindruckt von der akribischen Detektivarbeit, die Du hier geleistet hast... – hochinteressant und vielen Dank. Das nächste Foto aus der Serie zeigt einen Bahnsteig, mal sehen ob Du ihn erkennst.Viele Grüße
Thomas
makna 02/06/2017 20:33
Was für ein Schatz, den Du hier gehoben hast: Ein traumhafte Szene vom ehem. Alltag !!!Dieses Motiv ist neben dem zuvor gezeigten wirklich ein Dokument ersten Ranges !!!
Zum Ort: Höchstwahrscheinlich ist es Landshut Hbf, wenn der Zuglauf Nord - Süd war.
Der Fahrdraht hat Regensburg anno 1927 erreicht (München - Landshut schon 1925)
- da fragt man sich natürlich: Was sollte dann die Dampflok vor einem Zug,
der bis Landshut unter Fahrdraht fährt?
Ganz einfach: Landshut - Neumarkt St. Veit - Mühldorf - Freilassing war
und ist bis heute nicht elektrifiziert. Aber es war eh Landshut ...
... man sieht das an der "Botanik" im Hintergrund, die es in Regensburg
gar nicht gegeben hat (da war auch damals schon alles nördlich der
Bahnanlagen des Hauptbahnhofs bebaut, bzw. es lag im Einschnitt
mit hohen Mauern). Für Landshut aber würde es genau passen!
Der Zuglauf gibt mir insoweit Rätsel auf, als ich selbst im fraglichen Zeitraum
nur über die Kursbücher von Sommer 1928 und Winter 1937/38 verfüge -
beides Nachdrucke, denn meine Originale beginnen erst in den 60ern ... ;-)
Im Sommer 1928 gab es keinen Zuglauf Berlin - Regensburg - Freilassing,
aber vielleicht Kurswagen? Das ist dem "Amtl. Bayer. Kursbuch" nicht zu
entnehmen, nur die Fahrzeit von D 26 Berlin - München:
Berlin Ahb ab 20:09 Uhr -Leipzig Hbf 22:29/22:41 - Hof Hbf 1:39/1:59 -
Regensburg Hbf 5:00 / 5:15 - Landshut 6:20 - München Hbf an 7:20 Uhr.
Anschluß in Landshut gab's mit dem "Beschleunigten" (BP = Beschl.
Personenzug; damals, bis 1929, gar auch noch mit 4. Klasse):
BP 1051 Landshut (Bayern) Hbf ab 6:28 Uhr - Mühldorf 7:39/7:53 -
Freilassing 9:05/9:11 - Salzburg an 9:20 Uhr.
In Salzburg bestand Anschluß nach Triest über die Tauernbahn,
allerdings mit rund zwei Stunden Übergang: Triest an 22:20 Uhr.
Berchtesgaden als Ziel eines Zuglaufs ab Berlin ? Das gab's erst
einige Zeit nach 1933, da erst dann die Vasallen des Gröfaz von
der Reichshauptstadt mit Depeschen und anderen Wichtigkeiten
zum Obersalzberg fuhren (der Unheil-Bringende selbst flog, die
Bahn war für ihn ein eher ungeliebtes Fortbewegungsmittel).
Also Kursbuch Winter 1937/38: Es gab weiterhin den D 26
von Berlin Anhalter Bf nach München Hbf über Leipzig und
Regensburg, Fahrzeiten fast wie 1928, der dann Kurswagen
führte, nämlich vor allem Sitzwagen 1./2./3. Klasse und
einen Schlafwagen Berlin - Berchtesgaden ...
... und die gingen in Landshut (Bayern) Hbf von D 26 über
auf D 526: Landshut ab 6:47 Uhr - Mühldorf 7:36/7:51 -
Freilassing 8:43/8:49 - Bad Reichenhall 9:04/9:07 -
Berchtesgaden Hbf an 9:46 Uhr.
Wieso im Bespannungsabschnitt Landshut - Mühldorf eine Regensburger S 3/6 und
nicht etwa eine P 3/5 oder P 8 ?!? Nun - D 526 war dann wohl doch eine Zug mit
einem gewissen "Prestige" (weil von o.g. Vasallen genutzt) !!!
Dann hätte man folgerichtig in Mühldorf (das bis heute ohne Fahrdraht ist)
auch eine S 3/6 bereit stellen müssen - aber woher nehmen ?
Nach Landshut kamen Regensburger S 3/6 via Plattling,
als Füll-Leistung, und die S 3/6 der Serie a (wie eben
18 406) war schon eine der betagteren Loks, die
eher vor beschleunigten Personenzügen denn
noch im Schnellzugdienst zu sehen war.
Die Bespannung auf dem gesamten Laufweg war sicherlich dergestalt:
Berliner oder Leipziger Schnellzuglok Berlin Ahb - Leipzig Hbf, ab dort
bis Regensburg durchgehender Lauf - wie so oft mit Lok aus der Mitte
- einer Hofer 01 oder (die gab's auch noch) 02, Regensburg - München
mit Ellok (E 16, ab 1934 vielleicht auch E 04, später auch E 18),
und dann bekamen die in Landshut stehen gebliebenen
Kurswagen, nunmehr mit neuer Zugnummer D 526,
eine Regensburger S 3/6 ... ab Mühldorf dann
vielleicht doch mit P 3/5 oder P 8, wenn nicht
gar mit 78er (!!!), und ab Freilassing bekam
die Fuhre den Berg hinauf die E 44.5 !
Zuletzt zum Licht: Da das keine Winter-Aufnahme ist (belaubte "Botanik"),
ist eine Aufnahmezeit zwischen halb und drei Viertel Sieben in der Früh
auch passend - da steht die Sonne im Osten, und die wenigen hier
(besonders bei der zuvor geposteten Szene) zu sehenden
Schatten passen zu dieser frühen Stunde !!!
Schließlich und endlich zum Zeitfenster: Da keine Nazi-Insignien zu sehen sind,
datierst Du das Ganze auf die Zeit vor 1933 ... das ist falsch, da es den Zug
vor 1933 (m.E. vor 1935) gar nicht gegeben hat. Die vielen Nazi-Insignien
waren eh nur zu bestimmten Tagen angeordnet, im Alltag waren
sie wirklich nicht zu sehen ... und der "Pleitegeier" anstelle
des Schriftzugs "Deutsche Reichsbahn" kam erst ab
1938/39, und da nur bei Neubaulokomotiven,
ans Führerhaus !!!
Fazit: Ein bemerkenswert gut aufgenommenes, sehr gut erhaltenes Foto -
und ein herrliches Motiv !!!
BG Manfred
Roni - raildata.info 02/06/2017 20:18
Hallo!Super! :-)
lg,
Roni
Thomas Reitzel 02/06/2017 19:50
Ich tippe auch auf Regensburg als Aufnahmeort. Hier fand mit Sicherheit ein Lokwechsel statt, wenn der Zug aus Richtung Schwandorf kam, weil Kopf gemacht werden mußte. Auch der Fahrdraht deutet darauf hin.Somit kann man vermuten, daß die S3/6 bis Mühldorf am Zug blieb. Dort wurde wieder Kopf gemacht.
Interessant, daß diese S3/6 eine der Maschinen war, die keinen Kranzschornstein hatten.
BG, Tom
Alex Grimmer 02/06/2017 19:32
Ein Traumhaftest Bild. Die Lok wirkt sehr Gepflegt und die Qualität ist überagend gut. Gerne weiterhin mehr solcher Bilder!Gruß Alex