Hambacher Schloss Fragmente
Formaler Konsens der Gegensätze
Das Alte und das Neue machen die Sache interessant. Mit dem Motto: "Formaler Konsens der Gegensätze" könnte das Experiment "Weiterbauen" beschrieben werden.
Die Ambitionen, welche zur baulichen "Anpassung" des Hambacher Schlosses an neue Bedürfnisse führten, lassen sich vermutlich nicht ohne die politische, repräsentative und geschichtliche Bedeutung des Baues erklären. Sie erschaffen jedenfalls einen hybriden Nutzungscharakter, der seinesgleichen sucht. Hier ist ein Gebäude Denkmal, Museum, Restaurant, Kongresszentrum, Konzertsaal, Kirche und Erlebniswelt zugleich. Für politische Empfänge, Tagungen oder Konzerte muss die Anlage ebenso geeignet sein, wie als Familienausflugsziel oder für Hochzeiten.
Der 2004 für Max Dudler entschiedene Wettbewerb sah vor allem eine barrierefreie Erschließung, Neuerung der Innenräume und einen Neubau im Außenraum für Verwaltung und Gastronomie vor. Die Arbeiten im Ausbau sind seit Herbst 2008 abgeschlossen, fehlend ist noch der Zubau. Dudlers Visualisierungen zeigen uns dort einen langen, unregelmässig belochten Baukörper, der als begehbarer Sockel den Knick der Schildmauer aus dem 14 Jahrhundert mitvollzieht. Parallelen zu Chipperfields Literaturmuseum Marbach drängen sich auf, wenngleich der Ausdruck statt dem eines Tempels dort, hier der eines Felsblocks sein soll.
Was war neu?
Die heutige Form des Hambacher Schlosses ist - ihrer Kubatur nach - zwar der Ursprungsform ähnlich, stammt jedoch größtenteils aus dem Wiederaufbau Mitte des 19. Jahrhunderts durch August von Voith. Auf diesen Architekt, zu dessen Werken auch die Fruchthalle Kaiserslauterns oder die Münchner Residenz gehören, gehen Teile der Palais-Fassade, die spitzbogigen Öffnungen der Front und Seitenfassaden, sowie viele historisierenden Ergänzungen zurück. Nach einem Baustopp 1845 blieb das Hambacher Schloss über 150 Jahre eine weitgehend unangetastete Bauruine. Die heutige Raumkonfiguration und Eindeckung erfolgte erst 1983 durch Prof. Horst Römer. Der "rustikale Charakter" seiner Lösungen lassen sich gut in das "Kohl'sche Weinstuben-Oeuvre" einordnen. Im Festsaal zeugten davon Fliesenboden, schmiedeeiserne Wandleuchter und rustikale Balkendecke.
Was ist neu?
Während des ersten Bauabschnitts (2007) wurde durch den Einbau eines Aufzuges die Barrierefreiheit hergestellt. Der zweite - nun fertiggestellte - Abschnitt umfasste die Neugestaltung der Innenräume und der Einrichtung der Dauerausstellung. Dudler übernahm weitgehend die Räume des römerschen Ausbaus, lediglich die Gastronomie erhielt einen unauffälligen Annexbau an der Nordseite. Im Inneren wurden fast alle Bauteile der 80er ersetzt. Bis auf die zinngefassten Sprossenfenster erinnert nichts mehr an die "Weinstube". Klare Linien, glatte Flächen und dezente Farben prägen das Bild. Das Cafe im Foyer erhielt eine große Lichtdecke, während im Festsaal ein metaphorischer "Sternenhimmel" prangt. Bestehend aus Downlights in einer anthrazit gestrichenen Technikdecke, können hier Beamer und Boxen versteckt werden. Eine echte Verbesserung gegenüber den monströsen Scheinwerfertraversen des Vorgängers. Den öffentlichen Diskurs, den diese Entscheidung auslöste, versuchte Dudler zu beschwichtigen: "Verzeihen Sie mir, dass ich die Holzdecke herausgemacht habe"..."ich habe gegen die Holzdecke gar nicht so viel gehabt" (Zitate von Dudler bei der Eröffnung). Neben dieser radikalen Maßnahme wurden auch Kompromisse gemacht: Die alten Fenster wurden übernommen, welche in das moderne Bild nicht so recht passen wollen. Hier hätte man ein schlichtes, modernes Glas erwartet. Der Boden im Festsaal und den Ausstellungsräumen scheint mit einem weichen Kirschholzparkett sowohl praktisch als auch ästhetisch nicht unproblematisch. Als stärkster Farbakzent im Raum drängt er sich dem Betrachter sehr auf. Zudem ist er den Belastungen nicht gewachsen, denn schon jetzt zeigen sich tiefe Kratzer. Die dezente Möblierung in schwarzem Leder dagegen kann durchaus als Aufwertung bezeichnet werden. Der Entwurf der Dauerausstellung im Obergeschoss stammt nicht von Max Dudler, sondern wurde in einem 2006 ausgelobten Wettbewerb vom Architekturbüro Schwarz-Düser & Düser erstellt. Geschwungene Stellwände erzeugen hier fließende Räume, die der dudlerschen Orthogonalität ein Schnippchen schlagen.
Der vielbenutzte Begriff des "Weiterbauens" manifestiert sich Außen in einer Silikonfuge zwischen Alt und Neu. Innen dagegen wird diese Verbindung in Kork oder als Schattenfuge ausgeführt. Was beide Materialien gemeinsam haben: Sie sind unpoetisch, praktisch und uninszeniert. Sie sind einfach da. Es ist nicht der Architektenzeigefinger, der die Trennung von Alt und Neu hervorhebt. Das Gesamtbild, die ganzheitliche Betrachtung sind Dudler wichtiger als die analytisch trennende "Wundpflege" des Alten, ganz im Sinne des von Wolfgang Pehnt geprägten Begriffes "holistic turn".
Christian Köhler 02.2009
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