Heile Welt!
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Hinter dem Haus ist ein böser Ort. Dort, wo fast immer Schatten liegt, wächst das Gras fett und dunkelgrün. Das kommt vom vielen Blut. Im Herbst und im Frühling wird an dieser Stelle das Schwein geschlachtet. Ein hagerer, grobknochiger Bauer besorgt das. Meta hält nicht viel von ihm, denn das Schwein schreit immer sehr lange.
Die Kinder dürfen nicht zuschauen, aber es gibt keinen
Platz im Haus, wo man das erbärmliche Geschrei nicht hören müsste.
Ein halbes Jahr lang war das Schwein ein liebes Tier, dem man Leckerbissen zugesteckt hat und das immer von Berti gestriegelt worden ist. Wenn es krank war, hat Mama es gepflegt wie ein Kind. Jeder hat das Schwein gern, es ist hübsch rosarot und lustig und grunzt, wenn man seinen feuchten, warmen Rüssel kratzt.
Plötzlich, über Nacht, wird das Schwein zum Tod verurteilt und dem Schlächter ausgeliefert. Und da gibt es keine Gnade. Es wird aus dem Stall gezerrt, und der Schlächter stößt ihm sein langes blaues Messer in den Hals. Berti steht mit einer Schüssel daneben und fängt das Blut auf. Dann wird das tote Tier in den Trog geworfen, abgebrüht und später an den Beinen aufgehängt und zerstückelt.
Sobald das Schwein im Trog liegt, dürfen die Kinder wieder zuschauen, denn was da liegt, ist nicht mehr das liebe Schwein, sondern ein Fett- und Fleischklumpen.
Das ist alles ganz unfaßbar. Wohin ist das Leben aus dem Schwein gegangen? Die blaßroten Fleischstücke erinnern nicht mehr an das lustige quiekende Geschöpf, dem Meta den Rüssel gestreichelt hat. Während die hohen gellenden Todesschreie durch das Haus dringen, sitzt Meta in ihrem Zimmer und hält sich die Ohren zu. Aber es nützt nichts, der verzweifelte Hilferuf dringt in ihr Hirn.
Sie weiß, jetzt geschieht das Entsetzliche, das man nie mehr gutmachen kann, der Verrat, das zutiefst Böse.
Dunkelheit breitet sich in ihr aus in der Stille, die nun folgt.
Alles ist geschehen und nicht zu ändern.
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Aus dem Roman
"Himmel, der nirgendwo endet"
von Marlen Haushofer.
Michi H...... 08/04/2008 1:20
Schönes Foto und berührende Worte... es ist echt ekelhaft, wie viele von diesen blaßroten Fleischstücken/Leichenteilen überall in den Kaufhäusern rumliegen und die meisten Menschen komplett verdrängen, dass es sich hier um ein lebendes Wesen gehandelt hat...LG Michi
Schimmelreiterin 19/03/2008 13:56
... heute kann man das Fleisch schön appetitlich verpackt im Laden kaufen und muss sich nicht mal mehr mit der Haltung und Tötung auseinandersetzen, wenn man die Augen davor zumacht.Ich wette, dass viele Kinder nicht wissen und viele Erwachsene es nicht wissen wollen, woher ihr Schnitzel kommt und auf welche Weise es entstanden ist. Da wäre viel mehr Aufklärung nötig. Die Industrie wird sich aber gerade davor hüten.
Foto undText: +++
NadineK 07/01/2008 21:20
Sehr bewegend, ja!Und zuerst hab ich mich gefragt, wieso du das Bild in SW on stellst, aber so passt es besser zu Text
Gruß von der Unwürdigen, die Fleisch ist *hüstl*
Marcel 84 06/01/2008 22:41
Sehr bewegend.Regt zum Nachdenken an.
LG Marcel
René Albrecht. 06/01/2008 20:43
Ein tolles Bild und mit diesem wunderbar ausgewählten Text dazu noch intensiver. Hoffentlich wird er oft gelesen. Meist ist ja nicht mal ihr kurzes Leben auch nur annähernd lebenswert.Jeder hat die Wahl zur Veränderung !!!!!!
René
Vanessa O. 06/01/2008 20:20
Oh man... Das berührt ungemein...Mehr Worte braucht es nicht, oder?!
GLG bis morgen!
Heiko 99 06/01/2008 16:29
Sind die süss!!!LG, Heiko
Dirk Herminghaus 06/01/2008 16:26
Es ist immer wieder eine Gradwanderung.Töten, essen ... immer wieder. Mhmmmmm.
Das Bild berührt mich dem Text im Kopf auffallend intensiver.
Gruss, Dirk
MaKo 06/01/2008 16:24
So viele Kleine. Hoffen wir mal, dass sie alle an Altersschwäche sterben dürfen!LG Marina