Hommage an eine Wagengattung... +++ viel Text +++
Vor knapp fünf Jahren habe ich dem Steuerwagen mit der Fahrzeugnummer 50 80 82-34 083-9 im DB Museum Koblenz hier bereits einmal den Rahmen für eine ausführliche Vorstellung geboten.
Heute möchte ich diese, in so unsteten Zeiten, gerne wiederholen. Möglicherweise ist das, was wir kennen und mögen, was über einen langen Zeitraum ein steter Begleiter ist oder war gerade das, was uns nun hilft den Sorgen und Ängsten um die Zukunft, die da vor jedem Einzelnen liegen mag, ein wenig den Schrecken zu nehmen.
Die Bundesbahn hatte, um die Steuerwagen im Betrieb möglichst flexibel einsetzen zu können, bei den ersten verschiedenen Bauarten auf eine platzsparende Variante des Führerstands neben dem Wagenübergang gesetzt. Diese als "Hasenkasten" oder "Führerklo" bezeichneten Waggons waren beim Personal jedoch nicht sonderlich beliebt und durch die beengte Situation bei längeren Zugfahrten auch nicht unbedingt praktisch: Um die Abfertigung durch den Zugführer auf der in Fahrtrichtung linken Seite und anschließend nochmals die Anfahrt am Bahnsteig zu beobachten musste der kleine Führerstand verlassen werden und in das auf der anderen Gangseite befindliche Dienstabteil getreten werden, was den Vorgang nicht unbedingt einfacher gestaltete - zumal die Türen zu den beiden "Kammern" auch noch gegenläufig öffneten.
Mit der Zeit kristallisierte sich heraus, dass die Steuerwagen meistens doch den ganzen Tag am Ende eines Zuges hingen, was besonders im S-Bahn-Verkehr von Vorteil war. So reiften Überlegungen eine erste Serie von Wagen zu beschaffen, welche einen deutlich größeren Führerstand - in Anlehnung an die Baureihe 420, welche ebenfalls ab Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre beschafft wurde - erhielt. Da die Wagen allesamt im damaligen Ausbesserungswerk Karlsruhe der Deutschen Bundesbahn entstanden war der Begriff "Karlsruher Kopf" daher bald in aller Munde.
Was folgte war ein "Siegeszug" durch ganz Westdeutschland, denn die Waggons wurden mit unterschiedlichen Steuerelementen für Elektro- und Dieselloks ausgestattet: Die sogenannten "Steuertische" konnten dabei in den Werkstätten auch getauscht werden. Die Wagen waren fortan nicht nur auf Haupt-, sondern auch Nebenbahnen zu beobachten. Die großzügige Verglasung des Führerstands ermöglichte es dabei sehr gut auch schwer einzusehende Punkte entlang einer Strecke im Blick zu behalten. Nach der "Wende" kam es zu vereinzelten Einsätzen der Bundesbahn-Steuerwagen im Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn (Erfurt - Rennsteig), zudem wurden Loks der Baureihe 143 auf die westdeutsche Wendezugsteuerung umgebaut um sie mit den Karlsruher Köpfen (beispielsweise im Raum Nürnberg) verwenden zu können.
Ab den 1990er Jahren wurden die Steuerwagen modernisiert und erhielten neue Kopfmodule, welche seinerzeit im AW Wittenberge entstanden. Doch bereits vorher hatten Stilllegungen oder Triebwagen den ein oder anderen Waggon überflüssig werden lassen, mit Beginn der Regionalisierung des Nahverkehrs im Jahr 1994 - und somit auch dem verstärkten Auftauchen von Privatbahnen mit modernen spurtstarken Triebwagen auf bislang von der "Bundesbahn" befahrenen Linien - wurden die Reviere immer kleiner und weniger.
Geboren im Jahr 1984 bin ich mit diesen Steuerwagen, just auch in der oben abgebildeten Lackierung, ein Stück weit groß geworden: Am Garten meiner Großeltern fuhren damals im Minutentakt Züge unterschiedlichster Art auf den Linien von Bebra nach Kassel und Göttingen vorbei, befand sich der Garten doch im sogenannten "Göttinger Bogen". An den Nahverkehrszügen nach Kassel oder Göttingen waren neben einer Lok der Baureihe 141 eben auch meist einer der genannten Steuerwagen am anderen Ende zu finden, während die anderen Züge die Lok immer "vorn" hatten.
Später, mit Beginn meiner Ausbildung, waren die Steuerwagen auch immer wieder ein Ort, an welchem man mit den Lokführern ins Gespräch kam und wo mein Interesse und Wille Lokführer zu werden sich verfestigten.
Heute bin ich stolz und froh den Traum vieler Menschen leben zu dürfen, denn längst nicht jeder, der diesem tollen Beruf nachgehen möchte kann dies auch - so unterschiedlich die Gründe auch sein mögen.
Was bleibt ist abschließend die Gewissheit, dass sich das Leben wandelt und Vieles, mit dem man "groß" wurde und den bisherigen Lebensweg geprägt hat, mit der Zeit verschwindet oder weniger wird. Daher ist es gut und wichtig, dass manch Zeugnis vergangener Zeiten nicht nur in Erinnerungen, sondern auch real einen Platz in Museen und Sammlungen findet - um uns an das, was war, und was daraus wurde zu erinnern.
Aufnahmedatum: Mittwoch, 23. August 2017 - 13:00 Uhr
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Während einer Dienstschicht begegnete mir in Frankfurt Ost ein Wagen auf seiner Fahrt zum Stillstandsmanagement Mukran...
günnik 29/03/2020 15:42
Moin,sehr gut dokumentiert und abgelichtet.
LG
Günni
Manfred Mairinger 25/03/2020 19:05
Sehr schöne Aufnahme!VG Manfred
HG-Foto 25/03/2020 9:47
mit gut gewähltem Bildschnitt gelungen festgehaltenlg Hans Georg
Basi70 25/03/2020 9:40
Eine wunderbare Homage an einen alten Wegefährten. Danke!VG Michael
makna 24/03/2020 22:16
Der Original-"Karlsruher" hat einen würdigen Platz im Museum verdient - ganz gewiß ! ! !Erst einmal verdient er natürlich die Aufarbeitung ... ;-)
... aber die wird kommen, und wenn er dann feierlich einen guten Platz erhält,
dann könnte und sollte das Museum Deinen Text der Würdigung verlesen:
Der hat das nämlich auch verdient !!!
BG Manfred
P.S.: Mit diesem Anschnitt des "Karlsruher Kopfes" und den beiden
Hasenkasten-Motiven möchte ich Deine Ausführungen ergänzen -
was Du zum Steuerwagen und zum Ergreifen des Lokführerberufs
ausgeführt hast, steht freilich für sich und ist großartig !