In einer ehemaligen Zwieback-Fabrik
Wer kennt ihn nicht, den blonden pausbackig lächelnden Milchzahn-Bubi auf der knallorangen Verpackung von Brandts Zwieback. Heile Welt in der Tüte mit Brösel-Garantie.
Immer wenn der Magen mal nur noch auf Notbetrieb lief, gab’s als Schonkost Brandt‘s Zwieback – wahlweise dünn mit Butter oder Honig bestrichen. Eine schöne Kindheitserinnerung, die ich neben meiner Mutter wohl vor allem dieser Firma zu verdanken habe.
Wenn es nach mir ginge, hätte ich die Firma Brandt, die das natürlich auch an sich leckere und fast eine Ewigkeit haltbare Gebäck herstellt, schon längst in den Adelsstand der sich verselbstständigten Marken erhoben, wie es Tesa, Tempo, Labello oder unser aller erstem „Auto“, dem Bobby-Car, zu Teil wurde. „Haben wir noch ein paar Scheiben Brandt im Haus?“ … sie hätten es von mir aus verdient.
Vielleicht liegt es daran, dass den Zwieback nicht die findigen und geschäftstüchtigen Hagener erfunden haben. Der Bäcker Christoph Stemler aus dem hessischen Friedrichsdorf soll’s gewesen sein oder die schweizer Firma HUG, die es bis heute gibt und auch viel von dem bissfesten Gebäck herstellt. Um 1877 soll es laut Firmen-Chronik Joseph Hug-Meyer gewesen sein, der das unverkaufte Brot des Tages abends in Scheiben schnitt, es über Nacht im warmen Ofen röstete und so den Zwieback erfand. However – diesen Streit überlasse ich den Historikern.
Sicher wäre unsere Spezies ohne Zwieback nicht ausgestorben, aber wir hätten es schwerer gehabt – vor allem in schweren Zeiten. So viel steht wohl fest. Denkt man alleine auch an die Nahrungsversorgung der Seeleute der letzten zwei Jahrhunderte! Ohne das haltbare Backwerk hätte in den Wochen und Monaten auf hoher See sicher viel gefehlt.
Die Firma Brandt gibt es auch bis heute, allerdings produziert sie inzwischen im thüringischen Ohrdruf. Im Dezember 2003 wurden die Backöfen in Hagen für immer abgeschaltet. Seitdem stehen die großen Produktionsgebäude leer und verfallen.
Man sehe es mir bitte nach, aber ich finde, es gibt keinen besseren Zwieback, als den der Firma Brandt. Manche Geschmackspräferenzen scheinen sich aus der Kindheit wohl für Ewig im Rückenmark abgelagert zu haben.
Mögen die Backöfen in Ohrdruf noch lange auf Betriebstemperatur bleiben.
BeSd 22/11/2021 19:54
Immer wieder klasse -und in s/w wirkt es auch echt gut.
Gruß
Bernd
pottfotograf. 22/11/2021 16:49
Das Gegenlicht dort ist schwierig, du hast es in deiner knackigen s/w- Aufnahme gut gemeistert!Hättest ja mal Bescheid sagen können, wohne mit dem Auto 10min entfernt von dort ;-)
Gruß, der pottfotograf
holgeri1 22/11/2021 12:18
Wäre hier nicht Deine ausführliche Beschreibung, könnte man die Maschinen auch als Riesen-Fleischwölfe vermuten ;-) Oben eine ganz Kuh rein, unten Hackepeter raus...Schöne Doku, wieder sehr gut mit Licht und Schatten gearbeitet!LG Holger