In the Still of the Night
SCHWEIGEN
Wir befanden uns auf dem Rückweg aus Portugal. Fünf junge Leute in einem geliehenen Bulli im Urlaub. Auf der langen Strecke durch Spanien hatte die Nacht den Tag abgelöst und die Dunkelheit mitgebracht. So bahnten wir uns im Scheinwerferlicht den Weg in die Pyrenäen. Da wir gerne abseits der Autobahnen fuhren, nahmen wir den Weg durch die Serpentinen. Müde dösten bereits einige von uns vor sich hin, so gut man das im Auto eben kann.
Langsam umfuhren wir Hügel um Hügel und Berg um Berg. In der Abgeschiedenheit ersetzte oft Finsternis die Dunkelheit, nur die Scheinwerfer wiesen uns den Weg. Aber die Finsternis schien auch noch etwas mit sich zu bringen. Als ob sich ein Mantel aus Schwermut über uns legte. Nichts greifbares, aber dennoch sehr präsent. Ich kurbelte das Seitenfenster etwas herunter, die Luft war warm und stickig im Auto. Rechts erschien ein flacher Abhang mit einer Wiese. Und etwas Platz, um rechts ran zu fahren. Eine Gelegenheit für eine kurze Fahrpause und einen Fahrerwechsel.
Wir rauchten eine Zigarette, als uns plötzlich ein Knall ganz in der Nähe zusammen zucken ließ. Es folgte etwas wie der Schrei einer Frau. Grell. Fast ein Kreischen. Aber sicher, was wir da gehört haben, bin ich mir heute noch nicht. Wir zögerten nicht lange, falls da jemand Hilfe brauchte, wollten wir sie nicht verweigern. Jugendlicher Ungestüm. Wir rannten einen Pfad, den Hang hinab in die Richtung, aus der die Geräusche gekommen waren. Mitten in einen schweren Nebel hinein. Wir konnten uns gerade noch schemenhaft gegenseitig sehen. Eine alte, abgewrackte Steinhütte tauchte vor mir auf. Ich blieb stehen. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich schaute mich nach den anderen um, ich sah sie nicht mehr. Ich rief. Nichts. Zögernd schritt ich auf die Hütte zu. Eiseskälte durchdrang mich, wie ich sie noch nie gespürt hatte. Unmittelbar vor dem türlosen Eingang blieb ich stehen. Stocksteif. Unfähig weiter zu gehen. Stille im Nebel. Ich rannte. Rannte zurück zum Auto. Rief nach meinen Freunden. Sie riefen auch. Schemen rechts neben mir, Schemen links neben mir. Sie rannten ebenfalls. Keuchend erreichten wir unseren Bulli. Schwer atmend sahen wir uns an. Wir waren nur zu viert. Einer fehlte. Schweren Herzens traten wir nochmal den Weg zur Steinhütte an, um ihn zu suchen. Wir blieben dicht beieinander und riefen ihn unentwegt. Kurz bevor wir die erste Nebelschwade erreichten, kam er uns entgegen gerannt. Leichenblass. „Rennt!“ schrie er. Und das taten wir. Bis zum Auto. In das Auto. Ich startete den Motor. „Fahr!“ schrie er. Und ich fuhr. Ich sah ihn an. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Panik in den Augen. „Was ist denn passiert?“, fragte ich. Keine Antwort. „Müssen wir zur Polizei?“ Er schüttelte den Kopf. „Fahr weiter!“ Und dabei blieb es. Keine Antwort. Auch nicht in den Wochen danach. Jedes mal, wenn ich ihn fragte. Schweigen. Kein Kommentar. Irgendwann fragte ich nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr ihn. Mir selbst stelle ich aber noch heute die Frage:“Welcher Schrecken hat die Macht, uns für immer schweigen zu lassen?“
Domi 13/02/2009 11:17
dieses motiv ist einfach klasse und bringt eine tolle stimmung mit sich. auch der bildschnitt ist super! einizer vorschlag: eine kleine tonwertkorrektur wäre nicht schlecht;-)lg domi