keine halben Sachen - Schleuse bei Leipzig
Das Bild zeigt eine seit mehr als 50 Jahren unvollendete Schleuse bei Wüstenneutzsch in der Nähe von Leipzig. Für die, die es interessiert habe ich mal die Hintergründe zusammengeschrieben:
Pläne, einen schiffbaren Kanal zwischen Leipzig und der Mulde oder der Elbe anzulegen, reichen bis in das 17. Jahrhundert zurück. Karl Heine, ein wohlhabender Industrieller der Stadt Leipzig, griff die Idee um 1850 erneut auf und konkretisierte die Anstrengungen einer künstlichen Wasserstraße mit Verbindung zur Elbe.
Der Kanal sollte in Leipzig/Plagwitz beginnen und bei Kreypau in die Saale münden. Ursprünglicher Ansatz des Kanalprojekts war das Ziel per Schiff Gütertransporte wirtschaftlicher nach Leipzig durchführen zu können und so eine Anbindung an das europäische Binnenwasserstraßennetz zu erlangen. In Lindenau wurde deswegen ein Frachthafen als Umschlagplatz vorgesehen. Der Kanal zwischen der Stadt und dem Lindenauer Hafen (Karl-Heine-Kanal) musste also nicht so große dimensioniert werden wie der daran anschließende Elster-Saale-Kanal, da in diesem Abschnitt kleinere Schiffe (max. 600 Tonnen) verkehren sollten.
Die 20,70 m Höhenunterschied zwischen dem Elster-Saale-Kanal und der Saale sollten ursprünglich mit einem Schiffshebewerk überwunden werden. Der Vorteil gegenüber Schleusen bestünde im sparsamen Wasserverbrauch (ein Schiffshebewerk benötigt kaum Wasser aus der oberen Haltung) sowie im erheblich verkürzten Hebevorgang. Außerdem wären Kosten für Errichtung und Unterhaltung günstiger als bei einer Schleusentreppe (warum letztendlich doch der Bau einer Schleuse begonnen wurde, ist mir leider nicht bekannt).
Leider fand das Projekt damals keine Anerkennung bei der Leipziger Stadtverwaltung, sodass Heine gezwungen war, 1880/81 den Elster-Saale-Canalverein durch Leipziger Industrielle zu gründen und sich mit einem Finanzierungsgesuch an den Staat zu wenden. Im Ablehnungsfall stellte man die Bildung einer Aktiengesellschaft in Aussicht.
1887 wurde das Projekt mit der Gründung der Westendbaugesellschaft AG konkret in Angriff genommen. Die Gesellschaft finanzierte den Kanalbau über den Kiesabbau auf dem künftigen Hafengelände. Bis 1896 wurden so aus privaten Mitteln die ersten drei schiffbaren Kanalkilometer in schwierigem Gestein ausgebaut (Grauwacke – in diesem Zusammenhang auch gern als Karl-Heine-Knack bezeichnet).
Nach der Schiffbarmachung der ersten 7 Kanalkilometer stagnierte der Kanalbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts, da eine Entscheidung über die Trassenführung des Mittellandkanals (heute zwischen Kreypau und Meuschau) ausstand. Anschließend setzte der Erste Weltkrieg allen Anstrengungen vorerst ein Ende.
1920 fiel dann die Trassenentscheidung des Mittellandkanals und 1933 begann der Kanalbau zwischen Dölzig und dem Bahnhof Rückmarsdorf. Bis zum Zweiten Weltkrieg war eine Strecke von 11,3 Kilometern ausgebaut und mit dem Bau der Schleuse bei Wüsteneutzsch begonnen worden. Vor dem Krieg konnten allerdings weder der Lindenauer Hafen, noch der Elster-Saale-Kanal fertig gestellt werden. Auch die Schleuse steht (wie man auf dem Bild deutlich erkennen kann) halbfertig in der Gegend rum.
Nach dem Krieg waren die finanziellen Nöte so groß, dass das Projekt nicht wieder aufgegriffen werden konnte. Auch in der DDR wurde das Vorhaben nicht wieder aus der Schublade geholt. Erst mit der Wende und der Deutschen Einheit erinnerte man sich wieder des ehrgeizigen Vorhabens. Inzwischen laufen ernsthafte Bestrebungen, das nunmehr anderthalb Jahrhunderte währende Kanalprojekt endgültig zum Abschluss zu bringen. Mit der Flutung der Tagebaurestlöcher in der Region und der damit einhergehenden Entwicklung eines Gewässerverbundsystems erscheint der Gedanke auch durchaus realistisch. Allerdings steht heute der touristische Ausbau des Gewässernetzes im Vordergrund. Für eine touristisch nutzbare Kanalanbindung fehlen noch 7,80 Kilometer Elster-Saale-Kanal (wovon 3 Kilometere bereits vorbereitet sind), 620 Meter Verbindung zwischen Karl-Heine-Kanal und Lindenauer Hafen, 60 Meter Verbindung zwischen Lindenauer Hafen und Elster-Saale-Kanal sowie Schleusen oder ein Hebewerk zur Überwindung des Höhenuterschieds zwischen Kanal und Saale.
Ich persönlich würde mich riesig freuen, wenn Leipzig das hinbekommt. Inzwischen ist unsere Stadt ja auch ganz gut bekannt für ihre ehrgeizigen aber eben auch relistischen Ziele.
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