Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Michael war enorm

So richtige „Fotofreunde“ hatte ich nicht. Zumindest früher. Irgendwie ist der Begriff mir erst in den Sinn gekommen durch die Onlinefotozeigesucht über die FC.

Also, man machte Fotos - andere sahen diese im Internet und sagten elektronisch etwas dazu. Michael wohnte in Hamburg, so auch ich, also kamen wir auf die glorreiche Idee uns mal persönlich zu treffen. Das war anregend und witzig und wer hätte das gedacht: sogar lehrreich. Michael sammelte Kameras die hoch interessant waren aus dem „Niederschwellensegment“. Und er war einiges älter als ich. Er hatte daher Fotos gemacht zu einer Zeit, als meine Familie noch in so komischen Regenmänteln und Hüten umherlief. Er hatte z.B. Karstadt von innen dokumentiert, als es dort noch nach Omaparfümen roch. Das war beneidenswert.

Wobei ich jetzt sorgenvoll daran denken muss, was passiert jetzt eigentlich mit seinem Archiv?

Michael, der Herr Schiele hatte nämlich einen prägenden Satz gesagt: „Wenn ich nicht fotografieren darf, dann komme ich nicht!“ Z.B. wenn wir Veranstaltungen besuchten, Musiker und Künstler ablichteten. Schluff Jull, Cäthe, die Schrammelbude, die Tüdelband und Labskausromantik. Wenn ich selbst auf der Bühne war, dann fotografierte eben der Herr Schiele nebst ein paar anderen. Als ich Fotoapparat - technisch nicht mehr ausgestattet war und der Verzweiflung nahe, lieh er mir kurzerhand eine von seinen Kameras. Als ich meine alte Wohnung aufgeben musste und restliches Ausräumen dringend zu geschehen hatte, war er zur Stelle und zog seinen alten Blaumann über.

Vor allen Dingen wurden wir mit der Zeit seelenverwandt. Wir hatten einen ähnlichen Humor. So entstand eine trockene Fotokommentarsprache. Insbesondere „enorm“, dieser Ausruf! … kam direkt vom Herrn Schiele. So manches Bier und mancher Wein wurde miteinander verzehrt, den dann meistens der Michael bezahlt hat. Er reiste per Eigen PKW an und nahm jedes Mal für den Heimweg ein Taxi. Denn öffentliche Verkehrsmittel waren für Michael irgendwie nicht zu ertragen.

Herr Schiele hat Fotografie und das Fotografieren selbst auf so eine unnachahmlich lockere Weise gelebt, wie kein anderer. Seine eigenen Bilder fand er selbst oft nicht so doll, dabei war er einer der Besten.




Michael war enorm! Ziemlich enorm! Und genau das fehlt jetzt.

(für Michael)

11. Juli 2018

Michael Schiele
Michael Schiele
Matthias von Schramm

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