Morgenandacht
Sehnsucht hat mich früh geweckt;
wo die alten Eichen rauschen,
hier am Waldrand hingestreckt,
will ich Dich, Natur, belauschen.
Jeder Halm ist wie erwacht;
grüner scheint das Feld zu leben,
wenn im kühlen Tau der Nacht
warm die ersten Strahlen beben.
Wie,die Fülle mich beengt!
so viel Großes! so viel Kleines!
wie es sich zusammendrängt
in ein übermächtig Eines!
Wie der Wind im Hafer surrt,
tief im Gras die Grillen klingen,
hoch im Holz die Taube gurrt,
wie die Blätter alle schwingen,
wie die Bienen taumelnd sammeln
und die Käfer lautlos schlüpfen -
oh Natur! was soll mein Stammeln,
seh ich all das Dich verknüpfen:
wie es mir ins Innre dringt,
all das Große, all das Kleine,
wie's mit mir zusammenklingt
in das übermächtig Eine!
- Richard Dehmel (1863-1920) -
Monika Elisabeth 02/07/2007 20:01
Hola Bea:Ein sehr schöner offener und weiter Blick in ein Tal voller Naturschönheit und Poesie....
....es läßt einen in der Tat andächtig werden und das Gedicht von Richard Dehmel beschreibt es in lyrischer Weise vom Feinsten...
Ja, es ist ein Gottesdienst, den die Natur da täglich für uns aufs Neue inszeniert....!!!!
Ein schönes Foto mit ebensolchen Gedanken!
Herzlich
Monika