Moskau 1986: Alkoholverbot
Sukhoj zakon: stojat’ w ocheredi – Trockenes Gesetz: Schlange stehen
"Trockenes Gesetz" – so nannten die Russen die Anti-Alkohol-Kampagne, die Michail Gorbatschow 1985 gestartet hatte.
Sie beinhaltete ein zeitlich beschränktes Alkoholverbot, d.h. der Kauf von Spirituosen, Wein und Bier war täglich erst ab 14 Uhr möglich,
wobei pro Person nur eine begrenzte Menge Wodka abgegeben wurde.
Das praktische Resultat: Die Alkoholiker mussten täglich für ihre Dosis Schlange stehen.
Damit sie aber überhaupt noch eine Flasche erhielten, mussten sie sich rechtzeitig vor 14 Uhr anstellen, also schon etwa ab 7 Uhr morgens.
Dementsprechend lang war dann solch eine Schlange. Diese hier faltet sich zweimal und
füllt die etwa 1 km lange Straße in drei Teilen, ist also insgesamt etwa 3 km lang.
Einer der "glücklichen" Kunden entkorkte seine frisch erstandene Wodkaflasche direkt nach Verlassen des Ladens,
leerte die 0,75 Liter "auf ex" und brach im Rinnstein zusammen. Eine Beobachtung kurz nach Entstehen dieses Fotos.
Alkohol ist die häufigste Todesursache in Russland. Aber irgendwie war diese Kampagne auch nicht die Lösung des Problems.
Das Schwarzbrennen boomte. Wem sein Augenlicht egal war, konnte den Fusel in fast jedem Taxi kaufen ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Anti-Alkohol-Kampagne_in_der_Sowjetunion_1985%E2%80%931991
Mit Duplikatorvorsatz digitalisiertes Dia,
entstanden während meines Studiensemesters 1. August bis 18. Dezember 1986 in Moskau
mitten in der Gorbatschow-Ära
Foto-Nomade 22/05/2013 22:53
Wenn die Kringel der Anstehenden bis hinter die Kreuzungen reichten, gab es Alk.Da musste man nicht einmal fragen,
wofür sie anstanden.
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Danke zu
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smokeonthewater 22/05/2013 17:32
@Uli: Wodka krepkaja - "Wodka stark" - haben wir im Internat durch afrikanische Studenten bekommen, die für Dollar alles kaufen konnten. Das Zeug hatte 60%, bei minus 25 °C vor dem Fenster gekühlt. Edel. Und kein Vergleich zu dem 40%-Wodka, der heute in Deutschland verkauft wird.Uli.S.Photo 22/05/2013 17:23
..."Samakon" war eines der ersten Worte das man Jahre nach dem letzten Russischunterricht im Wohnlager der "Trasse" lernte.70 - 80 %vol. hatte das Zeug, welches man "unter dem Ladentisch" auf dem Rynok zu kaufen, oder besser noch im Tausch gegen Zucker bekam... und wir hatten Zucker!
Eine "Flammenprobe" zeigte (mutmaßlich) die Reinheit an. Im Ural haben wir mal eine Ziehung damit gemacht, das einzige Komasaufen meines Lebens.
"Aljoscha, trink schnell aus, es wird schon dunkel...!"
Urlaub 1989 in Irkutsk - ein ähnliches Bild wie auf Deinem Foto.
Wir Touristen durften nach vorn und bekamen ohne Talon eine 0,5-Ltr - Flasche echten "Sibirskaja Wodka" - ein Genuss.
Wir wurden Augenzeugen einer handfesten Prügelei zwischen zwei Russen... um eine Flasche.
h.G. Uli
Petra HeinBuch 21/05/2013 23:55
...sehr sehr interessant, informativ und nachdenklich dein Blick hinter die Kulissen Dieter und eine zeitgemäße Doku**vlgPetra
smokeonthewater 21/05/2013 22:43
@Franz: Die Russen nehmen das Thema auch mit Humor. So sagen sie zur Alkohol-%-Angabe "ugol naklona" – "Neigungswinkel". Und sie kennen Trinksprüche, die in Phantasie, Witz und Sexismus alles in den Schatten stellen, was an deutschen Kneipentischen zu hören ist.Das Traurige ist, dass Alkoholismus und Trinkfestigkeit als normal, schick, männlich, herrisch bewertet wird. Die mit mir befreundete Familie hatte keinen Tropfen Alkohol im Hause und hat die Alkoholtoleranz in der Gesellschaft schwer kritisiert, aber so denken bei weitem nicht alle.
Pacoli 21/05/2013 20:39
Lieber Dieter,danke für Dein digitalisiertes Dia und das Aufgreifen dieses ernsten Themas. Du bist mir nicht böse, wenn ich es etwas spaßig weiterführe. Ich dachte immer, daß die Leute in diesem Land nicht besonders religiös sind. Aber das stimmt nicht. Alkohol ist der größte Feind der Menschheit. Aber schon in der Bibel steht geschrieben, du sollst deine Feinde lieben! :-))))
Aber ernst! Das Problem besteht nach wie vor. Lt. Spiegel online: "Jeder zweite Todesfall bei Männern in der Altersgruppe von 15 bis 54 Jahren geht auf Alkohol zurück. Der exzessive Wodka-Konsum ist auch ein Problem der Eliten."
Das wird ganz sicher nicht mit dem Erhöhen der Steuern besser. Die Betroffenen finden andere Wege.
Leider!
LG
Franz