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Niemand kommt hier raus...

Niemand kommt hier raus...

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Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

Niemand kommt hier raus...

Vor zwei Tagen war die Strafkompanie mit einigen Dutzend Zugängen aus der Slowakei vergrößert wurden. Das waren nur Juden. Auf besonderen Befehl des Lagerführers sollten sie alle hier erledigt werden. Die SS-Männer und die Kapos aus der Strafkompanie nahmen sich bereitwillig der Sache an.
Nach zwei Tagen blieben nur noch wenige übrig. Einer der Juden, athletisch gebaut und entsetzlich dick, hielt sich noch, obwohl gerade er das Hauptobjekt der Misshandlungen war. Er schob schwere Handkarren, die immer voll beladen waren.
Im Laufschritt schob er sie durch einen Spalier von Banditen, die ihn mit Stöcken schlugen, kippte den Kies an der angegebenen Stelle aus und kehrte denselben Weg mit leerer Karre zurück, immerfort geschlagen, geschoben und getreten.
Er versuchte so schnell wie möglich die für ihn gemachte Falle zu passieren: ein Brett, das über eine tiefe Grube geworfen war. Er wusste, dass an dieser Stelle die meisten seiner Landsleute fertig gemacht wurden. Wer das Gleichgewicht auf dem Brett nicht halten konnte, der fiel zusammen mit dem Karren in die Grube, von wo es keine Rückkehr mehr gab. Dort schlugen die grausamsten der Kapos ihre Opfer mit Stöcken tot.
Der athletische Jude hielt sich noch, wurde aber zusehends schwächer. Er kämpfte bis zum Schluss um sein Leben, doch seine Bewegungen wurden immer langsamer, unkoordinierter. Wie ein Blinder tastete er mit den Händen herum und suchte nach dem Karren, der umgekippt genau vor seinen Füßen lag.
Da er sich ratlos im Kreise drehte, blieb er mit den Füßen an den Unebenheiten des Bodens hängen, und sobald er fiel, sprangen die Kapos auf ihn zu und warfen sich wie ausgehungerte Wölfe auf ihr Opfer. An der Stelle, wo vorher nur ein SS-Mann gestanden hatte, waren es bereits mehrere. Sogar Ranghöhere waren dabei. Es war ja ein guter Spaß für sie.
Der Jude lag schon seit längerer Zeit in der Grube, vollkommen mit Staub bedeckt, schweißgebadet, blutend. Als einer der SS-Männer sah, dass er kein Lebenszeichen mehr gab, rief er laut in die Richtung des Tores: „Lagerältester! Nach vorn!“
Der Leichenträger Gienek Obojski, der neben mir stand, wurde unruhig. „Sicher werden sie gleich nach mir rufen“, sagte er verbittert.
Ein Sanitäter ging mit uns. Als wir angelangt waren, zeigte sich, dass man uns zu früh gerufen hatte. Der niedergemachte Jude widersetzte sich immer noch mit unmenschlicher Anstrengung dem Tode. Er versuchte jetzt aus der Grube herauszuklettern, aber der Sand lief unter seinen Füßen weg, er rutschte auf die Stelle zurück, von der er herauszukommen versuchte. Nichts für uns! Das konnte noch lange dauern. Die SS-Männer hatten eine wundervolle Show.
Wir wollten umkehren, aber Lagerführer Fritzsch brüllte uns so an, dass wir festgenagelt stehen blieben. Der Lagerarzt, der ebenfalls anwesend war, säuberte mit seinem Taschentüchlein gleichgültig die beschlagenen Gläser seiner Brille.
Fritzsch wandte sich jetzt an eine kleine Gruppe von Zuschauern und sagte etwas mit erhobener Stimme. Das bezog sich anscheinend auf die Kapos, denn zwei von ihnen sprangen sogleich in die Grube. Man hörte dumpfe Stockschläge und ein herzzerreißendes Stöhnen des Gefolterten. Die Kapos wussten, wohin sie zu schlagen hatten. Sie schlugen auf die Nieren. Fachmännisch! Der Gefolterte erhob sich noch einmal, brüllte unmenschlich und fiel dann um.
Plötzlich beugte sich einer der Kapos über ihn. „Der lebt noch“, stellte er fest. „Was?“ schrie der Lagerführer und schäumte geradezu vor Wut. Das genügte. Der Kapo legte einen Stock auf den mächtigen Hals des Sterbenden, wippte darauf eine Weile, bis etwas knackte. Diesmal gab es keinen Zweifel mehr…

Vernichtungslager Auschwitz: Häftling Nr. 290, Wieslaw Kielar berichtet.

(Quelle: Magazin „Der Spiegel“ Nr. 7 vom 12.02.1979)
Original:

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Stefan Schwetje


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Comentarios 6

  • Joachim Irelandeddie 07/12/2016 13:36

    Wieder ein erschütterder und beschämender Bericht eines gequälten Menschen! Ich bin immer wieder fassungslos wenn ich deine Berichte hier lese. Man weiß es ist viel Grausames geschehen aber so brutal und Menschenverachtend kann man sich es nicht vorstellen! Unglaublich zu welch en Grausamkeiten und Folterungen die Menschen fähig sind! Ein Tier tötet um zu leben der Mensch macht es oft aus Spaß am quälen! Was gibt es doch für furchtbare Sadisten.
    Für deine Aufnahme hast du auch hier eine sehr gute Bearbeitung und Perspektive gewählt!

    lg eddie
  • Nebelhexe 01/12/2016 18:11

    Furchtbar das so etwas in unserem Land passiert ist.
    LG
  • Karin.M 01/12/2016 9:08

    Beeindruckend dokumentiert!Eine sehr gut gewählte Perspektive und Schärfesetzung!LG Karin
  • Mary.D. 01/12/2016 8:56

    Das hast du bestens zum Ausdruck gebracht!
    LG Mary
  • Rumtreibär 01/12/2016 7:21

    die Geschehnisse waren fürchterlich
    fotografisch gut wieder gemahnt
    carpe lucem * HG Dieter

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Carpeta Auschwitz-Birkenau
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Cámara NIKON D5100
Objetivo ---
Diafragma 5.6
Tiempo de exposición 1/80
Distancia focal 200.0 mm
ISO 200

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