Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Schrammurban 2010-19

S1-HH gestern nachmittach 27.11.2010 iphone

Schinkenröllchen


Seine Frau macht jeden Samstag Schinkenröllchen mit Kochschinken und Spargel aus dem Glas. Er steht auf Mischhack mit Senf und Harzer Roller. Er hat es seiner Frau nie gesagt. Nach 51 Jahren ist es nun auch zu spät.

Er fährt gerne mal alleine mit der Bahn in die Stadt. Da besucht er seine ehemaligen Kollegen, mindestens einmal die Woche. Er war früher im Keller bei Brinkmann und hat die Sachen repariert. Brinkmann ist ja nun nicht mehr und die Kollegen sitzen bei Saturn. Inner Betriebskantine ist es nicht wie früher, aber man kann es sich ja einbilden.

Er isst eine Frikadelle. „Wie ich noch gearbeitet habe, hab ich zwei Frikadellen gegessen!“

Seine Tochter ist allein stehend. Seine Frau versteht so was ja nicht. Deshalb besucht er seine Dörte gerne ohne Mutti in Harvestehude. Sie ist sein Ein und Alles, die Füllung in der Marzipanschnecke. Ne ganz Zuckersüße.

„Bring doch Mutti mal mit!“
„Ach Mutti versteht uns doch nicht, du weißt doch!“ Dann schiebt er seine Dörte im Rollstuhl durch den Eichenpark und macht Fotos von ihr, mit der kleinen Kamera, die sie ihm zum 70zigsten geschenkt hat. Die macht an und für sich ganz gute Aufnahmen. Dörte lächelt wie die Sonne. Wenn der Pfleger kommt, dann müssen sie wieder zurück sein.

„Heut kommt wieder der Oskar, Papa. Den Oskar mag ich nicht.“ In drei Monaten wird Dörte fünfzig. Zum Geburtstag will er dann dem Oskar mit dem Stock das Nasenbein kaputt hauen. Da freut sich Dörte schon sehr drauf. Das wird urgemütlich werden mit Kerzen auf dem Tisch und wenn der Peterwagen mit den Schutzleuten kommt, dann kriegen alle ein Stück Kuchen, näch. Nur der Oskar, der kriegt keins.

„Und Mutti auch nicht“, lacht der Papa und wischt sich vor Vergnügen die Kullertränchen aus den Augenfältchen.
„Doch, Mutti kriegt eins!“ meint Dörte mit zuckersüßer Schnute.
„Jo, aber mit Arsen dabei. Wat heb wie lacht min deern. Oh oh.“

Dann muss er los, denn den Oskar will er nicht sehen, sonst kommt ihm der rote Heringssalat hoch. Anschließend geht’s nämlich nach Eidelstedt zu seinem Johannes. Da geht er aber nur vorbei, wenn seine Schwiegertochter mit den Enkeln unterwegs ist. Johannes seine Frau ist ganz schön hässlich, dafür aber recht tüchtig.

Bei Johannes kann er nämlich immer Pornofilme gucken.
„Früher in den alten Videokabinen am Hauptbahnhof war spannender. Und die Frauenzimmer hatten auch alle echte Körper. Und die Schauspieler waren auch nicht so unschön tätowiert. Aber die Bildqualität is schon fein, min Jung.“

Dann kommt aber auch schon die Schwiegertochter mit den Enkeln zurück.

„Bring doch mal wieder Mutti mit!“, sagt sie und lacht mit schiefen Zähnen.
„Ach Mutti versteht uns doch nicht!“
„Ja wegen die Männersfilme wohl Papa!“

Zum Abschied kneift er seinem Sohn in die Wange.
„Meine Enkel sind eigentlich ganz hübsch geraten. Wat bin ich froh, min Jung!“

Abends geht er dann früh ins Bett. Auf Schinkenröllchen hat er keinen rechten Appetit mehr.


28. November 2010


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