Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Schrammurban 2010-27

S1 HH 7.12.2010 iphone

Der Engel mit der Arschgeige


Jeden Sonntag fahre ich mit dem Zug zu meiner Großtante nach Uelzen. Meine Tante ist sehr krank und schwach und ich bringe ihr immer Aufbaupräparate mit, welche ich per bewaffneten Überfall aus einer Nachtapotheke geraubt habe. Auf dem Hunderwasserbahnhof mache ich immer Rast und schau mir die wunderbaren Bilder an, welche mir zu dem Bahnhofsgebäude einfallen. Dabei spinne ich so schöne Geschichten, dass es mir sofort gut geht und mich positive Gedanken berauschen. Mein Herz wird mit Glück gefüllt. Mit diesen guten Gedanken besuche ich dann meine Tante. Sie setzt sich im Bett auf und ich stopfe ihr großes Maul mit Tabletten voll. Langsam verbessert sich ihr Zustand.

Wir sehen zusammen Volksmusiksendungen in denen alte Nazis ein paar Studenten zünftig als Spanferkel zubereiten. Die Tante bekommt dann Appetit und ich zaubere ein kleines Essen mit vielen Früchten und Gemüse. Später erbricht sie sich dann jedes Mal und schläft in meinen Armen ein. Ich küsse ihr auf die heiße, wachsige Stirn und mache einen Abendspaziergang, habe dabei meine schönen Bilder im Kopf und hoffe, dass ich bald mein Erbe, drei gut gehende Grills in Hummelsbüttel, Bergedorf und Mümmelmannsberg antreten darf. Sie sind in Hamburg berühmt wegen ihrer Deutschlandflaggen und ihren „Wir dürfen hier nicht rein“ Schildern auf denen Muselmänner abgebildet sind. Die Produkte tragen die Namen „Deutschwurst“ und „Du nix hier gut!“ Es gibt auch „Hase im Pfeffer“ und „Pudel mit Kern“ und die berühmte „Schäferhundwurst“, mit dem Untertitel „Des Deutschen Polizisten bester Freund“. Dazu hausgemachten Kartoffelsalat nach einem Rezept aus der Hauptstadt des östlichen Preußens, Königsberg.

An diesen Abendspaziergängen in der schönen Reihenhaussiedlung meiner Uelzener Großtante, vernehme ich dann himmlische Musik. Laut meiner Tante spielt sie eine engelsgleiche junge Frau, welche mit ihrem Mann in Uelzen und Umgebung eine kleine schnuckelige Grillkette betreibt. Meine Tante wollte mit diesen Leute kooperieren und den Engel als Geschäftsführerin einsetzen, da sie selbst zu schwach ist, um sich noch um ihre Geschäfte kümmern zu können und ihr Hamburger Geschäftsführer nach Fisch stinkt. Aber der Mann des Engels entpuppt sich als Arschgeige und verbietet diese Zusammenarbeit.

Über diesen Zustand ist die Engelsgestalt so traurig, dass sie auf ihrem Mann die traumhaftesten Melodien spielt, welche von Liebe, Hass und Melancholie zeugen. Andächtig lausche ich.

Dann gehe ich zurück zu meiner Tante und überprüfe ihren Puls. Mit dem letzten Zug fahre ich wieder heim zu meiner jungen reizenden Frau Aische und zu unseren zwei wohlgeratenen Kindern, Sabine und Murat.


8. Dezember 2010


Schrammurban 2010-26
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Schrammurban 2010-25
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