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Eckhard-Mathias Holzhauser


Free Account, Saarbrücken-Dudweiler

St. Oranna Statue

Regionalhistorischer Kontext

Der christlichen Überlieferung nach stammte Oranna aus dem iro-schottischen Adel und kam mit ihrer Gefährtin, die erst Jahrhunderte später als Cyrilla bezeichnet wurde, im 6. oder 7. Jahrhundert in einer missionarischen Gruppe in den Saar-Mosel-Raum. Die beiden Heiligen, meist in einer Person als Heilige Oranna angebetet, sind seit der Christianisierung die Schutzheiligen Lothringens, des Saar- und Moselraumes. Insbesondere wird Oranna seit jeher im Grenzraum des Saargaues und Deutsch-Lothringens verehrt, d.h. des deutschsprachigen Grenzraumes bis etwa Bolchen (Boulay-en-Moselle) und Busendorf (Bouzonville). Die Grabkirche war schon im Frühmittelalter das Wallfahrtsziel vieler regionaler Pilgerinnen und Pilger. Der Beruser Schulneubau von 1961 wurde nach Oranna benannt. Bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg blieb in der katholischen Bevölkerung des Grenzraumes der Name Oranna ein traditioneller Mädchenname. Das nahe Berus, 1235 erstmals urkundlich erwähnt, war über weite Strecken seiner Geschichte lothringisch. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wurde die "Stadt auf dem Berg" mehrmals belagert, besetzt und verwüstet, dabei wurden alle Wohnhäuser, Burg Scharfeneck und das erst errichtete Renaissanceschloß (16. Jahrhundert) des Architekten Jakob Lux bis auf das noch heute vorhandene Torhaus und das Bannhaus von 1580 zerstört. Berus konnte nicht mehr an die Vorkriegszeit anknüpfen und wurde zum Dorf.

Daß die Kapelle während der Französischen Revolution wegen Baufälligkeit im Zuge der antichristlichen Tendenzen der Revolution abgerissen und damit als Zentrum einer etablierten und kirchlich gebilligten Pilgertradition entfernt werden sollte, spiegelt auch die Sorge der französischen Revolutionäre und ihrer Anhänger im Saarraum vor einer Gegenrevolution wider. Der Orannakult erlebte im 20. Jahrhundert einen Aufschwung im Zusammenhang mit den drohenden oder bereits begonnenen Weltkriegen. Er drückte sich besonders in zwei Musikstücken aus. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg schrieben in Metz-Queuleu die Lehrer Theodor Lerond (aus Kochern bei Forbach) und Michael Zurluth (aus St. Johann bei Zabern/Saverne) das sogenannte Orannenlied auf Bitten der gläubigen Ehefrau des in Queuleu beschäftigten Hauptlehrers Beining. Das Orannenlied wurde seit seinem ersten öffentlichen Vortrag 1918 fester Bestandteil der Wallfahrt nach Berus. 1944/45 schrieb der Verleger Hans Hausen (Saarlouis) zwei weitere Strophen zu dem Lied, zu dem heute sechs Strophen gehören. Hausens Verlag hatte während des Saarabstimmungskampfes deutsch-nationale Propaganda publiziert. Verschiedene Elemente des Orannaliedes kehren in der Orannamesse wieder, die der Domkapellmeister von Luxemburg, J. P. Schmidt, 1942 auf Bitten des Beruser Pastors Kornelius komponierte. Die Messe wurde erst nach Kriegsende vollendet und am Orannatag 1952 uraufgeführt. Der Orannakult blieb eine weitgehend in der Volksfrömmigkeit verwurzelte Tradition. Die jährliche Wallfahrt am dritten Sonntag im September verbindet seit Jahrhunderten die Gläubigen im Grenzraum, und die Grabkirche von Berus verkörpert bis heute einen Bereich positiver Beziehungen zwischen dem Saarland und Lothringen.

(Quelle: www.memotransfront.uni-saarland.de)

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