Stadtkirche St. Dionys/Esslingen
Wie fast immer, Freihand
Stadtkirche St. Dionys (Esslingen am Neckar)
Die evangelische Stadtkirche St. Dionys in Esslingen ist eine Kirche aus der Zeit der Gotik. Die Kirche steht auf der Südseite des Marktplatzes und bildet mit dem katholischen Münster St. Paul und der Frauenkirche ein Ensemble, das das Stadtbild prägt.
Die Nordman-Inschrift
An der Stelle der heutigen Stadtkirche wurde schon um 700 der erste Kirchenbau, eine St.-Vitalis-Kirche, errichtet; sie wird in der Forschung kurz als „St. Vitalis I“ bezeichnet. Diese einschiffige Saalkirche mit Friedhof war 18 Meter lang und hatte ein quadratisches Schiff und einen eingezogenen Rechteckchor. Um 764 wurde im Chor ein Reliquiengrab eingerichtet, gleichzeitig wurde der Chor durch Chorschranken abgetrennt. Bei Ausgrabungen wurden 17 Bestattungsstätten innerhalb des Kirchenschiffes gefunden, davon 15 Männer- und zwei Kindergräber. Bemerkenswert ist der Deckstein eines dieser Erdgräber, der die Inschrift IN NOMINE D(OMI)NI NORDMAN („Im Namen des Herrn, Nordman“) trägt. Diese Inschrift, die wohl aus dem 2. Viertel des 8. Jahrhunderts stammt, gilt als älteste mittelalterliche Grabinschrift rechts des Rheins.
784 starb Abt Fulrad vom Kloster Saint-Denis. Seinem Testament aus dem Jahr 777 ist zu entnehmen, dass er seinem Kloster sechs Zellen vermachte, darunter auch die in Esslingen. Die Reliquien des heiligen Vitalis, vielleicht auch Reliquien des heiligen Dionysius, die sich in Esslingen befanden, führten zur Entwicklung eines Marktes und einer Wallfahrt, so dass die erste Vitaliskirche schließlich einer größeren weichen musste.
Die zweite Vitaliskirche („St. Vitalis II“) in Esslingen wurde im späten 9. Jahrhundert errichtet. Sie war nicht breiter als der erste Bau, aber mit 40 Metern deutlich länger, und besaß eine geräumige Hallenkrypta. Damit war sie der größte Steinkirchenbau ihrer Zeit in Innerschwaben. Die Kirche wurde bis zum Ende des 12. Jahrhunderts mehrfach erweitert und umgebaut; unter anderem erhielt sie einen Südturm. Spätestens um die Mitte des 12. Jahrhunderts dürfte Saint-Denis keinen Einfluss mehr in Esslingen gehabt haben. Es ist unklar, wie lange bei der zweiten Vitaliskirche ein Kloster oder ein Chorherrenstift bestand. Die Kirche selbst jedoch behielt ihren wichtigen Rang als Pfarrkirche Esslingens stets bei.
Fundamente des frühgotischen Polygonchores
Die Esslinger Pfarrkirche wurde am 30. Dezember 1213 durch König Friedrich II. an das Domkapitel in Speyer übergeben, damit künftig mit den Erträgen aus den zugehörigen Gütern das Andenken der in Speyer beigesetzten Vorfahren Friedrichs aufrechterhalten werden konnte. Wahrscheinlich war diese staufische Schenkung der Anlass für den Kirchenneubau.
Die Krypta wurde um 1220/1230 zugeschüttet und um den Chor der zweiten Vitaliskirche, deren Schiff zunächst unverändert erhalten blieb, wurden im Halbkreis die ersten neuen Bauten errichtet. Die neue Kirche sollte eine spätromanische dreischiffige Basilika mit zwei Osttürmen und einem Chor mit drei Apsiden werden. Aus dieser Zeit stammen der Unterbau des südlichen Turms, der südliche Nebenchor und die Fundamente der Hauptapsis. Die Pläne wandelten sich jedoch bald. Der Chor wurde um 1230/1240 zum frühgotischen Polygonchor umgestaltet. Die Reliquien des heiligen Vitalis und des Dionysius wurden hier in einem neuen Kastenaltar untergebracht. In dieser Zeit wurde, nachdem der südliche Turm schon stand, auch der nördliche Turm errichtet. In dieser Phase bildete eine Paradiespforte mit Rankenwerktympanon, die in die Nordturmhalle führte, den Haupteingang der Kirche.
Fundamente des projektierten Westturms
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts war das Schiff der zweiten Vitaliskirche abgerissen. Das neue hochgotische Langhaus, das nun errichtet wurde, hatte zunächst fünf Joche. In den Seitenschiffen befanden sich dreibahnige Fenster. Die Kirche wurde durch eine Nord-Süd-Achse, die zwischen den beiden großen Seitenportalen verlief, gegliedert. Diese Portale befanden sich damals in der Mitte des Langhauses. 1263 erhielt der Bau seinen Dachstuhl. Ein gegen Ende des 13. Jahrhunderts projektierter Westturm mit quadratischem Grundriss wurde schon in einer frühen Bauphase aufgegeben.
1297 wurde der Polygonchor durch den heute noch bestehenden Chor ersetzt. Er ist 1,13 Meter breiter, 7,7 Meter länger und etwas genauer geostet als der Vorgängerbau. Der Bau dieses hohen Chores hatte nicht nur eine im Inneren der Kirche deutlich sichtbare Abweichung der Bauachse zur Folge, sondern führte auch dazu, dass die Höhe der Türme angeglichen werden musste. Zunächst wurde der Nordturm aufgestockt, der nun eine Höhe von 59 Metern erreichte. Um 1320 war auch die Aufstockung des 55,5 Meter hohen Südturms abgeschlossen. Die Aufstockung der Türme führte zu einer Überlastung der Fundamente und unteren Geschosse und gefährdete den Kirchenbau.
Nördlicher Seiteneingang mit Rankenwerktympana
Um 1300 erfolgte die Erweiterung des Schiffes nach Westen. Sie begann mit einer Verlegung der Stadtmauer und einer Niveauangleichung des Geländes. 1313 hatte das Langhaus sieben Joche und war um 13,5 Meter länger geworden als bisher.
In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden der südliche und der nördliche Nebenchor durch neue Chorseitenkapellen ersetzt. Die nördliche dieser beiden Kapellen ist erhalten geblieben. Sie diente zeitweise der Esslinger Patrizierfamilie Sachs als Grablege und wurde deshalb auch als Sachsenkapelle bezeichnet.
1352 wurden auch die Dacharbeiten über dem Chor abgeschlossen. Die Kirche war nun 70 Meter lang und 24 Meter breit. Um 1450 wurde die südliche Chorseitenkapelle durch den heute noch bestehenden zweigeschossigen Sakristeibau ersetzt. 1682 wurde ein Zugang zur Nordempore eingerichtet, der 1900 wieder beseitigt wurde. 1901 wurde die Fachwerk-Turmwächterstube durch einen Sandsteinbau ersetzt. Auch die Maßwerkbrüstungen der Plattform stammen aus dieser Umbaumaßnahme.
Die Türme
Um 1360/1370 mussten fast alle Öffnungen der Turmuntergeschosse vermauert werden. Dadurch ging die Kirche ihres „Querhauses“ verlustig, das durch die Turmhallen gebildet worden war. Doch diese Sicherungsmaßnahme reichte nicht aus. Als der Nordturm einzustürzen drohte, wurde nach 1437 die Nordseite des Turmuntergeschosses verstärkt. Dieser 13 Meter hohen und 60 cm dicken Verbauung fiel das spätromanische Stufenportal an dieser Stelle zum Opfer. Den Zugang zu den Obergeschossen des Nordturms bildete nun der neue Spindeltreppenturm.
Der Südturm neigte sich allmählich um 56 Zentimeter in Richtung Süden. Dem versuchte man in den Jahren 1643 bis 1650 durch den Einbau zweier Holzbrücken mit eingezogenen Ketten zwischen den beiden Türmen zu begegnen. Die untere Brücke wurde 1859 beseitigt, die obere 1900 durch eine holzverkleidete Stahlkonstruktion ersetzt. Außerdem hatte der Südturm 1723 Strebepfeiler und Vormauerungen erhalten wie einst schon der Nordturm.
Um 1600 war die Kirche grau gefasst, die Fugen waren weiß. Auf der Südseite der Kirche, wo einst der Kirchhof lag, sind alte Epitaphien an der Kirchenwand angebracht. Das doppeltürige Südportal trägt seit seiner Restaurierung im Jahr 1482 Meisterzeichen und Monogramm des Max Beblinger; von der Inschrift am Türsturz ist nur noch das Wort pestis lesbar.
Am südöstlichen Sockelfeld erinnert ein Mahnmal an die Gefallenen des Krieges 1870/71 und des Ersten Weltkrieges. Die Skulptur stammt von Karl Donndorf. An der Westfassade befindet sich heute das Hauptportal unter einer historisierenden Farbverglasung von 1883. Kruzifix und Bronzetüren wurden in den 1960er Jahren von Ulrich Henn gestaltet.
Innenansicht des Langhauses mit Blick zum Lettner und Chor
Die Wandflächen des Langhauses über spitzbogigen Arkaden sind ungegliedert und karg wie bei Bettelordenskirchen des 13. Jahrhunderts. Diese Wirkung wurde durch eine Restaurierung in den Jahren 1898 bis 1904 hervorgerufen, in deren Verlauf die früher bunten Wände und Stützen ebenso wie die Decke des Mittelschiffs ihre Bemalung verloren. Die Decken erhielten damals eine kassettierte Holztäfelung, die Gewände der Obergadenfenster eine Ausgestaltung mit Blattornamenten. Von den mittelalterlichen Wandgemälden ist nur ein kleiner Rest erhalten. Er stammt aus der Zeit um 1410/1420 und zeigt Ausschnitte aus der Leonhardslegende. Diese Legende war einst als Gemäldezyklus auf der nördlichen Seitenwand zu sehen. Erhalten geblieben sind die Taufe Leonhards durch Remigius von Reims, sein Tugendunterricht, sein Einsatz für Gefangene bei König Chlodwig, sein Rückzug in die Einsamkeit, die Bitte Chlodwigs um Rettung seiner leidenden Frau sowie die Beschenkung mit einem Klostergelände zum Dank. Die Kirche besaß bis zur Reformation insgesamt zehn Altäre; einer davon dürfte Leonhard geweiht gewesen sein.
Kapitell einer Säule
Die Pfeiler aus Sandstein sind alle oktogonal. Ihre Basen und Kapitelle sind jedoch unterschiedlich gestaltet. An den Kapitellen finden sich z. T. Wesen wie Kentauren und Drachen. In der Ikonographie der Romanik stehen solche Tiere oft für das Böse, das aus der Finsternis kommt. Auf anderen Kapitellen sind dagegen Adam und Eva, das friedliche Zusammenleben verschiedener Tierarten und die Beherrschung der Welt durch den Menschen dargestellt. Die Profilierung der Arkaden entspricht der Arkadengestaltung im benachbarten Münster St. Paul.
Die Kanzel stammt aus der späten Renaissance. Sie wurde 1609 von einem unbekannten Meister geschaffen und später von Peter Riedlinger bemalt, der bereits 1604 das Gemälde für den Hochaltar geschaffen hat. Der Kanzelkorb ist achteckig und hat einen Fuß mit viereckigem Grundriss. Auf dem Schalldeckel steht ein segnender Christus, die Unterseite ist mit den Symbolen der vier Evangelisten und der Taube des heiligen Geistes geschmückt. Die Kanzel steht heute am ersten Mittelschiffpfeiler auf der Südseite der Kirche, wodurch die mittelalterliche Ausrichtung der Kirche auf den Chor eher gewährleistet ist als durch den bis 1958 genutzten Standort am dritten Südpfeiler gegenüber der Nordempore, die 1961 entfernt wurde. Das Lesepult aus dem Jahr 1990 wurde von Ulrich Nuß gestaltet.
Vor dem Hauptaltar mit seinem spätgotischen Kruzifix von 1520 steht ein Taufbecken aus dem Jahr 1965. Ulrich Henn schmückte es mit Szenen aus dem Leben Jesu. Ein Altar im südlichen Seitenschiff stammt aus der ehemaligen Dominikanerkirche St. Paul. Er ist ein Werk des Frühbarocks und stammt aus dem Jahr 1667. Das Altarblatt zeigt eine Kreuzigungsszene vor der Stadt Jerusalem. Stifter des Altars waren Dr. jur. Georg Friedrich Wagner und Elisabeth Heider.
Im Maßwerk des Südportals sind Glasgemälde von Hans Gottfried von Stockhausen aus dem Jahr 1963 zu sehen.
Erinnerung an einen Verstorbenen
In der Stadtkirche St. Dionys wurden mindestens 101 Menschen bestattet. Durch den Bildersturm sind allerdings viele Totenschilde und Epitaphien verloren gegangen. Erhalten blieb etwa das Epitaph des Conrad Schloßberger aus der Spätrenaissance. Schloßberger, der 1638 starb, war zweimal verheiratet. Seine beiden Frauen, Barbara Herwarth und Sabine Besserer, denen das Epitaph ebenfalls gilt, starben beide vor ihm. Laut Inschrift hat Schloßberger das Werk selbst geschreinert. Die Bilder zeigen Jesus und die Kinder und die vor dem Auferstandenen kniende Familie. Schloßbergers Epitaph befindet sich an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs. An der Nordwand ist ein Gedenkstein für den Apotheker Ignaz Rohr und dessen Frau Agnes Heberlin zu sehen. Er ist ein Werk des Steinätzers Kaspar van der Sitt aus Nürnberg, der nicht nur den Stein für den 1582 verstorbenen Apotheker gestaltete, sondern auch für den württembergischen und den kaiserlichen Hof arbeitete. An der Südwand befindet sich das Epitaph des Esslinger Bürgermeisters Georg Wagner und seiner Gattin Anna Ursula Cellius.
By Wikkipedia
Kawachi 23/12/2014 22:49
Feine Perspektive und Aufnahme, wenn auch wegen des knappen Lichts oben etwas rauschig, aber das stört nicht wirklich.Ich wünsch dir und deiner Frau ein frohes und gesundes Weihnachtsfest und kommt gut ins Neue Jahr!
LG Peter
PS: das Lesen heb ich mir auf später auf, wenn ich mal 'ne ruhige Minute oder fünf oder zehn habe ;-)))