Szenen aus der Zone VIII
Eine Heldentat des Sozialismus – nicht mehr und nicht weniger sollte die Entwässerung der Friedländer Großen Wiese (FGW) nordöstlich von Neubrandenburg zwischen 1958 und 1962 darstellen. Unter der heute grotesk anmutenden Losung „Wir bauen unserer Republik eine neue Milchstraße zum Sozialismus“ wurde das mit 12 000 Hektar größte Niedermoorgebiet Mecklenburg-Vorpommerns durch den Einsatz von 6000 Jugendlichen „urbar“ gemacht. Gräben von fast 1000 Kilometer Länge wurden geschachtet und entwässerten das Gebiet. Straßen und Wirtschaftswege wurden errichtet, Hecken gerodet, Staue gebaut und Windschutzstreifen mit Pappeln bepflanzt. Ein einzigartiger Biotop wurde zerstört und viele Pflanzen und Tiere ausgerottet. Nebensache. Schließlich sollte „Unland“ zu – mehr oder minder – wertvollem Nutzland gemacht werden und Futter für 40 000 Rinder produzieren, die in Ferdinandshof eingestallt waren. Ein Gedenkstein in Mariawerth erinnert noch heute an das Jugendobjekt der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ), und mit dem berühmten Buch „Egon und das achte Weltwunder“ von Joachim Wolgemuth wurde dem Projekt auch ein literarisches Denkmal gesetzt. Wenige Meter von dem Gedenkstein entfernt indes kann man die Folgen des Raubbaus an der Natur studieren: Bei einem 1887 errichteten Haus hängen die Dachrinnen in der Luft und die Fundamente sind sichtbar. Eine Folge der Moorsackung. Der ausgetrocknete Moorkörper vermullt, zersetzt sich unter Freisetzung von Unmengen an klimaschädlichem Kohlendioxid, wird vom Wind abgetragen (Moorstürme) und sackt in sich zusammen. Bis zu 2,50 Meter. Mit dem Moorschutzprogramm des Landes M-V wird nun versucht, zumindest Teile der Wiese und des darin eingebetteten Galenbecker Sees zu renaturieren. Nicht nur Natur- und Klimaschutzgründe spielen dabei eine Rolle. Ohne pathetische Parolen und den entsprechenden ideologischen Unterbau ist die Bewirtschaftung eines derartigen Grenzertrags-Standortes nämlich aus heutiger Sicht nur eines: unwirtschaftlich.
Canon EOS 350d, Tamron 2,8/28-75
† Sebastian Haerter 06/11/2006 9:32
Danke Martin, es kommen weitere Folgen, versprochen...°!