^ Überlebenskampf auf 3000m: Nacht, Morgen und Abstieg ^
Während dem Fotografieren ist in nicht abschätzbarer Distanz vor mir über dem 2km-Abgrund etwas grösseres schwarzes lautlos vorbeigeflogen. Ich konnte es erkennen, weil die Sterne sich verdunkelt haben. Ich hatte dafür keine Erklärung.
Donnerstag, 29.12.2011
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Um 23 Uhr sind wir dann in den Schlafsack. Ringsherum war alles abfotografiert und am Licht würde sich bis zum Morgengrauen nichts mehr ändern. Schon eine Stunde später änderte sich das Wetter schlagartig. Ab Mitternacht fielen die Temparaturen um ca. 1° pro Stunde und der Wind beschleunigte sich auf ungemütliche 60-80km/h. Irgendwann mitten in der Nacht begann es dann auch zu schneien. Balz kam dann in den Sinn, dass seine beiden Kameras (5DII und 1DIII) noch draussen am Time-lapsen waren. Bei diesem furchtbaren Wetter musste er raus um sie ins Zelt zu holen. Er brachte zwei Eisblöcke . Er selber war auch nicht in viel besserer Verfassung. Sein Höhenkoller wurde immer stärker. Er hatte Kopfschmerzen, Übelkeit und es fröstelte ihn auch in seinem angeblichen -10°-Komforttemparatur-Schlafsack. Darum haben wir die Schlafsäcke getauscht. In meinem Mammut Ajungilak Tyin 5-season 200 hatte er warm und ich hielt es in seinem bis zum Tagesanbruch aus.
Das Zelt rüttelte hin und her. Wir bereiteten uns auf den Ernstfall vor: Falls das Zelt nicht halten sollte, hätten wir in der Nacht runter zur überdachten Gondelbahnstation laufen müssen. Die ganze Nacht ging es so weiter.
Der Höhepunkt war dann ausgerechnet bei Tagesanbruch erreicht. Wir mussten aber unbedingt runter, bevor wir ganz eingeschneit waren. Angezogen und gepackt haben wir alles im Zelt. Um ca. 8:30 Uhr gingen wir das erste mal raus. Es schneite zwar nicht fest, dafür fast horizontal. Schneeschuhe und Stöcke waren zum Glück nicht ganz eingeschneit, so dass wir nicht lange suchen mussten. Die Temparatur war dann noch etwa -15°. Sehr schnell packten wir das Zelt zusammen. Leider wurde der Zeltsack weggewindet, so dass wir das Zelt nur in den Unterboden einwickeln konnten und aussen am Rucksack befestigen mussten.
Die Sicht betrug grösstenteils um die 10-20m. Wir hatten es mit einem Whiteout zu tun. Kurz bevor wir an den Abstieg gingen, sah ich wieder etwas schwarzes in einiger Entfernung über die Schneeoberfläche huschen. Auch diesmal war ich ratlos, was das hätte sein können.
Nichtsdestotrotz machten wir uns an den Abstieg. Unsere Spuren waren leider nicht mehr zu sehen, aber die 300m bis zum Skilift waren trotzdem ohne grössere Umwege zu schaffen. Die erste von zahlreichen Fata-Morganen manifestierte sich in Form eines Pistenfahrzeuges, welches eigentlich ein nicht mit Schnee bedeckter Felsbrocken war . Einmal beim Skilift angekommen, konnte man sich praktisch nicht mehr verlaufen. Mit Freude stellten wir fest, dass der Skilift in Betrieb war. Wir hatten nämlich Angst, dass die Seilbahn bei diesem stürmischen Wetter nicht in Betrieb gesetzt wird und wir in der Seilbahnstation festhängen würden, bis das Wetter sich bessert. Von Menschen war jedoch noch keine Spur zu sehen. Leider ging der Abstieg nicht wesentlich schneller als der Aufstieg. Etwa in der Hälfte des Abstiegs haben wir nun beide dieses schwarze Etwas über die Skipiste fliegen sehen. Balz hatte eine Vermutung: Es könnte der Zeltsack sein. Balz sollte Recht behalten: Wir konnten es einholen und tatsächlich, es war der Zeltsack. Es ist kaum zu glauben: Dieser Sack ist die ganze Nacht lang herumgewindet worden. Die eine hälfte der Nacht war Westwind, die andere Ostwind. Der musste viele Kilometer zurückgelegt haben. Und am Morgen landet er dann praktisch vor unseren Füssen auf der Skipiste. Sowas kann man fast nicht mehr rational erklären . Unsere Freude wurde aber gleich wieder getrübt: Der Skilift wurde angehalten. Offenbar war es nur ein Testlauf, um der Vereisung gegenzuhalten. Nun ja, wir hatten genügend Proviant dabei und auch über einen Kocher zum Auftauen von Schnee verfügten wir. Nach einer weiteren halben Stunde voll quälender Ungewissheit kamen wir endlich bei der Seilbahnstation an, die uns zurück zur Zivilisation bringen sollte. Wir vernahmen die Stimmen von zwei Österreichern aus dem Nebel kommen. Diesmal war es keine Fata Morgana. Es waren tatsächlich Leute hier oben, die Ski fahren wollten. Wir waren noch nie so froh, andere Menschen zu sehen. Mit Freude vernahmen wir, dass die Seilbahn mit reduziertem Tempo in Betrieb war. Der Bahnwärter erwartete uns bereits. Die Skipistenkontrolleurin, die uns am Vortag noch nach unseren Plänen ausgefragt hatte, muss dies dem Personal weitergesagt haben. Es müssen am Morgen noch zwei "Sternenfotografen" runterkommen, hiess es.
Mit grosser Zufriedenheit genossen wir die Fahrt in der Gondel, wo wir uns endlich aufwärmen konnten.
Mit grossem Entsetzen stellten wir dann aber fest, dass der Skibetrieb vor allem ab Crap Sogn Gion ganz normal weiterlief. Die Gondeln waren überfüllt mit skiwütigen Wintersportlern. Wir fragten uns ernsthaft, wer bei solchem Wetter freiwillig aus dem Haus geht. Auch auf 2000m betrug die Sicht höchstens 100m und die Temparatur war um die -10°. Naja, uns konnte es ja egal sein. Glücklich und zufrieden sind wir vom nebeligen und verschneiten Alpennordhang Richtung Flachland zurückgefahren.
Hinter uns lag der wohl verrückteste Ausflug unseres Lebens.
Vorher:
reka750 03/10/2019 23:51
Krasse Story, krasses Bild!Ein sicher unvergessliches Erlebnis!
LG Rene
Apollo4Life 15/09/2012 21:54
Nicht das beste Bild dieses Ausflugs, aber die Story ist genial. Vielen Dank dafür!Beste Grüße
Alex
Benediktusª 25/02/2012 10:57
Einfach nur wunderbar. Das ist so schön! Respekt.Lieber Gruß, Bene
Ingo Alms 12/02/2012 9:58
Ungewohnt, aber wirklich gut!Gegenwind 12/02/2012 9:22
einfach umwerfend und fesselndKarl Freudenthaler 12/02/2012 9:20
cold as icegrossartig
lg
Karl
Tomio P. 10/02/2012 14:28
einfach ein hammerbild! neid pur da möchte man am liebsten auch dabei gewesen sein! einfach abenteuer pur! super fotos!fotoallrounderin 15/01/2012 16:43
bericht und fotos: einmalig - danke dir, dass ich ein wenig an deinem/eurem abendteuer teilhaben durfte.lg rosalie
Etzadle 11/01/2012 18:06
Eine Frage bleibt da noch zu klären, die sich aus Zeile drei ergibt: "Balz kam dann in den Sinn [...].Wirklich?, fragt sich schmunzelnd Etzadle
Jamie Fox 11/01/2012 15:36
Auch wenn es beim Voting nicht geklappt hat so bleibt doch die Erinnerung an diese geniale Nacht und es bleibt das geniale Bild.Jamie
Stephan Schenk ( `Der Leitermann` ) 11/01/2012 15:27
Grandiose Fotos und eine spannende Geschichte! Sehr schön beschrieben!Wer einmal in der freien Natur wild (ohne Zivilisation)übernachtet hat weiß wovon Du berichtest.
In meiner Jungend hatte ich beim trampen mit einem Freund mitten in einem unbekannten Wald nur im Schlafsack, ohne Zelt übernachtet. Ich selbst bin erst am Morgen eingeschlafen. Was dort im Wald in der Nacht alles los ist, wieviele wilde Viehcher (Fuchs Mader Wildschwein) herum laufen ist kaum zu glauben - aber zu hören. Man hatte den Eindruck die Tiere laufen um dem Schlafsack und schnuppern rings umher! Selbst Igel werden im nächtlichen Wald ob ihres lauten raschelns und schnüffeln zu Monstern.
Das war bis dahin auch meine verrückteste Nacht.
Grüße, Stephan
Petra Z 10/01/2012 18:23 Comentario de la votación
+Lotta-Yvette 10/01/2012 18:23 Comentario de la votación
+ann margAReT 10/01/2012 18:23 Comentario de la votación
proHelmut Gutjahr 10/01/2012 18:23 Comentario de la votación
hab nicht so viel Zeit!E