Verklebte Persönchen
„Vor dem Bahnhof befindet sich ein Imbiss. Dort können Sie sich verpflegen. Nur, ob ich noch da bin, wenn Sie wiederkommen, kann ich nicht versprechen.“
Hört sich nach einer schlechten Bekanntschaft an. Doch so sprach der Zugführer, nachdem wir mit unserem Zug komplett irgendwo in Niedersachsen an einem Provinzbahnhof zum Stehen kamen. In der Mitteilung kurz vorher erfuhren wir, dass ein Güterzug vor uns auf dem Gleis brenne. Nüscht ging mehr – die Leute nahmen es mit Humor. Vielleicht war es ein weiterer Scherz des wortgewandten Zugführers, als der Hinweis auf das Rauchverbot IN den Zügen kam. Die lapidare Gegenfrage eines Fahrgastes, ob denn wenigstens kiffen erlaubt sei, erntete durchaus angebrachtes und tendenziell verzweifeltes Gelächter.
Touchez!
Ich war mal wieder mit Fahrrad, Anhänger und der Bahn unterwegs. Nicht, dass ich Stillstand unbedingt bräuchte, wenn ich weiß, dass ich noch hunderte Kilometer zurücklegen muss, aber solche Anekdoten bleiben natürlich hängen ... so im Gehirn drin.
Irgendjemandem sagte ich noch (als der Zug dann doch wieder fuhr) „nun haben wir das Schlimmste überstanden“, nichtsahnend, dass die eigentliche Vollkatastrophe erst noch folgen sollte.
HANNOVER!
Jut, ich bin mir zwar sicher, dass ich an jenem Tage nicht allen Hannoveranern und Hannoveranerinnen begegnet bin, doch es machte erneut ganz deutlich den Eindruck, als seien die Menschen dort in ihrer Hilfsbereitschaft und Reaktion reichlich verklebte Persönchen.
Und wenn es nicht die Menschen waren, dann war es der Bahnhof an sich. Mit einem zweiteiligen Gespann (Fahrrad und Anhänger) auf einem völlig überfüllten Bahnhof diverse und kurzfristige Gleiswechsel mitzumachen, schürt Amoksehnsüchte. Hannover ist ein Durchgangsbahnhof, was heißt, bei jedem Gleiswechsel ist man so als Long Vehicle auf Aufzüge angewiesen. Und man kann sich gut vorstellen, welchen logistischen Aufwand das für eine Einzelperson bedeutet, wenn der Fahrstuhl immer nur ein Teil aufnehmen kann. Ach, da komme ich nun doch mal wieder auf die Menschen zurück: ich hätte Hilfe gut gebrauchen können, doch anders, als an anderen Bahnhöfen, habe ich sie dort, weder freiwillig noch auf Bitten hin, bekommen. Es bestätigte sich ein Eindruck, den ich bereits 2018 gewann. Nach 14 Stunden war ich endlich wieder in Frankfurt.
Ey, ich muss das irgendwie verarbeiten! Zu motzen hilft mir dabei enorm, denn sich das alles schön zu saufen, ist einfach keine Option (zu kiffen übrigens auch nicht).
Mein Trost ist: Nachtfahrten gehen gut – so habe ich es auf der Hinfahrt gemacht.
Ok, ich habe die Tour nach Uelzen überstanden und ehrlicherweise hat sie mich doch, trotz einigen Unbills, mit Geschichten gefüttert und bereichert.
Viel Bahn, viel Wetter, viele Menschen! Und am Ende werden nur zwei bis vier Fotos dabei herausgekommen sein.
Diese Tour nährt mein Motto: Du kannst ohne Foto nach Hause kommen, aber nie ohne eine Geschichte!
Vorliegendes Foto habe ich in der praktisch letztmöglichen Nacht gemacht – den Wetterverhältnissen geschuldet.
Nominell ist es eine Montage, wenngleich die Panoramen für Vordergrund und Himmel direkt hintereinander in eine Richtung geschossen wurden mit nur leicht versetztem Kamerastandpunkt. Dabei betrug allein die reine Aufnahmezeit für das Himmelspanorama fast 1,5 Stunden (in der Zeit „wandert“ die Milchstraße natürlich). Faktisch hat es noch länger gedauert.
nachgeführt | gestapelt | Montage | Panorama
(TRACKED | STACKED | COMPOSITE | PANORAMA)
Boden (15.09.2023)
Kamera: Canon EOS 77D
ISO 3200 • n=f/4 • 30“ • LLL
Ausschnitt aus einem Panorama • 3 Reihen • je 9 Einzelbilder • Hochformat
Objektiv: Sigma ZOOM-MASTER 35–70mm f/2,8 @ 35mm
Himmel (15.09.2023)
Kamera: Canon EOS 77D
ISO 3200 • n=f/4 • 3x90“ pro Bild/Frame (gestapelt und nachgeführt)
Ausschnitt aus einem Panorama • 3 Reihen • je 6 gestapelte Bilder (6 Frames) • Hochformat
Objektiv: Sigma ZOOM-MASTER 35–70mm f/2,8 @ 35mm
Nachführung:
Omegon Minitrack LX3
Bearbeitung:
PTGui • Photoshop
M.Schlosser 04/10/2023 6:26
Wie schön, Gratulation zum Foto der Stundereibol 03/10/2023 14:46
Eine wunderbare Arbeit, die Dich für die Umstände sicherlich entschädigt :-)VG Reinhold
DLFrank 03/10/2023 11:18
Sowohl das Bild als solches, als auch die damit verbundene Story sind herzallerliebst… und dass Du nun leider in einer Region unterwegs warst, die eigentlich sooooo weltoffen ist, es letztlich aber doch nicht ist, sollte Dich bestärken, auch mal in den Osten Deutschlands zu kommen… obwohl ich da auch nicht mit Gewissheit behaupten konnte, dass alles glatt läuft, die Chance ist aber weitaus hoher *lachLg DLFrank;)
Mischa KÖNIG 24/09/2023 21:18
- Motiv suchen und finden,- großer Wille, um gute Ergebnisse zu erreichen,
- viel Erfahrungen, wenn es um knifflige Dinge geht,
- anspruchsvolle und bemerkenswert gute Aufnahmen,
- beneidenswerte und unterhaltsame Beschreibungen des Ganzen
FAZIT: Du hast es eben voll drauf!
glG aus Thüringen
Mischa
M.Schlosser 24/09/2023 16:26
Deine Geschichten unter den grandiosen Bildern +++. Ich kann mich da den "Vorrednern" nur anschließen!Marcus-Bremen 24/09/2023 1:48
Claudia mein ausdrückliches Mitgefühl zu der Story und Beifall zu dem Foto!Was mir zusammen wieder mal in Erinnerung gerufen hat warum ich Deinem Account schon so lange folge.
Grüße aus Bremen
Marcus
P.S.
Die Idee mit dem Buch hat was.....
ric62 24/09/2023 1:01
Du solltest mal ein Buch machen. Mit Bildern und den dazu gehörigen Texten.Verkauft sich sicher gut.
Ich les und betrachte beides immer gern.
Einfach köstlich.
Hier schon allein die Scheune. Dann noch eine faszinierende Milchstraßenaufnahme und obendrauf, also als Schlagobers die Geschichte.
Gruß, Frank.
Gisa69 24/09/2023 0:48
Eine nette Geschichte zu einem schönen Foto,Herz was begehrst Du mehr !
LG Gisa.
smokeonthewater 24/09/2023 0:39
Bahn-Manager Mehdorn war seinerzeit stolz darauf, Personen- und Güterverkehr über ein und dasselbe Netz abzuwickeln. Dafür wurde er u.a. von den Japanern ausgelacht, die beides trennen, wodurch die längste jemals registrierte Verspätung für den Shinkansen 19 Sekunden (1996) beträgt.In Berlin mit seinem sehr gut ausgebauten ÖPNV bis ins umliegende Brandenburg lohnt sich für mich das Deutschland-Ticket. Aber meistens, wenn ich mich bei Ausflügen auf Bahn und Bus außerhalb Berlins verlasse, erlebe ich frustrierende Abenteuer. Die Euphorie für das Ticket lässt nicht nur bei mir immer mehr nach.
Und die Menschen in Hannover scheinen besonders unhöflich und egoistisch zu sein. In Berlin sind täglich viel Hilfsbereitschaft zu erleben, auch auf den Bahnhöfen. Es muss also ein lokales Problem sein.
LG Dieter
P.S.: Tolles Foto!