wenn der König...
das alte jodbad in wiessee
"Als der König ins Jodschwefelbad stieg "
Bad Wiessee - Holländer, Heilwasser und High Society: Viele Jahrzehnte war das Wiesseer Jodschwefelbad so angesagt, dass die Gäste Schlange standen. Die Geschichte des Kurens an einem besonderen Ort.
Ein König kurt im Jodschwefelbad. Lange dauert es nicht, bis sich das im Sommer 1922 in Bad Wiessee herumspricht. Ferdinand von Bulgarien soll sich mit Wannenbädern und Heilwasser päppeln, sagt man – und zwar schnell nicht nur im Tegernseer Tal. In rasender Geschwindigkeit weiß beinah überall jeder bescheid, der etwas auf sich hält. Und beschließt: Diese wahrhaft königliche Kur, die brauch’ ich auch. Das Jodschwefelbad erlebt damals einen ungeahnten Aufschwung – der über Jahrzehnte anhalten soll.
Marketing damals und heute – viel hat sich da eigentlich nicht geändert. Man nehme prominenten Besuch und streue die Info darüber möglichst weit – schon läuft der Laden. Im Jodschwefelbad hat das lange funktioniert. Begonnen hat alles mit einem neugierigen Holländer auf der Suche nach Öl. Adrian Stoop kommt 1904 nach Bad Wiessee, weil er gehört hat, dass hier unter der Erde Öl wartet. Stoop bohrt – und fördert am 27. Mai 1909 statt Öl einen dicken Strahl stinkender Flüssigkeit zu Tage: jodhaltiges Wasser, noch dazu mit jeder Menge Schwefel darin. Der Holländer hat die stärkste Schwefelquelle Deutschlands entdeckt. Das Wasser, das weiß man schon damals, soll viele Beschwerden lindern: Von Augenleiden über Hautkrankheiten bis Bluthochdruck. Schon ein Jahr später sitzen die ersten Gäste in den eilig aufgestellten beiden Holzbadekabinen nahe der Quelle.
Den Tegernsee kannte die High Society - wegen der Wittelsbacher
Kuren im Tegernseer Tal, das war damals nichts Neues. In Wildbad Kreuth gönnten sich schon lange vor Stoop der russische Zar und der österreichische Kaiser Molkekuren. Und den Tegernsee kannte man wegen der ganzen High Society, die mit den Wittelsbachern im Tegernseer Kloster an den See gekommen ist, sowieso. Doch in Wiessee – das Bad kam erst 1922 hinzu – sagten sich nach wie vor Fuchs und Has’ Gute Nacht. Außer einigen Bauernhöfen gab es nicht viel.
Mit der offiziellen Eröffnung des Jodschwefelbads im Mai 1912 ändert sich das schlagartig. „Die Heilwirkung des Jodschwefelwassers hat sich damals wie ein Lauffeuer verbreitet“, erzählt Brigitta Ammer. Sie ist beim Jodschwefelbad zuständig fürs Marketing und hat sich für die Ausstellung „Kuren und Baden in Bad Wiessee – eine historische Zeitreise“, die derzeit im Jodschwefelbad zu sehen ist, eingehend mit der Historie des Kurens in Bad Wiessee beschäftigt. Und die zeigt: Das Jodschwefelbad war eine absolute Erfolgsgeschichte. 1921 schreibt die Gemeinde an die Staatsregierung: „Die erzielten Heilwirkungen scheinen teilweise fast an das Wunderbare zu grenzen.“
Das Wunder spricht sich so schnell herum, dass die Menschen vor den Wannen im Jodschwefelbad Schlange stehen. Es herrscht „ständiges Warten, Anstehen und Drängen“, berichtet die Gemeinde. Der Beruf der Badefrau, die sich um die Patienten kümmert, floriert. „Verdient haben diese Frauen nicht viel. Aber vom Trinkgeld konnte sich jede Badefrau ihr Häuschen ersparen, sagte man früher“, erzählt Ammer. Zimperlich gingen diese Mitarbeiterinnen in den 20er Jahren nicht mit den Kurgästen um. Sie achteten darauf, dass die Bade-Regeln genau befolgt wurden – und die waren streng. „Für ein Bad werden 40 Minuten (einschließlich Aus- und Ankleiden) gerechnet“, heißt es in der Verordnung von 1929. Und: „Lautes Sprechen, Singen, Pfeifen ist nicht gestattet.“ Sich Zeit lassen, zur Ruhe kommen und genießen wie beim Wellness heute? Nicht im Jodschwefelbad der Anfangszeit. Die Leute kommen trotzdem.
1935 bricht das Jodschwefelbad alle Rekorde
Die Wiesseer profitieren freilich von dem Boom, den das Jodschwefelbad erlebt. 1932 kuren rund 12.000 Gäste in der Gemeinde und steigen in über 30 Hotels und Pensionen ab. Ein Prospekt aus diesem Jahr wirbt mit Urlaub in „bürgerlichen Landhäusern im heimatlichen Gebirgsstile“. In kürzester Zeit hat sich das bäuerliche Dorf Wiessee zum mondänen Kurort Bad Wiessee entwickelt. Das als Trinkkur ausgegebene Heilwasser wird den Gästen sogar nach Hause geschickt. Eine Musikkapelle unterhält die Gäste, während sie in der Wandelhalle garantiert geschmacksneutrales Heilwasser (wie in der Werbung damals versprochen wird) trinken oder in den Gärten in der Sonne sitzen. Allzu locker soll es aber nicht zugehen. „Bad Wiessee ist kein Mode-, sondern ein Heilbad. Zwanglos läuft zu Hause das gesellige Leben ab“, mahnt der Prospekt.
1935 bricht das Jodschwefelbad alle Rekorde: Allein 156.725 Bäder werden verordnet. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 waren es insgesamt 15.000 Anwendung. Während des Zweiten Weltkriegs bricht die Zahl der Kurgäste freilich ein – in Betrieb bleibt das Jodschwefelbad aber durchgängig. Und dass hier auch die ein oder andere Nazi-Größe ihre Wehwehchen kurierte, kann Ammer nicht ausschließen. Schließlich waren Hitler, Himmler und Konsorten häufig Gäste im Tegernseer Tal.
1989 ist es vorbei mit dem Bade-Boom
Nach dem Krieg ist das Bad kurzzeitig in amerikanischer Hand, schon in den 50ern geht der Betrieb aber weiter – und zwar genauso erfolgreich wie zu seinen Anfängen. Die Werbeprospekte erscheinen auf englisch und französisch. Während heute vier Badeärzte in Bad Wiessee arbeiten, waren es in den 60ern 60. Die Krankenkassen zahlen jede Behandlung. „Mir haben Gäste erzählt, dass sie früher jedes Jahr gekommen sind“, erinnert sich Brigitta Ammer. 1973 freuen sich die Wiesseer Gastgeber über mehr als eine Millionen Übernachtungen. 1989 rutscht die gute Stimmung schlagartig in den Keller. Es ist das Jahr des Gesundheitsreformgesetzes. Die Krankenkassen bewilligen nur noch sehr sparsam Kuren. Noch im gleichen Jahr halbiert sich die Zahl der Gäste im Jodschwefelbad fast. Die goldenen Zeiten sind endgültig vorbei.
Und heute? „Viele Kurgäste von damals kommen jetzt höchstens noch in der rabattierten Winterwoche“, sagt Ammer. Während früher fast alle Gäste mit einer Verschreibung ihres Arztes nach Bad Wiessee kamen, haben jetzt nur noch 30 Prozent ein Rezept. Der Rest zahlt selbst. Doch nicht nur die fehlenden Kurgäste belasten die Gemeinde, die das Jodschwefelbad 2001 gekauft hat. Auch das Ringen um einen Investor für das Areal tut dem Image nicht gerade gut. Tun muss sich aber etwas beim Jodschwefelbad. Mit Wannenbad und Wandelhalle holt man schon lange niemand mehr hinter dem Ofen hervor. Wellness ist das Zauberwort. Geschäftsführerin Renate Zinser setzt auf Massagen und ähnliches, wie sie unserer Zeitung kürzlich sagte. Und wenn dann auch noch ein König vorbeischauen würde, wie damals 1922, sähe die Zukunft doch schon viel rosiger aus.
@münchner merkur 15.01.15 tegernseer teil
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