YEMEN - SANAA - IM SOUK - Die Frauen des Yemen
- DEDICATED TO THE UNKNOWN LADY FROM SANAA -
Diese Aufnahme konnte ich irgendwo im Souk von Sanna fotografieren.
Anmut und Feniminität sprechen nach meinem dafür halten aus diesen Augenpaar!
Sylvia M. 31/10/2007 21:09
Jemenwelten: Manchmal ist das Leben so seltsam, dass man am liebsten die Küchentür hinter sich zumachen würde. Fatima bereitet das Frühstück. Sie hockt auf dem steinernen Fußboden, wo sich eine Schüssel mit Brotteig, den sie mit einem Messingstößel knetet. Ab und zu stößt sie den dreijährigen Jussif beiseite, ihren Jüngsten, der immer wieder versucht, auf ihren Schoß zu klettern:Yallah, lass mich in Ruhe!Fatima ist verwirrt. Es hätte ein ganz normaler Tag werden können: Morgens Brot backen, später beten, Reis kochen, Tee trinken mit der Familie, abends Ziegen füttern im Hof. Aber nun ist alles anders. Fremde sind im Haus, die gestern angekommen sind.
Durch die Küchentür hört Fatima Stimmen. Anfangs hat sie sich gewundert über den merkwürdigen Dialekt der drei Besucherinnen. Bis sie gemerkt hat, dass sie gar kein Arabisch sprechen, sondern eine völlig fremde Sprache. Zwei von den dreien können überhaupt kein Arabisch, die armen Seelen!
Fatima kennt ausländische Frauen bisher fast nur aus dem Fernsehen. Was heißt kennen: Manchmal, beim Essen oder beim Fegen, wirft sie einen flüchtigen Blick auf das geschminkte Gesicht einer ägyptischen Filmschauspielerin oder die exaltierten Lippenbewegungen einer amerikanischen Moderatorin. Was sie sieht, macht sie nicht wirklich neugierig.
Natürlich, die Ausländerinnen haben schöne Kleider, Autos und oft reich aussehende Männer. Aber was hat man von alldem, wenn man dafür jeden Tag unverschleiert aus dem Haus gehen muss?
Fatima wundert sich, wie vieles diese drei nicht können und nicht wissen. Zum Beispiel sind sie kaum imstande, mit den Fingern zu essen. Fatima hat ihnen daraufhin Gabeln hingelegt, ein Geschenk der in Saudi Arabien verheirateten Tochter, das hier im Hause niemand nutzt.
Und sie stellen so seltsame Fragen. Ab wann ein Mädchen sich verschleiern muss. Muss!!!! Als sei es nicht eine Ehre und ein Zeichen weiblicher Reife, sich vor den Blicken Fremder zu verbergen. Gestern, beim Tee, wollte die eine, die Arabisch spricht, wissen, ob Fatimas ältester Sohn verheiratet ist. Vor so viel Direktheit ist Fatima regelrecht erschrocken. Was sollte sie mit so einer als Schwiegertochter? Würde die ernsthaft erwarten, dass man für sie Brautgeld zahle?
Fatima hat den Gästen Tee eingeschenkt und Weihrauch für sie angezündet, hat ihnen gezeigt, wie man sich die Schale so unter den Rock hält, dass der duftende, erfrischende Rauch die Beine hinaufstreicht.
Und gleich wird sie ihnen Brot backen, gutes Frühstücksbrot aus Weizenmehl. Mit einer Zange stanzt Fatima ein feines Strichmuster in die Fladen.
Die Gäste staunen und Fatima lächelt. Es ist ungewohnt und zugleich schmeichelhaft, für Dinge bewundert zu werden, die eigentlich selbstverständlich sind. Stolz zählt Fatima auf, was sie alles kann: Backen, kochen, nähen lesen und schreiben.
Und das hier kann sie auch. Sie setzt eine vielsagende Miene auf und schlägt mit der Faust ein paarmal gegen die flache Hand. Die Gäste kichern. Fatima lächelt. Ausländerinnen hin oder her - unter Frauen versteht man sich doch irgendwie.
Um die Mittagszeit geht Fatima aus dem Haus. Vorher legt sie den Scharschaf an, das schwarze Übergewand aus Mantel, Kopftuch und Gesichtsschleier. Sie tut das mit flinken, beiläufigen Handbewegungen, so, wie eine Europäerin sich an einem kalten Wintertag noch einen schal umlegt. Dann macht sie sich auf den Weg zum Haus ihrer Schwägerin Asme, zusammen mit Jussif und dem sechsjährigen Ibrahim, ihrem Zeitjüngsten.........
Wie ein Schatten huscht sie mit ihren Söhnen durch die Gassen. Fatima hat sich am Hauseingang die Schuhe abgestreift und den Gesichtsschleier zurückgeklappt. Sie muss nicht befürchten, in diesem Haus nicht-verwandten Männern zu begegnen. Sie nickt kurz ihren Schwägern und Neffen zu. Dann geht sie in den 4. Stock zu den Frauen.
Ein Fremder, der nach längerem Aufenthalt in einer konservativen arabischen Stadt unverhofft in den oberen, den privaten Teil eines Hauses geriete, ein solcher Fremder müsste spontan den Eindruck gewinnen, dass es in der Stadt zwei völlig verschiedene Arten von Frauen gibt: Schwarze, schweigsame, scheu zu Boden blickende Schattenschwestern auf der Straße und bonbonbunte, redselige, ausgelassen lachende Müßiggängerinnen in den oberen Etagen der Häuser.
Zu zwölft hocken sie in einem Raum. Die Enge lässt die Versammlung noch bunter wirken: Eine Symphonie aus lila, rosa, hellgrün- und orangefarbenen, zum Teil ziemlich durchsichtigen Gewändern und Kopftüchern. Kinderschwärme driften vom Flur ins Zimmer und wieder hinaus, Gebetsteppiche werden ausgerollt und Koransuren gemurmelt, während drumherum weiter Melonenkerne geknackt und Neuigkeiten ausgetauscht werden.
"Ich hab dich gestern in Sihail gesehen". "Übermorgen treffen wir uns bei Chudra, kommst du auch?" "Wie findest du diesen Stoff?" "Meine Nachbarin macht Ärger wegen des Telefons".......usw.
Nun kommen auch die Gäste von Fatima, Fadl hat sie zu Asmes Haus begleitet, denn alleine hätten sie Asmes Haus nie gefunden. Ausführlich und mit einem gewissen Stolz erklären die Frauen den Ausländerinnen das weitverzweigte Geflecht der Familie. Hennarote Finger recken sich hoch, um Geschwister und Kinderzahlen aufzuzählen, kreuzen sich, um Verwandtschaftsgrade zu veranschaulichen. Fatimas Gäste lächeln freundlich, aber etwas verwirrt.
Jetzt wollen die Frauen erst einmal wissen, wie es um die Verhältnisse der Fremden bestellt ist. Seid ihr verheiratet? Habt ihr Kinder? Nur zwei? Nur eins? Gar keins? Ach.
Ihr müsst arbeiten?? Warum denn???? Habt ihr keine Männer???
Es scheint, als folge dieses Beisammensein, so ungezwungen es wirkt, einer unausgesprochenen Dramaturgie.
Schön langsam wird Fatima wieder nach Hause gehen. Es wird Abend, die Sonne ist untergegangen. Fatima hockt im Hof und füttert ihre Ziegen. Ihre Nachbarinnen sind auch gekommen, wie jeden Abend. Hier im Hof ist es dunkel, dass sich die Frauen mit hochgeklappten Gesichtsschleier unterhalten können.
"Ich habe 30 Ziegen, sagt Medine, die Nachbarin. Drei sind schwanger. Und dies hier ist ein Böckchen, fühl mal, was es für einen Penis hat.....haha!!!!!!!
Ein Windstoß bläst eine Staubwolke in den Hof. Fatima erhebt sich, schüttelt den Staub vom Scharschaf. Sie wird jetzt ins Haus gehen, Ahmed und den Kindern das Abendessen bereiten. "Unser Leben ist schön, nicht wahr?" - UND ES HATTE NICHT WIE EINE FRAGE GEKLUNGEN.
Sylvia M. 31/10/2007 21:05
Selbstbewusst sind die jemenitischen Frauen! Mehr noch, viele bemitleiden uns oft - ein ewiges Spiel der Phantasien und Projektionen.Für viele von uns gilt der Schleier gemeinhin als Symbol der Unterdrückung, als Beweis dafür, dass die Weiblichkeit in den arabischen Ländern nichts gilt.
Selbst erlebt:
Eine schwarz verhüllte Frau im Bergjemen eilt durch das Dorf. Die Sonne scheint grell, die Frau wirkt fast körperlos, wie ein dunkler bewegter Schatten. Wortlos hastet sie an mir vorüber, doch bevor sie um die Hausecke verschwindet, dreht sie sich um, hebt mit einer kurz entschlossenen Geste den Schleier, lacht mir voll ins Gesicht und ist weg. Was war das? Das war kein Gruß, keine Kontaktaufnahme von Frau zu Frau. Das war eine Demonstration: Sieh her, du Europäerin, wir verschleiern uns zwar, nicht jeder kann unser Gesicht sehen, aber schön sind wir auch.
Ich habe es oft im Jemen erlebt, die Frauen tragen den Schleier gerne, und auch viele gut ausgebildete Frauen verteidigen die Verhüllung. Viele Frauen im Jemen fühlen sich sehr wohl in ihrer Umsorgtheit und Beschütztheit. Keinesfalls will ich hier die landläufigen Verhältnisse der Frauen im Jemen zu positiv darstellen, denn sicherlich gibt es auch Missstände und sicherlich gibt es etliche Frauen im Jemen, die gerne anders leben würden, als es ihnen möglich ist......
LG Sylvia