Reiner H.


Premium (Pro), 50° 44' 2.37'' N ~ 7° 5' 59.33'' E

: 02 | a u f . d e m . w e g . . .

... zum Lügenduell !

[Diese Geschichte handelt vom legendären Duell zweier Lügengladiatoren : zwischen dem unbesiegten Champion Käpt´n Blaubär und einem seiner Vorgänger Nussram Fhakir, der Einzigartige.
Sie ist mein diesjähriger Versuch einer vorweihnachtlichen Geschichte … viel Stoff und hoffentlich finde ich Zeit, jeden der 24 Tage mit Bildern und Worten zu füllen.]



...
Nussam Fhakir war ein Hundling, das sollte man wohl noch erwähnen, ein menschlicher Körper mit einem Fuchskopf. Die Hundlinge gingen aus den seltenen Paarungen zwischen Wolpertingern und Werfüchsen hervor, wobei diese seltsame Mischung aus Mensch, Fuchs und Wolpertinger entstand, die in Zamonien nicht unbedingt beliebt, aber geduldet war. Dem Hundling fehlte die gefährliche Aggressivität des Werfuchses und die körperliche Kraft des Wolpertingers, aber er ähnelte beiden genug, um jedermann instinktiv Respekt einzuflößen.

Hundliche glichen die fehlenden animalischen Kräfte mit einer überdurchschnittlichen Intelligenz aus und verfügten, das sollte ich noch hinzufügen, über einen gewissen bedrohlichen Charme, der besonders bei der Damenwelt Wirkung zeigte.

Ansonsten hatten die Hundlinge es nicht leicht in Zamonien. Die meisten führten ein nomadisierendes Einzelgängerdasein, zogen alleine durch den Kontinent und verdingten sich als geschickte Zimmerleute. Nussram, so war es in seiner Biographie nachzulesen, hatte den Weg vom Torfstecher über den wandernden Zimmermann zum Lügengladiator als einziger seiner Rasse geschafft. Dafür wurde er von den Hundlingen wie ein Heiliger verehrt.

„Verzeihen Sie meine Verspätung !“ raunte er mit einer galanten Verbeugung ins Publikum. „Aber ich mußte zunächst aus den Bleikammern von Buchtingen entkommen, wo ich zu Unrecht und gegen meinen ausdrücklichen Willen festgehalten wurde, was mir nur dadurch gelang, daß ich mich an einem Tag fünfzig Kilo herunterhungerte, um durch die Gitterstäbe zu schlüpfen. Ich brauchte dann leider wieder eine gewisse Zeit, um mir das Gewicht wieder anzuessen, damit ich mein geschätztes Publikum hier nicht dem Anblick meines ausgemergelten Körpers aussetzen muß. Die letzten paar Kilo erforderten das Verschlingen von diversen Sahnetorten, eines Elchschinkens und mehrerer Meter Bratwurst, was ein paar Minuten länger dauerte, als ich veranschlagt hatte !“

Der Applausmesser war noch gar nicht eingeschaltet, und der fing schon an, seinen Charme zu versprühen und seine Ideen zu verschleudern, als ob er zuviel davon hätte. Nicht einmal ich wagte diese dreiste Behauptung anzuzweifeln und fiel in den allgemeinen Beifall ein, so verzaubert war ich vom Auftritt meines Idols.

Ich fragte mich, warum Smeik so ein Theater gemacht hatte. Gegen so einen Gegner würde ich ganz selbstverständlich verlieren, gleichgültig, wie sehr ich mich ins Zeug legte. Und ich würde es mit Vergnügen tun.

Er schwang sich elegant auf den Herausforderer-Thron und entfernte mit einer fächelnden Handbewegung ein paar unsichtbare Krümel von seinem Umhang.
„Lange nicht mehr hier gesessen“, seufzte er melancholisch. „Der Herausforderer-Thron. Wie ungemütlich. Daran muß man sich erst wieder gewöhnen.“
Das Publikum lachte und beklatschte seine Reminiszenz an seine Gladiatoren-Vergangenheit.
„Obwohl es sich kaum lohnt, sich daran zu gewöhnen. Wir werden eh bald die Plätze tauschen.“ Nussram sah mich durchdringend an. Ich erschauderte.
Das Publikum lachte noch lauter.
Er zeigte mit dem Finger so anklagend auf mich, daß ich den Kopf einzog.
„Ist das mein Gegner ?“ fragte er höhnisch. „Dieser Blabär ?“
„Blaubär !“ wagte ich zu korrigieren.
„Oder Blaubart – was auch immer !“ konterte er.
Das Publikum feixte.
„Sie wissen ja, was man über Bären sagt: Laß nie deine Speisekammer offen, wenn einer in der Nähe ist“, tuschelte er so laut ins Publikum, daß ich es sehr wohl hören konnte.
Amüsiertes Gekicher.

Ich hatte schon davon gehört, daß er vor den Duellen versuchte, seine Gegner durch solche Mätzchen zu entnerven. In seiner Biographie hatte er diesem Thema ein ganzes Kapitel gewidmet. Er hielt es für eine eigenständige Kunstform, die Schwachpunkte des Gegners herauszufinden und ihn damit zu demoralisieren. Das Kapitel hieß „Die 39 Wege der Demütigung“ und beschrieb 39 Varianten, den Mut des Gegners schon vor der ersten Runde zu brechen. Ich muß gestehen, daß mir dieses Kapitel als einziges im Buch nicht gefiel. Ich hielt nichts von taktischen Mätzchen außerhalb des Duells, ich war für den offenen Kampf. Aber jeder hatte da so seine eigenen Methoden. Mit seiner hatte Nussram Fhakir allerdings manche Kämpfe schon gewonnen, bevor sie überhaupt angefangen hatten.

Ich blieb daher gelassen …

aus : Walter Moers – Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär,
Goldmann-Verlag, ISBN-13 : 978-3-442-45381-8



h i e r . g e h t´ s . w e i t e r ...

: 03 | z a m o n i s c h e . w a s s e r
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Reiner H.

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