Zirkus, Zirkus!
[Dorotheenstädtischer Kirchhof, Liesenstraße • Berliner Friedhöfe zwischen den Jahren 2022/23]
Auf dem Ableger des Dorotheenstädtischen Friedhofs Chausseestraße findet man nur Gemeindemitglieder.
Zufällig sind darunter die Gründer dreier großer deutscher Zirkusunternehmen.
Sie wanderten nicht mit großen Zelten, sondern ließen feste, prächtige Spielstätten errichten.
Links: BUSCH
Mausoleum und Ehrengrab von Paul Vincenz Busch (21.1.1850 Berlin – 28.11.1927 ebenda)
Busch begann als Pferdedresseur der Hohen Schule in Reval und St. Petersburg.
1884 gründete er seinen eigenen Zirkus in Svendborg/Dänemark, von wo aus er durch Skandinavien tourte.
Die erste feste Spielstätte entstand 1892 in Hamburg-Altona. Weitere folgten im Wiener Prater und in Breslau.
1895 eröffnete er das neue Stammhaus in Berlin-Mitte. Stars wie Houdini traten hier auf.
Die Nazis rissen es 1937 ab, ein Neubau von Albert Speer wurde im Krieg nicht mehr vollendet.
Seit dem Krieg tourt Busch dann doch im Zelt durch Deutschland. 1963 fusionierte er mit Zirkus Roland Bremen.
Mehrere Familienzweige gründeten eigene Wanderzirkusse unter dem Namen Busch.
Der DDR-Zirkus Busch hatte nichts mit der Familie zu tun; er ging auf einen Nürnberger Zirkus zurück.
Mitte: SCHUMANN
Ehrengrab von Albert Schumann (22.1.1858 Wien – 15.8.1939 Neuenhagen bei Berlin)
Schumann begann als Dressurreiter in der Nummer seines Vaters im Circus Renz.
1876 schloss er sich dem Brüsseler Cirque Royal an und ging 1885 zum eigenen Zirkus des Vater nach Malmö.
Danach gründete er drei feste Spielstätten in Wien, Berlin und Frankfurt/Main.
In Berlin übernahm er die zu klein gewordene Renz-Manege, die 1918 zum Schauspielhaus umgebaut wurde.
So lebte er danach nur noch aus den Erträgen des Frankfurter Schumann-Theaters (1944 zerstört).
Rechts: RENZ
Ehrengrab von Ernst Jakob Renz (18.5.1815 Böckingen bei Heilbronn – 3.4.1892 Berlin)
Renz lernte von seinem Vater das Seiltanzen im Wiener Circus de Bach.
Mit dem Zirkus Brilloff reiste er später durch Deutschland, mittlerweile auch als Dressurreiter.
1842 machte er sich mit dem Circus Olympic Berlin selbstständig, ab 1850 unter dem Namen Circus Renz.
1867 fand hier die Uraufführung des Stauß-Walzers "An der schönen blauen Donau" statt.
Weitere feste Bauten folgten in Hamburg, Bremen, Breslau, Wien und Kopenhagen.
Wegen der Errichtung des Bahnhofs Friedrichstraße musste Renz in die Markthalle umziehen.
Das Gebäude wurde später von Albert Schumann übernommen.
Danach gründeten mehrere Familienzweige eigene Zirkusse unter dem Namen Renz, die bis heute spielen.
Christof Hannig 16/01/2023 16:51
Eine sehr gute und würdige Darstellung ist das!!!Viele Grüße
Christo f
Andreas E.S. 15/01/2023 21:24
Deine Exkursion auf die Berliner Friedhöfe war doch sehr erfolgreich. Von den drei erwähnten Zirkusgründern sind mir nur Cirkus Busch und Cirkus Renz bekannt. Inzwischen kämpfen sicher alle Zirkusunternehmen um ihre Existenz. Dazu haben sicher manche Vorschriften zum Arbeiten mit Wilden Tieren beigetragen und auch das Fernsehen als billiger Konkurrent. Ich habe in Südeuropa mehrere kleine Zirkusunternehmen gesehen die ganz erbärmlich um das Überleben kämpften.LG Andreas
anne47 15/01/2023 21:09
Busch und Renz sind mir noch bekannt, Schumann nicht. Damals hatten Zirkus-unternehmen noch Hochkonjunktur. Ich kann mich auch noch gut an die Wanderzirkusse erinnern und an die Wohnwagen - das war eine völlig andere Welt und hatte immer etwas Geheimnisvolles.LG Anne
Zwecke 15/01/2023 20:20
Drei gut betuchte Familien liegt hier begraben, wie man unschwer erkennen kann.Ein sehr interessanter Text dazu.
LG Horst