(030) Pflaster
Ich fühle das Pflaster unter meinen Füßen. Die ersten Menschen, zumeist Hausfrauen, bewegen sich mechanisch über das Pflaster, das schon seit vielen Jahren von Füßen getreten wird, so wie die Hausfrauen von den Füßen ihrer Männer getreten werden. Diese Männer, die frisch rasiert am Küchentisch auf die Rückkehr ihrer Frauen warten, weil sie frische Brötchen haben wollen. Genau die Männer, die nicht aus eigenem Antrieb eine Kaffeetasse aus dem Küchenschrank nehmen können, um sich frischen, heißen Kaffee in die Tasse zu füllen, die Männer, die nicht wissen, wie viel Zucker sie in ihrem Kaffee trinken, weil ihre Frauen sie mit allen Dingen versorgen.
Ich sehe Hausfrauen auf dem Pflaster, die sicher ihren Männern auch die Butter auf das frische Brötchen schmieren, nach der Art der Marmelade fragen, keine brauchbare Antwort bekommen, Erdbeermarmelade auf das Brötchen schmieren und sich dann ihrem Mann gegenüber, verborgen durch seine Tageszeitung, die Vorbereitungen für den Tag treffen.
Genau diese Männer werden dann auf die Arbeit gehen, ihren Kollegen das Klagelied der Ehe vorsingen, weil seit vielen Jahren jeder Tag gleich beginnt und Erdbeermarmelade schon lange nicht mehr ihr Geschmack ist. All dies werden die Hausfrauen nicht hören, weil sie in ihren Küchen sitzen und keinen neuen Groschenroman von mir auf dem Schoß halten können. Ihr Schoß ist zur Untätigkeit verdammt, weil meine Gedanken nun in mir selbst sind, weil meine Romanhelden nicht mehr von mir leben und ich mein eigenes Leben lebe.
Meine Füße treten das Pflaster. Ich gehe den Weg zurück, den ich am Abend vorher gegangen bin. Ich bin um eine erotische Frau reicher. Trotzdem bin ich leer und müde. Ich sehne mich nach einem Bett, nach meinem Bett. Ein Bett, das ich nicht teilen muss, ein Bett, das nur durch mich und nicht durch eine erotische Frau zum Bett wird. Müdigkeit lässt meine Augen wandern, jedoch nicht sehen. Häuser, Menschen, Hunde sind hässlich, Bäume gibt es in der Stadt nicht und Blumen sind dazu da, dass sie in das Grau der Menschen ihre Farben gießen. Die Menschen bleiben grau und die Blumen werden farblos.
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Michael K. Trout 21/10/2005 11:16
Vielen Dank für die Anmerkungen und keine Angst, das Tagebuch geht weiter - sehr bald sogar - und es ist noch kein Ende abzusehen, noch kein Ende der Suche.Grüße, Michael
Tina Media 18/10/2005 19:40
wow ... einfach und immer wieder saustark diese aufnahmen ... perfekt und dein text versprüht einen geheimen zauber ... auch wenn alles auf ein ende dieser geschichte hin zeigtbin gespannt wie es weiter geht
lg aus berlin
tina
Christian Mueller 18/10/2005 16:59
ich kenne diese wege auch ..aber nur aus der vergangenheit *songlück* ..und ich bin zum glück sowohl fähig mir nen kaffee zu nehmen als auch mir mein brötchen selber zu schmieren ..das beruhigt mich schon sehr ....Slow Photo 18/10/2005 15:20
Dieser Weg nach Hause. Am nächsten Tag. Den kenne ich und finde mich so sehr in dem Text wieder. Diese Stimmung habe ich oft erlebt. Die Menschen um einen herum scheinen einen dann in dieser Situation und Stimmung auf eine ganz eigentümliche Art und Weise wahrzunehmen. Vielleicht weil sie so grau sind?EM. G. 18/10/2005 15:00
wie melancholisch...wanderer zwischen den welten....die erotische frau alleine scheint dir nicht genug...
du wirst weiter wandern wollen, auf der suche nach etwas, dass du womöglich selber nicht kennst?
carpe diem! lg M.
Ulrike Richter-Lies 18/10/2005 14:39
Fast, wie ein Zeitungsroman!Man muss einfach lesen wies weitergeht!
Der letzte Satz beschäftigt mich.... Grübel...grübel!